Mit großem Interesse habe ich hier das Günter Grass-Gedicht und die darauf folgenden Reaktionen verfolgt. Sehr spannend, das alles, aber da es hier nicht um Israel sondern um Japan geht, werde ich mich nicht weiter dazu äußern. Ähnliche Wellen schlagen hierzulande jedoch seit gestern Bemerkungen des Governeurs von Tokyo, Ishihara, der gestern auf einer Pressekonferenz (oder bereits vorher?) mal eben die Idee hatte, daß es doch eine gute Sache wäre, wenn Tokyo-to (die Verwaltungseinheit Tokyo) die 尖閣諸島 Senkaku-Inseln kaufen würde. Jene liegen im Dreieck zwischen Okinawa, Taiwan und der VR China und gehören momentan bzw. seit den 1930ern zur Präfektur Okinawa, genauer gesagt zur Gemeinde Ishigaki. Die Inselgruppe besteht aus 5 Inseln und 3 Riffen, ist insgesamt gute 5 Quadratkilometer gross und hat 0 Einwohner. Bis zur nächsten bewohnten Insel sind es rund 130 Kilometer. Interessant sind die momentanen Besitzverhältnisse: 4 der Inseln wurden Ende des 19. Jahrhunderts für 30 Jahre an den Unternehmer Koga verpachtet – ohne daran verknüpfte Bedingungen. Erst 1895 verleibte sich Japan die Inseln offiziell ein, nachdem geprüft wurde, dass die Inseln niemandem anderen gehören. Koga versuchte in den folgenden Jahren, die Inseln wirtschaftlich zu erschliessen, aber mangels Wasser war das Unterfangen nicht ganz einfach – Landwirtschaft ist einfach nicht möglich. Trotzdem lebten vor dem 2. Weltkrieg bis zu 200 Japaner auf der Insel – im Dorf Koga. Nach dem Krieg verschwanden die Menschen, und Okinawa wurde von den USA verwaltet. Laut japanischen Quellen wilderten daraufhin taiwanesische Fischer die Insel, bis fast alle Seevögel verschwanden. Bis 1968 interessierte sich ansonsten niemand richtig für die Inseln – bis in der Umgebung Erdöl gefunden wurde. Nun erhoben plötzlich Taiwan und die VR China Ansprüche auf die Inseln.
1932 kaufte Koga’s Sohn dem Staat die Inseln (mit Ausnahme der Taishō-Insel) ab. Und daran hat sich bis heute nichts geändert: Die kleinste der Inseln (Taishō-Insel) gehört dem Finanzministerium; die anderen vier Inseln sind in privater Hand. Da die Eigentümer aber die Inseln nicht benutzen dürfen (der Zutritt ist streng reglementiert und normale Leute dürfen dort nicht hin), zahlt der Staat an die Eigentümer Miete für die Inseln, und zwar eine knappe viertel Million Euro pro Jahr (siehe hier).
In den letzten Jahren gab es immer wieder Vorfälle, bei denen Fischer und sogar Militär in die Wirtschaftszone um die Senkaku-Inseln eindrang: So zum Beispiel bei einem Vorfall im September 2010, als ein chinesisches Fischerboot bei den Senkaku-Inseln mehrfach ein Schiff der japanischen Küstenwache rammte.
Der Vorschlag des rechts angesiedelten, erzkonservativen und sehr beliebten Gouverneurs von Tokyo ist nicht dumm: So Okinawa keine besondere Einwände erhebt, könnte Tokyo unter Umständen wirklich den Inhabern die Inseln für ein paar dutzend Millionen Euro abkaufen und sich “mehr um die Inseln kümmern”. Das wäre auch nichts neues – die von Tokyo rund 1’740 km entfernte 沖ノ鳥島 Okinotori-Shima und viele andere Inseln gehören auch zu Tokyo. Aber die eher saloppe Bemerkung über den geplanten Kauf schlägt grosse Wellen im Land (nach dem Motto “darf der sowas!?”) und natürlich in China, wo sich sofort Widerstand regt. Mal sehen, was aus der Idee wird – und was geschehen wird, wenn Ishihara wirklich die Inseln an sich (bzw. die Stadt Tokyo) reißt.
Ishihara ist anscheinend noch dran interessiert Werbung für sein neues Steckenpferd, eine “echte” konservative Partei zu machen. Die wohl eher als Spaßpartei endet, mit Takeo Hiranuma und Shizuka Kamei :-o.
Hierzulande würde ich kommentieren: “Hat der nix besseres zu tun?” Mal abgesehen vom Erdöl (fördert das eigentlich jemand?) kümmert sich doch niemand um diese Ödlande.
Nebenbei: Günter Grass und das israelische Volk genießen meine vollste Unterstützung!
Also ich mag Ishihara, weil er direkt und ohne Umschweife alles sagt, auch unbequeme Dinge. Zudem ist er mit seinen Worten nicht nur ein unbequemer Typ fuer andere, nein, er laesst im Vergleich zu anderen Politikern auch Taten folgen. Genau aus dem Grund mag ich ihn.
Nichts ist schlimmer als nur Gerede ohne Ergebnisse und das koennen Japaner (besonders in der Politik) sehr gut.
Welche Taten denn? Die Präfekturverwaltung hat schon seit Jahren Naoki Inose übernommen, da Ishihara außer großen Sprüchen nichts mehr bringt. Der ist alt, senil und hat jeglichen Sinn für die Realität verloren. Sein größenwahnsinniger Versuch, Olympia 2016 nach Tokio zu holen ist nur ein Beispiel. Verbunden mit dem Versprechen, der japanischen Pampas 300 Milliarden Yen Aufbauhilfe zu schicken, was seinem Sohn Nobuteru Ishihara dann die Unterstützung der örtlichen LDP-Bezirke für die Wahl zum Parteivorsitzenden einbringen sollte.
Imho wird Ishihara viel zu sehr aufgebauscht. Der Mann hat seine Bedeutung schon lange eingebüßt und muss jetzt mehr als früher auf billigen Populismus ausweichen.
Hehe, habe heute einen Artikel zum selben Thema geschrieben, wenn auch mit viel deutlicheren Worten ;)
Die 200 Japaner damals arbeiteten uebrigens in einer Fabrik (Walverarbeitung?).
[…] Der gute Tabibito hat auch einen Artikel zu dem Thema geschrieben. Share this:TwitterFacebookGefällt mir:Gefällt mirSei der Erste, dem […]
[…] die Krise dieses Mal durch den stramm rechts ausgelegten Bürgermeister von Tokyo, Ishihara, der im April 2012 vorschlug, das Tokyo die Inseln von ihren Privatbesitzern kaufen sollte. Der Preis wurde auf ein paar Millionen Euro festgelegt – ein recht niedriger Preis, der sich […]