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Dinge, die einfach nur nerven: Sinnlose Nahrung und obszöne Sprachkonstrukte

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I wanna... not see this anymore!

In letzter Zeit hängen in allen Zügen diese Poster mit Werbung für Umeshu (wer es nicht kennt: Pflaumenwein) ohne Alkohol. Werbeslogan: You wanna 酔わないウメッシュ (you wanna yowanai umesshu). “yowanai” ist die Verneinungsform von you, zu deutsch “betrinken”. Ergo: “You wanna not get drunk“. Wow! Welcher Pinsel hat sich denn dieses schwachsinnige Sprachkonstrukt ausgedacht? Wortwörtlich ist zwar nichts dran auszusetzen – “Du möchtest Dich nicht betrinken”, aber das liegt auch nur daran, dass sich das Konstrukt nicht perfekt übersetzen lässt. Sorry, aber englische und japanische Grammatik passen einfach nicht zusammen. Ein ganz lautes 違和感! (iwakan = Unbehagen) von mir. Auch wenn man versteht, was die Herren und Damen Marketingexperten da sagen wollen.
Und los geht’s. Natürlich macht sich die durch und durch kommerzialisierte Bloggerszene in Japan ans Werk. Da wäre Herr Matsuoka, seinerseits Sprachdozent an einer Universität, der sich des Slogans annimmt in seiner “Die heutige Englischlektion”-Kolumne – und dem Wortungetüm auch noch Beifall zollt. Um Gottes Willen. Auf 2channel, dem Onlineforum, in dem jeder mal richtig die Sau rauslassen kann, zerreisst man sich natürlich die Münder, wie zum Beispiel hier oder hier. Immerhin bemerken da viele, dass der Spruch irgendwie nicht passt. Natürlich wird noch mehr darüber gemosert, was dem Kunden da angedreht werden soll: Umeshu ohne Alkohol. Ume = Pflaume, –shu = Alkohol. Alkoholloser Schnapps? Glückwunsch! Anderswo nennt man das Pflaumensprudel. Oder ume soda meinetwegen auf Japanisch.
Und hier kommt das Rezept für eine erfolgreiche Werbekampagne: Man nimmt ein paar junge, strahlende Frauen in den 20ern. Eine davon muss berühmt sein wegen irgendetwas (und ich meine keine Ferkelfilme). Den Frauen zieht man pastellfarbene Kleidchen an. Man stellt sie dann in eine durch und durch pastellfarbene Kulisse. Dann singen die Frauenzimmer ein stumpfsinniges Lied und garnieren das mit konvulsischen Zuckungen, neumodischer Tanz gedacht. Und fertig ist die Show! Und siehe da: Das Zeug verkauft sich wie blöde. Hätte man es als Pflaumenbrause verkauft, wäre wohl nichts draus geworden.
Wer sich das erfolgreiche Rezept anschauen will – bitte schön! Ich habe Euch gewarnt (da das Video bald wieder verschwunden sein könnte, hier nur als Link).
Überhaupt nervt die Lebensmittelindustrie hier (bzw. die Konsumenten) in letzter Zeit über alle Massen mit OFF-Getränken. Es muss nunmehr alles off sein: Cocktails ohne Alkohol, Bier ohne Allolllol, Bier mit weniger Purine (so kein Chemiker ist Wikipedia Dein Freund), Sprudel ohne Kalorien, Gelee und sonstiges Essen ohne Kalorien. Ich will den Nutzen alkoholfreier Getränke und kalorienreduzierter Nahrung ja nicht in Frage stellen, aber wenn ich Joghurt für die Kinder kaufen will und es gibt KEINEN EINZIGEN normalen Joghurt, sondern nur kalorienreduziertes Magermilchzeugs mit ohne Zucker, frage ich mich, wo das noch hinführt. Ähnliche Gedanken hege ich, wenn ich Mütter sehe, die ihren Kindern nach dem Spielen Coca Cola Light zu trinken geben. Ja, wunderbar. Früh übt sich!
So. Dieser Eintrag wurde gesponsert von zwei Bier, mit allem drum und dran drin! Ausserdem werde ich mich mit diesem Artikel in die Goldene Woche verabschieden. Nein, es geht nicht weg. Aber Besuch aus Deutschland von zwei liebenswerten Whiskyräubern ist angesagt, und da wird nicht viel Zeit bleiben zum schreiben. In diesem Sinne wünsche ich allen in Japan weilenden eine schöne Goldene Woche!

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

10 Kommentare

    • Off-topic, aber was soll’s! Wenn das nicht unser “biker-Jack” ist!?!?! So findet man sich wieder.
      “on-topic” – kann doch keine Sau trinken, das alkoholfreie Zeug. Siehe “haposhu”, zwar nicht alkoholfrei, dafuer aber “geschmacksentfremdet”. Da kaufe ich mir lieber eine Flasche alkoholfreises Loewenbraeu, made in Japanesien.
      In diesem Sinne, eine schoene Goldene Woche – wir werden wohl mit dem neuen Waegelchen ein boetschken die Gegend unsicher machen *_*

  1. Nach einem packenden Bayern-Sieg mit allem drum und dran (d.h. mit mind. 2 Bier und zünftigem Streit mit dem Mitbewohner) leide ich mit dir, trotz allem als kalorienreduzierter Magermilch-Konsumierer und Pepsi-Light-Trinker. Frohe freie Tage und möge dein Whiskey besser sein als der im Jack-Cola.
    LG

  2. Ich hatte letzten Herbst die Gelegenheit mal so ein 0/00 Bier zu probieren… furchtbar ist nur der Vorname. Was mir aber aufgefallen ist, die Japaner sind seit meinem letzten grossen Trip im 2004 merklich dicker geworden. Ich möchte es nun nicht gerade mit Europa und schon gar nicht mit der USA vergleichen, aber es hat mehr. Vielleicht ist ja gar nicht Mäcodonaldu schuld daran sondern die vielen light Produkte (die erwiesenen massen den Appetit anregen). Gut für mich, da es dadurch nun auch mehr XXL Läden gibt und ich sogar meine Grösse finden kann :-) PS: Alkohol ohne Alkohol kennen wir hier auch: Rum-Punsch ist praktisch nur noch ohne Rum erhältlich.

  3. Herrrrrlich! Die Anglisierung der japanischen Sprache. Hätte nicht gedacht, dass soetwas mit derart verschiedenen Sprachsystemen (keine Ahnung, ob das der fachlich richtige Ausdruck ist) funktioniert.
    Bin gestern an einer Werbetafel vorbeigefahren: Miet Me! Himmel – also entweder oder aber nicht beides!
    Ansonsten wünsch ich viel Spass bei der Verkostung und immer schön an die Folgen denken ;-)

  4. Ein herzliches Dankeschön für diese Einsicht in den japanischen Alltag und Kompliment für die immer wieder interessanten Texte. Meine große Tochter (Deutsch-Japanerin) und ich lesen hier immer wieder gerne.
    Davon abgesehen möchte ich mein Mitleid ausdrücken. Mitleid im Sinne von mit-leiden, denn hier in Deutschland sieht es nicht viel anders aus. Es sei denn, man kauft beim Bauern, in der Hausbrauerei oder im Biomarkt ein (muss man sich in einer mittelgroßen Stadt erstmal leisten können). Alkoholfreies Bier empfinde ich noch als das kleinere Übel, solange das Original erhältlich ist – Eiweißbrot (mit Soja-Eiweiß angereichert, Fluor und Jod wird ohnehin überall zugesetzt), Fruchtmolke (Wasser, Fruchtsaft, Früchtetee und etwa 10 % Molke) sowie Magermilch (wahlweise 0,3 oder 0,5 % Fett) sind wirklich grausam.
    Es ist unanständig, was manchmal mit richtig gutem Essen gemacht wird, damit es sich besser verkauft. Und ja – Möchtegernenglisch zieht immer. Hier auch.
    Ich wünsche eine schöne Goldene Woche und genieße ein Päckchen gesalzene Erdnüsse – mit Fett und Kalorien und garantiert nicht frei von Salz.

  5. Haha, Ferkelfilme … herzlich gelacht, danke.
    Das mit dem alkoholfreien Getränken scheint sich inzwischen ja zu einer echten Krankheit auszuwachsen.
    Naja, egal ich geh jetzt gleich erst mal mit einem Kumpel in ein neues Restaurant. Wohl irgendwas aus Europa und er will wissen, ob 本物 oder 偽物. Ich werd mich überraschen lassen.

  6. Hm, also ich seh das so:
    酔わないウメッシュ = umeshu that won’t make you drunk (auch wenn das meines Empfindens nach auch nicht ganz richtig ist, aber wann ist Werbung das schon?)
    Demnach wäre “You want 酔わないウメッシュ” gar nicht soooooooooo verkehrt, aber “you wanna” (= you want to) geht einfach gar nicht. Darüber hat sich wohl bloß keiner Gedanken gemacht, oder wenn, dann hat derjenige nur gedacht, wanna klingt nun mal viel cooler, das ist nicht bloß Textbuch-Englisch, hey, schaut her, ich kann richtig cooles Englisch!
    Für denjenigen hab ich dann ne neue Vokabel: FAIL
    Light-Produkte sind sowieso der größte Murcks. Gut, ich komme nicht in Versuchung, weil mein Magen eh keinen Süßstoff mag, aber das Zeug verursacht doch Heißhunger? Wenn ich MAL ne Cola trinke, dann eine richtige – und Kinder sollten weder das eine noch das andere regelmäßig bekommen.

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