Es ist Goldene Woche – für Werktätige das Pendant zu Ostern quasi, nur ohne Hasen und Eier. Dieses Jahr liegen die drei Feiertage mal wieder ungünstig: Wer eine Woche frei nehmen möchte, muss 3 Tage Urlaub nehmen, in günstigeren Jahren reichen zwei Brückentage, um rund 10 Tage frei nehmen zu können. Dieses Jahr machen wir nun etwas, was wir in der Goldenen Woche schon lange nicht gemacht haben: Wir bleiben zu Hause. Da wir ja erst jüngst in die Gegend gezogen sind, gibt es ohnehin viel zu entdecken. Heute ging es in einen großen Park nur zwei Kilometer entfernt von zu Hause. Und dort gibt es, trara! Natur. Das habe ich in meiner alten Gegend wirklich vermisst. Zum Park zählt auch ein langgestrecktes Stück Bambuswald, und die haben es mir seit meinem ersten Besuch im Fernen Osten angetan: Die glatten, grünen Bambusstangen werden bis zu 10 Meter hoch und bewegen sich sanft im Wind. Der Bambus steht an manchen Stellen so dicht, dass nur wenig Tageslicht zum Waldboden durchdringt. Die Faszination an Bambuswäldern geht wahrscheinlich davon aus, dass Bambus keine Äste bildet: Die Pflanzen bestehen aus einem langen Stamm, und nur ganz oben spriessen die Blätter.
Frühling ist Bambuserntezeit, und das wird in unserer Gegend offensichtlich: Jeder bietet 竹の子 Take-no-ko (wörtlich: Bambuskinder) an. Die kegelförmigen Gebilde sind bis zu 20 cm gross und die Grundfläche bis zu 10 cm breit. Geschält und gekocht, lässt sich aus dem jungen Bambus so einiges herstellen. Rund 400 Yen zahlt man für ein größeres “Bambuskind”, dabei muss man eigentlich nur in einen Bambuswald gehen – und nicht lange suchen. Leider wissen das die Einheimischen zu schätzen, und so standen natürlich tausende “Pflücken verboten”-Schilder im Wald. Da Bambus sehr schnell spriesst, gehe ich mal davon aus, dass das Pflücken nicht aus Naturschutzgründen, sondern zum Schutz der eigenen Ernte verboten ist. Ach ja: Wer einmal in die Gelegenheit kommt, im Frühjahr einen Bambuswald zu betreten: Einfach mal ein “Bambuskind” streicheln: Es gibt nichts angenehmeres – die äußeren Blätter mit ihren feinen, braunen Härchen fassen sich wie Samt an.
Ein paar Pfade im Park (der Vollständigkeit halber: es handelt sich um den 王禅寺公園 Ōzenji-Park) waren sogar ganz abgesperrt: Dort sind wohl vermehrt マムシ Mamushi aufgetreten. “-mushi” ist eigentlich ein Insekt, aber bei Mamushi handelt es sich um eine Schlange aus der Familie der Vipern. Die Mamushi sind giftig und bedanken sich bei aufdringlichen Störenfrieden mit im Schnitt einer Woche Intensivstation – laut Wikipedia werden wohl 2 bis 3’000 Menschen im Jahr von dieser Schlange gebissen. Nun ja, wo Natur ist, ist auch Gefahr.
In Tsurukawa habe ich mich auch mal plötzlich in einem Bambuswald wiedergefunden. Es herrschte dort in der Tat eine magische Stimmung. Mir hat besonders die Klangkulisse gefallen: Sanft schaukelten sich die Bambusse im Wind und drückten sich so an einige ihrer umgefallenen Kameraden – was in einem beruhigenden, doch fast unheimlichen Knarren resultierte. Untermalt von den anderen Geräuschen der Natur.
Auch die Lichtstimmung fand ich sehr speziell.
Liebe Grüsse