Auch nach Jahrzehnten kann ich noch immer nicht ganz das Konzept des Vollfressens und Volllaufens nachvollziehen: “All you can eat” and “all you can drink” sind feste Bestandteile der japanischen Ausgehkultur und laufen immer auf das gleiche hinaus: 暴飲暴食 bōin bōshoku – zügelloses Trinken und Fressen. In der Studentenzeit mag das ganz schön sein – für schmales Geld kann man sich so zum Beispiel innerhalb der gesetzten Zeit (meistens zwei Stunden) druckbetanken. Fast alle japanischen Kneipen und viele Restaurants bieten das an, und das führt nicht selten zu Zuständen, wie ich sie zuletzt bei meiner Zeit in der Bundeswehr gesehen habe. Nur noch eine Stunde bis zum Zapfenstreich – jetzt aber ran!
Damit auch nachfolgende Generationen diesem Prinzip nicht entwöhnt werden, haben gewiefte, aber vielleicht einfach auch nur faule Farmer das ~狩り (gari)-System eingeführt. “Gari” bedeutet “Jagd”, was im Zusammenhang mit “Erdbeeren” etwas übertrieben scheint, weshalb Wörterbuchautoren beschlossen haben, das Wort auch mit “Sammeln” zu übersetzen. Das Schriftzeichen setzt sich aus 犭 für “Tier” und 守 zusammen – letzteres bedeutet ursprünglich “umkreisen” (heute im Japanischen eher “beschützen”). Ganz klar: Das Schriftzeichen bedeutet eigentlich “jagen”. -gari wird dabei nun mit diversen Obstarten verbunden: いちご狩り ichigo-gari zum Beispiel ist die “Jagd auf Erdbeeren”, und “ぶどう狩り” budō-gari, ganz aktuell, die Jagd auf Weintrauben. Die Idee ist einfach: Man bezahlt einen gewissen Obulus, bekommt dann ein paar Regeln erklärt, und darf sich dann eine Stunde lang (meistens jedenfalls) im Obstgarten kugelrund fressen. Schliesslich schmecken frisch erlegte Erdbeeren, Pfirsiche und Co. noch am besten! Bei Weintrauben beginnt der Spass in der Regel bei rund 10 Euro, bei Erdbeeren wird es etwas teurer.
Eine weitere Spielart ist das Sammeln, um das Erlegte hernach mit nach Hause zu nehmen – im Rahmen eines zur Verfügung gestellten Gefässes natürlich. Hier ist allerdings Vorsicht geboten, denn wenn der Preis nach Gewicht berechnet wird, kann es schnell ziemlich teuer werden, denn gutes Obst (und Gemüse) hat seinen Preis in Japan.
Für Kinder ist das natürlich ein großer Spass, aber der Gedanke, für’s Obstpflücken einen guten Batzen Geld zu bezahlen, bleibt mir noch immer fremd. Früher wuchs so was mal an Alleen, und vor allem hat man sich nur das genommen, was man wirklich braucht. Und so sehr ich auch Erdbeeren, Weintrauben und dergleichen liebe – sich eine ganze Stunde lang daran zu laben erscheint mir etwas zu viel des Guten. Die ganzen Weinhänge vor allem in der Präfektur Yamanashi sind jedoch definitiv einen Abstecher wert. Wein wird dort übrigens auch gekeltert, aber einen richtig guten Tropfen aus Yamanashi bin ich bisher noch nicht begegnet (ich lasse mich gern eines besseren belehren).
“Jagdsaison” in Japan
Jan | Feb | Mär | Apr | Mai | Jun | Jul | Aug | Sep | Okt | Nov | Dez | |
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いちご ichigo Erdbeeren |
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さくらんぼ Sakurambo Kirschen |
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桃 Momo Pfirsiche |
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ブルーベリー burūberii Blaubeeren |
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ぶどう budō Weintrauben |
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梨 nashi Nashi-Birnen |
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りんご ringo Äpfel |
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みかん Mikan Satsuma (wie Mandarinen) |
Hallo,
die Tütchen hätte ich dieses Jahr auch brauchen können, meine Trauben sind Wetterbedingt am Stock verfault :-(. Naja dafür gibts lecker Pfirsich. Das mit dem für Geld sammeln gibts bei uns ja auch, hab ich allerdings noch nie gemacht, und eine Stunde Vollfressen …. als Kind beim Kirschenklauen aber sonst eher nicht.
Die all you can eat Restaurants sind mir scheints entgangen, sonst hätte ich das wohl öfters gemacht… und vermutlich für Regeländerungen gesorgt :-)
Die Weinernte sieht dieses Mal auch in Japan nicht gut aus…viel zu viel Regen. Pfirsich geht natürlich immer.
Man kann ja auch Schnäppchen jagen, warum dann nicht auch Obst? :-)
Richtig. Ich mag den Begriff ja auch – klingt viel besser als einfach nur “sammeln”.
Voll zustimm, besonders hinsichtlich des Weines!
Ist schon ein Trauerspiel, was da so fabriziert (gepanscht??) wird.
Aber Japaner haben von Wein halt weniger Ahnung, dafuer ist der Sake vom Feinsten!
vielleicht sollten die Japaner es mit dem Wein mal so machen wie mit dem Bier: deutsche Kellermeister anheuern :-)
Für Erdbeeren ist das doch nicht anders als in Deutschland, oder? Wenn wir auf den Feldern Erdbeeren für Marmelade gepflückt haben, dann haben wir uns dabei auch immer die Bäuche vollgeschlagen. Was auf dem Feld gegessen wird, musste nicht bezahlt werden, und als guter Schwabe muss man das natürlich intensiv nutzen. Das ist heute noch genau so wie vor dreißig Jahren.