Alle 4 Jahre ist es soweit: Bunte Lautsprecherwagen ziehen durch die Strassen und machen einen Heidenlärm, dem aber kaum jemand Beachtung schenkt. Es ist Wahlkampfzeit – gesucht wird der/die neue Gouverneur(irgendwo hier Asterisk und -in usw. einfügen)in von Tokyo – gewählt wird am 4. Juli. Und bis dahin kann man dem Krach nicht entkommen.
Zur Wahl stehen 23 Kandidaten, darunter die amtierende Gouverneurin, Yuriko Koike, sowie zwei weitere Frauen, was für japanische Verhältnisse bereits eine bemerkenswerte Frauenquote ist. Das Alter reicht von 33 bis 73 Jahren, liegt im Schnitt jedoch bei unter 50 Jahren, und das ist schon mal beachtlich. Der Trend zum jüngeren Gouverneur, von Osaka gesetzt, scheint auch Tokyo erreicht zu haben – allerdings ist die Amtsinhaberin schon 67 Jahre alt, und ihre Chancen auf eine zweite Amtszeit stehen nicht unbedingt schlecht.
Die meisten Kandidaten gehören keiner Partei an, sind aber natürlich in den meisten Fällen auf irgendeine Art und Weise mit einer Partei verbunden. Der Hintergrund der KandidatInnen ist bunt: Von Schriftstellern über Bauunternehmern, ehemaligen Verteidigungsministern bis zum Apothekenbetreiber ist alles dabei. Eine besonders schillernde Erscheinung ist der Kandidat Tachibana, Vorsitzender der am 25. Mai 2020 gegründeten ホリエモン新党 – der “neuen Horiemon-Partei”. Horiemon ist der Spitzname des 1972 geborenen Takafumi Horie, einem illustren Vertreter der New Economy, der rund um die Jahrtausendwende mit dem Unternehmen Livedoor hoch hinaufstieg – und im Jahr 2006 tief fiel, als er wegen Insidergeschäfte festgenommen und letztendlich zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde. Seitdem ist er als Berater, Schriftsteller, YouTuber usw. – quasi als “Volksinfluencer”, unterwegs. Tachibana, der Parteichef, ist auch kein unbeschriebenes Blatt, denn er ist zugleich Chef der N国 genannten Partei mit dem furchtbar langen, offiziellen Namen “Partei zum Schutze des Volkes vor der NHK”. NHK ist die öffentlich-rechtliche Medienanstalt Japans, für die, genau wie in Deutschland, jeder Gebühren zahlen muss. Die Partei könnte man also oberflächlich als “Partei der GEZ-Verweigerer” bezeichnen, aber das wäre zu einfach, denn die NHK ist in der Tat extrem linientreu und nicht viel mehr als das Sprachrohr der Regierung (dieser Trend hat sich unter Abe verstärkt) und der Protest dagegen, dafür Gebühren zahlen zu müssen, nicht ganz unberechtigt.
Was fordert die Horiemon-Partei in Zeiten der Corona-Krise? Der Slogan lautet, die “Selbstbeschränkungen durch Corona zu eliminieren”. Die konkreten Vorschläge sind dabei ein kruder Mix teils seltsamer, teils radikaler, aber teils auch nachdenklich stimmender Vorschläge:
- Staus eliminieren
- Mautschranken entfernen
- Preise für überfüllte Züge erhöhen
- Fahrkarten und Ticketschranken eliminieren
- Bargeld verbieten
- Wiederaufbau der Burg von Edo
- Das Stadtviertel Adachi-ku in ein japanisches Brooklyn umgestalten
- Olympische Wettkämpfe an ausserhalb liegenden Wettkampstätten stattfinden lassen
- Online-Unterricht fördern
- Marihuana legalisieren
- Diversity in Tokyo fördern
- Bildung, die nicht nach dem “richtig / falsch” -Schema funktioniert
Und so weiter. Der Katalog umfasst 37 Punkte, und ist für japanische Verhältnisse geradezu revolutionär – siehe 10) und 12). Wird er damit Erfolg haben? Unwahrscheinlich.
Andere Politiker nutzen Corona ebenso, um diverse Sachen zu versprechen – so zum Beispiel die völlige Abschaffung der Kommunalsteuer in Tokyo, oder eine nochmalige Bargeldauszahlung von rund 800 Euro pro Person. Wie das jedoch finanziert werden soll, ist natürlich ein Rätsel…
Der Wahlkrampf in Tokyo ist doch immer eine herrliche Seifen Oper. Wie hoch stehen denn eigentlich die Chance für Sakurai?
ね、小池さん
Sakurai? Minus 5%, hoffe ich.
Und was ist mit diesem Typen der da mit Unterhose und angemaltem braunen Streifen auf besagter Unterhose da im Fernsehen zu begutachten ist? Oder diesem Typen im Anime Outfit? Der Anti-NHK Kerl wirkt dagegen ja schon fast langweilig.
Woher kommen diese ganzen schrägen Typen eigentlich?
Jaja, tief gefallen und doch wieder oben auf, siehe T. Horie. Und im Endeffekt macht es eh keinen UNterschied wer von wem gewaehlt wird, kommt ja dochh alles auf dasselbe hinaus. Es waere ein Wunder, wenn es mal wirklich “DIE” Alternative gaebe! Ich denke, dass die jetzige Amtsinhaberin auch weiterhin (mehr oder weniger) verantwortlich fuer die Geschicke Tokyo’s sein wird.
Bin ich nur zu müde oder versteht noch jemand nicht, wie die Punkte 3 und 4 gleichzeitig funktionieren sollen?
Du weisst doch – über Details redet man erst nach der Wahl. Vielleicht will er auch auf völlig automatisierte und berührungslose Bezahlsysteme hinaus :(