Heute nachmittag ging es nach Shibuya zu einem Geschäftstreffen. Beziehungsweise zur Übergabe eines dicken Schecks an eine Hilfsorganisation, die Waisenhäuser unter anderem im Katastrophengebiet betreibt. Ich war nicht allein – der Scheck war Ergebnis der Zusammenarbeit einiger grosser Lehrbuchverlage. Die stehen normalerweise ordentlich in Konkurrenz miteinander, aber zu diesem Zweck haben sich alle schön zusammengerauft. Aber ich schweife ab. Ein Treffen (es gab zwei) fand im nigelnagelneuen Hikarie statt – ein interessantes Gebäude direkt am Bahnhof von Shibuya, das erst am 1. Juni eröffnet wurde und Kunst und Kommerz beherbergen soll. Wie es sich für Japan gehört, ist alles mehr oder weniger geschmackvoll eingerichtet, und von den elendig langsamen Aufzügen mal abgesehen ist das Gebäude sehr modern und gut durchdacht.
Im 8. Stockwerk beherbergt das Hikarie die Creative Lounge Mov – jenes ist laut eigener Angabe “a member system office/lounge designed to encourage those chance encounters between diverse minds” blabla. Mit anderen Worten: Man kann dort Geschäftstreffen veranstalten, so man kein eigenes Büro hat oder letzteres schlichtweg nicht vorzeigbar ist. Soll vorkommen – vor allem in Japan.
Ein Blick auf die Broschüre liess mich dann jedoch zusammenzucken: Offensichtlich gibt es dort auch Kämmerchen, die man monatsweise mieten kann – als Hotelersatz sozusagen. Das mittelgrosse Zimmer ist dabei stolze 3,83 m² (man beachte die zweite Stelle hinterm Komma!) gross – und kostet 115,500 Yen, also momentan rund 1,150 Euro. 1,150 Euro! Für weniger als 4 Quadratmeter! Na dann aber nichts wie hin!
Überlegt man sich das mal genauer, mag das für einige Leute jedoch in der Tat sinnvoll sein: Auf einen Monat gerechnet ist das wesentlich billiger als die meisten Hotels in der Umgebung, und zentraler kann man auch nicht nächtigen. Dazu kann man am gleichen Ort auch noch Geschäftspartner treffen.
Die Preise für die Besprechungszimmer sind dabei eigentlich noch beachtlicher: Für einen Raum, in den 12 Leute passen, bezahlt man 84 Euro – pro Stunde, wohlgemerkt! Das hat eventuell positive Effekte zur Folge: Man überlegt sich so schon eher, ob das nächste Meeting wirklich so wichtig ist und das gute Meetings nach einer Stunde beendet sein sollten – mit Ergebnissen.
Ich glaube du hast den Begriff “Residence” mißverstanden. Es handelt sich da offensichtlich um kleine MietBÜROS und nicht um Zimmer um zu übernachten…
Also das Bild vom 10er Zimmer ist ja ok… aber das vom 8er. Meine Güte. Das ist ENG. Und da soll man noch vernünftig arbeiten können? Da kann man ja nicht einmal den Stuhl ein wenig nach hinten schieben. Und ein Fenster hats auch nicht. Eh ja.
BigAl: Ist das nicht in manchen japanischen Kreisen das Gleiche?
Ja, aber der Aufmachung nach ist das tatsächlich keine Rammelhalle.
In der Tat – das sind Schreibtische, keine Betten. Irgendwo anders stand etwas von Übernachten, aber das muss dann wohl was anderes sein.
Das ändert jedoch nichts am bemerkenswert hohen Preis. Im Gegenteil – in Roppongi bekommt man für einen Bruchteil des Geldes ein Minibüro nebst Sekretariatsservice, und Roppongi ist heutzutage auch keine schlechte Geschäftsadresse mehr. Zumindest tagsüber.
Zitat: “– mit Ergebnissen.”
Das war ein Volltreffer :-) Da kann ich Lieder dazu singen…