Der Nahe Osten ist zwar weit entfernt vom Fernen Osten, und Menschen aus jener Region sind in Japan ohnehin selten anzutreffen, doch der Krieg im Gaza-Streifen bewegt durchaus auch in Japan die Gemüter. Es gab deshalb bereits auch etliche Demos, in denen man die Empörung über den Einmarsch der israelischen Armee im Gaza-Streifen zum Ausdruck bringt – mit ganz und gar validen Forderungen wie die nach einem sofortigen Waffenstillstand.
Doch die Protestformen nehmen teilweise groteske Züge an. So gab es in Tokyo unter anderem eine Veranstaltung mit dem Namen “Rave for Palestine” auf Youtube existiert ein langes Video davon1. “Rave for Palestine”? Wirklich? War es nicht ein Rave-Festival, bei dem Hamas-Kämpfer plötzlich am 6. Oktober vergangenen Jahres einfielen und hunderte Teilnehmer massakrierten oder verschleppten? Und so viel steht doch fest: Die Hamas musste doch wissen, wie Israel auf den Vorfall reagiert. Die israelische Armee ist auch schon vorher – bei wesentlich kleineren Anlässen – in den Gaza-Streifen eingedrungen oder hat selbigen ohne Rücksicht auf Verluste bombardiert.
Eine gute japanische Bekannte, sehr aktiv bei vielen Dingen, ist ebenfalls bei einigen dieser Demonstrationen dabei — und postete neulich ein Foto, bei dem ich meinen Augen nicht traute: Eine Frau, eingehüllt in einer Palästina-Flagge mit Regenbogenfarben. Super. Zumal ja die Hamas ja auch ganz im Sinne der queeren Gemeinschaft kämpft. Die Frau würde mit dieser Flagge in keiner Straße in Khan Yunis oder Rafah länger als eine Minute überleben. Diese Schwarzweißmalerei — Israel böse, Palästina gut ist verstörend da sie schlichtweg nur pures Unwissen offenbart, was bei Kriegen wie dem in Gaza zu gefährlichen Annahmen führen kann.
Das soll nicht falsch verstanden werden. Gaza bzw. Palästina ist nicht mit der Hamas gleichzusetzen. Die meisten Palästinenser — und ich habe auf meiner Reise vor nunmehr schon 24 Jahren, just als die 2. Intifada begann — mit vielen geredet (in Gaza, in Westbank und Jordanien) — wollen Frieden und ein Ort, an dem sie leben und arbeiten können. Das ist nicht zu viel gefragt. Dass sich Israel vehement gegen die Hamas wehhrt — schließlich schiesst diese ja seit Jahrzehnten auch noch wahllose Raketen gen Israel — ist auch verständlich, doch was dort im Gaza-Streifen passiert geht viel zu weit. In dem Sinne sind die Demonstrationen mehr als verständlich. Doch Protestformen wie ein “Rave for Palestine” oder die Verbindung mit der queeren Sache ist schon so zynisch dass es weh tut — auch wenn es den Organisatoren offensichtlich nicht bewusst ist.
Noch ist aber nicht ganz klar, wohin die Reise geht: Gestern fand zum Beispiel eine Demo mit dem Motto “We want our future” in Shibuya statt – mit geschätzten 1500 Teilnehmern2. Zwar waren auch da ein paar Palästinaflaggen zu sehen, doch im Wesentlichen war es “einfach” eine Friedensdemo, bei der die Teilnehmer ihre Sorge vor den nicht enden wollenden Konflikten zum Ausbruch brachten. Und das ist durchaus eine gute Sache.
Auch der Palaestina-Konflikt hat viele Vaeter… Die Sage von den bewusst massakrierten Palaestinensern glaube ich genauso wenig wie die Behauptung, dass der Terror vom 7.Oktober voellig ueberraschend erfolgte. Wer mit der Grenzsicherung Israels einigermassen vertraut ist, weiss, dass nicht einmal eine Kakerlake unbemerkt ueber die Grenze kommt… An einem totalen Krieg interessierte Kreise gibt es auf beiden Seiten, und die konnten sich leider durchsetzen…
Auch der Ukraine-Krieg ist etwas komplizierter, als ihn auf Gut (der korrupte Selenski) und Boese (der Aggressor Putin) zu reduzieren. Im japanischen TV habe ich bislang nur eine (!) geschichtliche Betrachtung gesehen, die den Stalin’schen Holodomor der 30er und die antirussische Unterdrueckung durch die ukrainische Regierung seit 2014 erwaehnt hat…
Erschreckend hingegen ist die Naivitaet, mit der die Demonstranten auf beiden Seiten in Tokyo agieren.