In einer losen Folge möchte ich an dieser Stelle einmal Personen vorstellen, um die man in Japan einfach nicht drumherum kommt. Weil sie allgegenwärtig sind, etwas Besonderes geleistet haben und/oder meinungsbildend sind.
Heute geht es um マツコ・デラックス Matsuko Deluxe, einem Schriftsteller und Fernsehunterhalter, der seit vielen Jahren als seine eigene Kunstfigur durch die Landschaft tobt. Der 44-jährige Mann taucht nur in weiten Frauenkleidern auf und hat eigenen Angaben zufolge die perfekten Körpermasse: 180/180/180. Begonnen hat Matsuko Deluxe, Baujahr 1972, seine Karriere als Schriftsteller, mit Beiträgen für ein Schwulenmagazin.
An Matsuko muss man sich erstmal gewöhnen. Seine Stimme, seine Erscheinung, seine Körperfülle, sein Lachen, dass durch Mark und Bein dringt. Matsuko sprengt – vollkommen bewusst – alle Geschlechtergrenzen. Er ist nicht Mann, er ist nicht Frau – er ist Matsuko (ein Frauenname). Das ist in Japan, wo gleichgeschlechtliche Liebe zwar bekannt und nicht verboten ist, wohl aber totgeschwiegen wird, eine besondere Leistung, auch wenn Matsuko bei weitem nicht der Erste ist (andere bekannte Personen aus dem Genre sind Haruna und Ikko, um nur zwei zu nennen). Das “der” ist dabei gewußt gewählt – er bevorzugt die Anrede mit männlichen Personalpronomen.
Bemerkenswert ist seine Allgegenwar im japanischen Fernsehen. Lediglich am Sonntag hat Matsuko sendefrei, an den anderen Tagen hat er eins, an manchen Tagen auch zwei Programme, die alle am Abend oder in der Nacht laufen. Dafür braucht man sehr, sehr viel Energie, zumal er in allen Programmen mehr oder weniger die Hauptrolle spielt.
Matsuko kann man mögen oder nicht. Manchmal kann ich ihn mir antun, aber jeden Tag wäre zu viel. Persönlich ganz interessant finde ich 夜の巷を徘徊する yoru no chimata o haikai suru (“durch die nächtlichen Gassen ziehen”) – läuft jeden Freitag in der Nacht auf TV Asahi und zeigt Matsuko, wie er mit dem Kamerateam (das auch in die Sendung einbezogen wird) durch diverse Gassen streift und wahllos in Geschäfte reinspaziert. Das kann er gut – er ist äußerst direkt, nicht selten unverschämt, aber meistens auf seine Art erfrischend. Er scheut sich auch nicht vor Konflikten – bleibt aber in seinen Ansichten meistens recht neutral. In Berlin jedenfalls würde man ihn einfach “ein Orijinal” nennen.
Matsuko Deluxe ist dabei gleichzeitig der lebende Beweis, dass es vollkommen okay ist in Japan, schwul zu sein: Solange man nur schrecklich schrill und extravagant ist.
Hier zur bildlichen Veranschaulichung drei ziemlich amüsante Werbespots mit Matsuko Deluxe:
Die japanische Ellen, quasi :D
Da es sich leichter schreibt, wenn man neben reinen Klickzahlen auch etwas Feedback bekommt, möchte ich mich mal gleich am Beginn dieser Reihe zu Wort melden.
Als Japanischlerner habe ich auch relativ bald den Reiz der TV-Trivialunterhaltung (Variety, Gameshows sowie Werbespots mit B-Promis der Tarento-Klasse) entdeckt: Einfache Sprache (“Oishii”, “Umai”, “Yabai” soviel sehr viel “Eeeeeeeeeeeee?”), im Gegensatz zu Drama/Anime natürliche Dialoge und falls man etwas nicht versteht, ist das auch nicht kriegsendscheidend, weil in spätestens fünf Minuten das Thema gewechselt wird und man keinen Plot nachvollziehen können muss.
Anfangs war es aber teilweise zäh, weil die meisten Gäste völlig unbekannt waren und überhaupt erst Name und Hintergrund (Schauspieler? Musiker? Komiker?) herausgefunden werden wollten.
Neben Matsuko, die/der in der Tat sehr präsent ist und zurecht an erster Stelle steht, hier ein paar andere Anregungen:
-Okamura Takahashi (oder gleich sein Duo Ninety-Nine), weil auch für Nicht-Japaner gut verständliche Comedy
-Becky, weil ihr Skandal gut japanische Vorstellungen von einem “sauberen” Promi-Image illustriert
-Ryuchel (& ggf. Peco), weil knuffig und zumindest bei meinem letzten Urlaub noch recht aktuell
-Egashira 2:50, weil für Nicht-Japaner schwer verständliche Comedy (und ich Wochen gebraucht habe, herauszufinden, wer der Irre in den schwarzen Leggins ist, der sowohl in einer 20 Jahre alten Mechaike-Aufzeichnung als auch in einer aktuellen Fernsehshow durchs Bild randaliert)
Ja, auf jeden Fall zum Lernen gut geeignet, zumal ja oft mit Untertiteln gearbeitet wird! Und da ist auch für jeden Fall etwas dabei (oder auch nicht – an Ryuchel kann ich mich einfach nicht gewöhnen).
Bin persönlich ja ziemlicher Fan von Downtown, die ich mir, so möglich, am Sonntag abend nicht entgehen lasse.
Wenn du hier schon eine Liste erstellst, darf Pakkun natuerlich nicht fehlen …
(Wenn ich als militanter Fernsehverweigerer den schon kenne, muss er einfach beruehmt sein :))