Blog"Overtourism" -- die Regierung will Maßnahmen ergreifen, nur welche?

„Overtourism“ — die Regierung will Maßnahmen ergreifen, nur welche?

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Seit geraumer Zeit macht das Wort オーバーōbaaツーリズムtsūrizumu (overtourism) die Runde — allein im Juli dieses Jahres reisten 2,3 Millionen Touristen nach Japan, und seit August genehmigt die chinesische Regierung wieder Gruppenreisen nach Japan. Die Zahlen im Juli entsprechen in etwa 70% dessen, was 2019, also im Jahr vor Corona, geschah. Mit den Touristenscharen häufen sich die Probleme – an manchen Orten sind die Verkehrsmittel so voll, dass Einheimische sie kaum noch benutzen können. Es gibt viele Beschwerden über das unbefugte Betreten von Grundstücken durch Touristen, die Fotos machen wollen. Manche Straßen sind hoffnungslos verstopft. Die Wirkung wird dabei sicherlich auch noch dadurch verstärkt, dass während der Corona-Zeit keinerlei Touristen ins Land kamen. Zwar war vor vier Jahren noch mehr los an den Sehenswürdigkeiten, doch nach ein paar Jahren gänzlicher Ruhe fällt es sicher schwer, sich an die Menschenmassen zu gewöhnen.

Am Mittwoch nun trafen sich Vertreter des Verkehrs-, des Tourismus- und des Wirtschaftsministerium an einem runden Tisch, um etwaige Maßnahmen zu beraten. Bei der Beratung blieb es allerdings — wirklich konkrete Vorschläge gibt es nicht, nur den, im Herbst irgend etwas machen zu wollen. Und das wird nicht einfach. Venedig zum Beispiel hat aus ähnlichen Gründen nun eine Steuer für Tagesbesucher eingeführt, doch wie will man das zum Beispiel in Kyoto, wo die Sehenswürdigkeiten weit verstreut liegen, einrichten, und wer soll das alles kontrollieren? Zumal sich dann auch die Frage stellt, wen so eine Steuer abschrecken soll. Wer extra nach Japan fliegt, wird sich wohl kaum davon abschrecken lassen.

Den Anstieg der Touristen spüre ich persönlich auch sehr deutlich, da ich jeden Tag vom Bahnhof in Shibuya zu meinem Büro in Hiroo laufe. Nähert man sich dem Bahnhof Shibuya auf rund 300 Meter, werden es spürbar mehr Menschen, und die meisten davon sind Touristen. Während man in der Filiale „Tokyo Aburasoba“ in Hiroo ohne längeres Warten zu fast jeder Tageszeit sofort einen Platz bekommt, stehen sich die Besucher vor der Filiale in Shibuya die Beine in den Bauch.

Ein paar Ideen wurden bei der Sitzung jedoch erörtert – zum Beispiel die, an den meistfrequentierten Orten die Menschenströme zu messen. Das ist sinnvoll — so kann man den Besuchern im Voraus bescheid geben, wie lange es dauern wird, und das sorgt meistens automatisch dafür, dass sich die Massen besser über den Tag verteilen. Außerdem will man mehr Schilder aufstellen, auf denen den Besuchern Manieren beigebracht werden sollen. Passend dazu gab es neulich einen schönen Beitrag in einer japanischen Nachrichtensendung über einen winzigen Park, in dem sage und schreibe mehr als 30 verschiedene Verbotsschilder aufgestellt waren. Kurz gesagt war in jenem Park so ziemlich alles verboten – abends dort sitzen zum Beispiel, oder Ballspiele jeglicher Art, um nur ein paar zu nennen.

In dem Sinne darf man gespannt sein, was man sich alles einfallen lassen wird. Vielleicht werden ja bald so viele Verbots- und sonstige Schilder aufgestellt, dass die Zahl der Besucher ganz automatisch zurückgeht.

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tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Das Aufstellen von Verbotsschildern ist eigentlich unjapanisch. Waehrend in Deutschland auf Parkplaetzen und Gruenflaechen sofort „Spielen verboten!“-Schilder stehen, steht auf einem Parkplatz einer „Lions Mansion“ in meiner Nachbarschaft ein Schild mit der Aufschrift „Bitte nicht auf dem Parkplatz spielen“…

    Die Manieren mancher chinesischer Touristen, speziell auf Hokkaido, lassen allerdings deutsche Prolls auf Malle eher zivilisiert aussehen… Dass man da gerade in Japan nicht gerade begeistert ist, ist irgendwie nachvollziehbar…

  2. Nach diesem Bericht bin ich mal gespannt was uns dieses Jahr erwartet. Nach einer gemütlichen Momijireise 2022, mit vielen freien Plätzen in Bussen und Bahnen müssen wir uns wohl umstellen müssen.

  3. Vielleicht ist es ja auf dem Land anders, in Kyoto zumindest gibt es massig Verbotsschilder von privat, gefühlt an jedem 3. Haus hängt ein Zettelchen hier nicht Hundek, Katzenk. (!) , rauchen,pieseln, Fahrrad abstellen, etc. Vor jedem größeren Gebäude stehen massig Verkehrskegel mit Warnhinweisen. In der offiziellen Nichtraucherzone kleben noch an jeder Ecke extra Aufkleber. Auf den Mäuerchen zB neben Getränkeautomaten gibt es fast immer ein „Sitzen verboten“. Auf dem Parkplatz gibt es nicht ein Verbotsschild sondern 10 an allen 4 Ecken. In fast allen Conbinis „Hausmüll verboten“ und all diese Schilder waren auch in der „Sakoku“-Zeit durchgehend angebracht. Also ich denke das ist ganz typisch Japanisch, sobald einer den Müll im Supermarkt falsch reinwirft kommt sofort ein Schild. Und auch gefühlt ignorieren viele Japaner solche Verbotsschilder und füttern zB weiterhin die Katzen nachts im Park….

    • Kyoto ist m.E. ein Sonderfall – man findet dort auch Schilder wie „一見客お断り“ (Gelegenheitskundschaft unerwuenscht). Wo sonst? ;-)
      Hier (Vorort von Sapporo) tritt man weder in Hunde- noch in Katzensch…, und in fremde Gaerten pieselnde Mitbuerger sind mir hier auch noch nicht aufgefallen, weshalb es keiner Verbotsschilder bedarf… Dass all diese Schilder auch in der „Sakoku“-Zeit auf Parkplaetzen und vor Konbinis angebracht waren, erscheint eher unwahrscheinlich, obwohl ich offen zugeben muss, dass ich damals noch nicht in Japan war und mich da auf eigene Vermutungen und auf Hoerensagen verlassen muss… ;-)

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