Gerade in kleineren, von Familien geführten Restaurants ist es in Japan durchaus üblich, Tages- und andere Gerichte auf kleine Schilder und Zettelchen aufzuschreiben und an die Wand oder an den Tresen zu kleben. Für Besucher ohne Japanischkenntnisse ein Alptraum – zumal diese Zettel in der Regel handgeschrieben sind und je nach Handschrift nicht einfach per Handy eingelesen werden können. Ist man des Japanischen mächtig, kann das manchmal auch recht unterhaltsam sein, da je nach Humor der Angestellten manche Gerichte auch kommentiert werden.
Vorgestern stieß ich bei einem kleinen, sagen wir mal urigen (in Japan bedeutet das “wild zusammengeschustert”) Restaurant mitten in der Provinz in Chiba auf den folgenden Zettel:
Der Name des Gerichts ist einfach nur あれ — “das, das da”. “Are” ist ein Lokaladverb – im Prinzip kommt dieser Begriff immer im Viererpack, bezogen auf die Lage zum Sprecher und/oder dem Satztyp:
- kore (das hier, bestimmt, beim Sprecher)
- sore (das da, bestimmt, nicht beim Sprecher)
- dore (welches?)
- are (das da, unbestimmt, nicht beim Sprecher)
— in diesem bestimmten Fall kann man das “are” aber auch mit “du-weisst-schon” übersetzen. Versehen mit dem Kommentar, dass man nicht fragen soll, was “das da” eigentlich ist. Da “das da” aber nur 500 Yen, also nur rund 3,50 Euro kostete, siegte bei mir die Neugier. Während wir auf unser Essen warteten wurde gemutmasst. Wir sind in Chiba — mit etwas Pech könnte es sich bei “das da” zum Beispiel um pechschwarze, weil lange getrocknete und fermentierte, Fetzen von Walfleisch handeln. In Sachen Konsistenz und Geschmack erinnern diese an Ledergürtel, und zwar an solche, die schon ein paar Jahre benutzt wurden, weshalb man sie nur mit Mayonnaise essen kann. Sieht optisch interessant aus, ist aber ein zweifelhafter Genuss. Oder ist “das da” etwa ein besonderer Reisschnapps? Das wäre problematisch, da wir mit dem Auto unterwegs waren.
Letztendlich entpuppte sich das “das da” als ein paar größere, gebratene Stücke des “kama” vom Thunfisch — das ist der Kiemenbereich und durchaus eine Delikatesse. Bereut habe ich die Wahl nicht – geschmacklich lag das ganz weit vorne.
An der Fantasie der in den Restaurants hängenden Schildchen habe ich immer wieder meine Freude, denn da gibt es oft viel zu entdecken, was nicht in der Speisekarte steht. Wenn es überhaupt eine Speisekarte gibt.
wie schön, ein freies Land. Hier wäre so etwas bestimmt ein Verstoß gegen EU-Richtlinien oder Ähnliches……
Und dann noch der Hinweis “bitte nicht nachfragen”
So hat sich meine Frau beim Baecker in Deutschland durchgeschlagen. “Das da, bitte” waren praktisch ihre ersten Worte auf Deutsch, gefolgt von “Nein, das daneben” etc …
Aber so lernt man halt seine neue Umgebung kennen… ;-)
„Nein, das daneben“ ist gut. Muss ich mir merken wenn ich mal wieder wohin fahre, wo ich die Sprache nicht spreche.
Ich empfehle bei dieser Gelegenheit das “Urara” vor dem “Sapporo Dome” (5 Min zu Fuss von der U-Bahn-Endstation Fukuzumi”. Dort bin ich hin und wieder aus alter Freundschaft zum マスター, auch wenn’s von meinem jetzigen Wohnort aus etwas umstaendlich ist… Das Menue ist aehnlich phantasievoll wie oben im Beitrag geschildert und oberlecker. Als die “Nippon Ham Fighters” noch um die Meisterschaft spielen konnten, war dort immer rappelvolles Haus – heute ist es eine (sehr beliebte!) Nachbarschaftskneipe…
Klingt gut! Irgendwann schaffe ich es wieder mal nach Sapporo.