BlogOlympische Spiele nach Tokyo! Fukushima wird's Euch danken!

Olympische Spiele nach Tokyo! Fukushima wird's Euch danken!

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Am 7. September ist es soweit – dann wird das IOC auf seiner Sitzung in Buenos Aires über den Austragungsort der Olympischen Sommerspiele 2020 entscheiden. Tokyo hatte sich bereits für die Spiele 2016 beworben, musste sich jedoch Rio de Janeiro geschlagen geben. Immerhin konnte man somit sicherlich einen Teil der Bewerbungsunterlagen recyceln. Und auch wenn sich der neue Statthalter von Tokyo, Inose, redlich Mühe gab, mit Hinblick auf den Konkurrenten Istanbul unqualifizierte Bemerkungen wie „in islamischen Ländern gibt’s doch nur Streit“ in den Ring zu werfen, gilt Tokyo durchaus als Favorit für 2020. Immerhin macht man nicht nur die Bewerbung nicht erst zum ersten Mal (die erste Bewerbung war die für die Sommerspiele 1940!) – auch als Austragungsort hat Tokyo Erfahrung, denn 1964 richtete man schon mal die Sommerspiele aus. Das war ein Novum – Tokyo war die erste Stadt in Asien, die den Zuschlag erhielt.
Doch was lauert da 230 km nordöstlich vom Austragungsort? Ein paar rauchende Atommeiler, die man partout nicht in den Griff bekommt. Das ist ob des Ausmasses der Atomkatastrophe nicht überraschend, aber auch rund 2,5 Jahre nach den ausschlaggebenden Ereignissen hat sich nicht allzu viel verändert: Es wird herumgeschustert und verschleiert. So zumindest der Eindruck. Eine echte Lösung scheint nicht in Sicht. Der Macher, Ministerpräsident Abe, hat nun medienwirksam eingeschritten und erklärt, dass TEPCO allein wohl nicht in der Lage ist, die Situation zu meistern. Wie auch – selbst trotz massiver Strompreiserhöhungen mangelt es TEPCO an finanziellen Mitteln. Und an Know-How. Und an Erfahrung. Und, wie es scheint, auch am erforderlichen Management. Und so stellt die Regierung nun ausserplanmässig 47 Milliarden Yen (rund 360 Millionen Euro) bereit. Fast die Hälfte davon soll noch dieses Jahr in den Reaktor fliessen. Unter anderem, so zumindest ein kühner Plan, um eine Mauer aus Eis im Boden um die Reaktorruine zu bilden. Wie man die gewaltige Energiemenge dafür erzeugen will, interessiert mich dabei doch sehr.
Der Zeitpunkt ist ganz sicher kein Zufall. Fukushima hängt wie ein Damoklesschwert über dem Großraum Tokyo. Die Lage ändert sich nicht dramatisch – das war nur in den ersten Tagen der Fall – sondern eher schleichend. Wieviel radioaktive Substanzen fliessen beziehungsweise flossen zum Beispiel in die Bucht von Tokyo!? Und wieviel in den Pazifik? Wo wird sich das Material letztendlich ansammeln? Wie hoch in der Prioritätenliste steht eigentlich das Entfernen der Brennstäbe aus dem Reaktor? Und weiss man überhaupt, wohin damit? Viele Fragen, und wenige Antworten wie es scheint.
Nun bezweifle ich, dass das IOC bei der Auswahl die Lage in Fukushima in die Bewertung einbezieht. Für Tokyo ist Fukushima zwar immernoch ein Thema, aber wie es scheint kein akutes Thema. Die Vergabe der Olympischen Spiele könnte (oder hat jetzt schon?) einen positiven Einfluss ausüben: Die Politik beginnt, besser spät als nie, sich für die Reaktorruine zu interessieren. So zumindest der oberflächliche Eindruck.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. Endgültig lösen kann man das Problem auch noch gar nicht, nur den Müll irgendwo verbuddeln.
    Und wie’s aussieht, wird dieses irgendwo Fukushima sein, wie schon damals in Chernobyl. Was wäre auch die Alternative? Zig Milliarden m³ Erde abtragen und irgendwo anders vergraben?

  2. mal ne frage Japan hat ja schon Jahrzehnte AKWs welche ja schon einiges an Müll Produziert haben müssen,
    wohin ist der ganze Dreck geschaft worden?
    und kann es sein dass Japanische Politikos sich alles erlauben können und wenns den Leuten nit gefällt sagen können „ach das war so nicht gemeint,….“? in DE würde doch bei solchen sprachlichen Ergüssen sofort der „kopf rollen“.
    kann sein dass das mir nur subjektiv so vorkommt.
    falls es wirklich was wird mit den Spielen, dann kann man nur hoffen dass es welche werden bei denen der Augenmerk mal wieder auf den eigentlichen Olypmischen Gedanken liegen und nicht beim Doping, Bestechung, …
    grus proti

    • Es gibt in Aomori eine Lagerstätte/Aufbereitungsanlage für Atommüll, die ich letzten Monat besucht habe. (Ich war nicht extra dafür in Aomori, sondern eine Freundin von mir lebt dort.) Dafür hat die Gemeinde Rokkasho ordentlich Geld bekommen.

  3. Na bitte, hat doch geklappt.
    Ich freue mich auf die Spiele in Tokyo.
    Was Inose in Bezug auf islamische Länder gesagt hat, ist so verkehrt nicht. Erdogan sprach ja nicht umsonst davon, daß „unsere Region den Frieden dringend braucht“.
    Davon abgesehen hatten darüber aber eh andere zu entscheiden und nicht Inose.
    Mir ist wohler mit Tokio als Ausrichter, Madrid währe aber ebenso eine wunderschöne Alternative gewesen.

  4. Moin
    die Erde auf unter 0°C zu bringen und zu halten ist gar nicht so die schwierigkeit oder Energie intensiv wenn man es über wärmepumpen macht
    und die erde ist ab ca 3m bis ungefähr 100m ganzjährig auf 10°C in Deutschland
    Japan liegt da zwar anderst aber die werden ja nicht tief bohren müssen
    dann kommt die frage noch hinzu wann eine Grundwasserabschliesende Schicht komt
    das bestimmt auch die tiefe der bohrung
    also es gibt weit aus andere Dinge die ein Problem sein können als die Energieversorgung des Systems

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