Zahlreiche Rituale und Bräuche drehen sich in Japan um Kinder. Eines davon ist das sogenannte お食い初め Okuizome – der “Beginn des Essens”, ein Ritual mit festen Regeln und
voller Symbolen. Begangen wird dieses Ritual entweder am 100., 110. oder 120. Tag nach der Geburt des Kindes. Wie es der Zufall so will, passte es bei uns: Heute war der 110. Tag. Na dann! Da die Kleinen nach 110 Tagen “draussen” selten wirklich etwas essen, hat dieses Ritual eher Symbolcharacter: Man führt dies und jenes zwar zum Mund des Kindes, aber essen lässt man es die Sachen nicht. Wie auch beim Neujahrsessen steht das Menü, von kleineren regionalen Unterschieden abgesehen, so gut wie fest, und jede Speise hat ihre eigene Bedeutung.
Das Essen besteht aus 一汁三菜 Ichijū Sansai – einer Suppe und drei Nebengerichten, die traditionelle Zusammenstellung eines Mahls für freudige Anlässe. Auf jeden Fall dazu gehören:
1. 赤飯 Sekihan (=Roter Reis), obligatorisch in Japan bei freudigen Anlässen (Sekihan ist klebriger Reis mit roten Bohnen. Rot und Weiss stehen für Glück/Feiern),
2. 吸い物 Suimono (sui = saugen, mono = Sache, zu deutsch: eine [meist dünne] Suppe)
3. 香の物 (kō-no-mono, kō = Geruch, mono = Sache) – eingelegtes Gemüse
4. (尾頭付き)魚 Fisch – und zwar ein ganzer, von Kopf bis Schwanz. In der Regel nimmt man dafür 鯛 tai – Meerbrassen.
Auch ein Stein gehört dazu – der muss vom örtlichen Schrein geholt und danach wieder zurückgebracht werden. Der Stein soll den Wunsch ausdrücken, dass das Kind im Laufe
seines Lebens immer gesunde Zähne hat (die Tradition ist schon weit über 1000 Jahre alt – schon damals fürchtete man ganz offensichtlich Zahnärzte). Anstelle eines Steins wird
aber vor allem im westlichen und südlichen Teil Japans auch gern Tako (Oktopus) genommen, der erfordert schliesslich auch viel Beisskraft. Die Suppe steht für ausreichend (Saug)kraft, siehe Wortbedeutung.
Selbst das Geschirr ist bei dieser Tradition vorbestimmt: Jungen wird das Essen auf einem schwarzen Lacktablett mit roter Innenseite serviert; Mädchen hingegen auf einem vollständig roten Lacktablett. Davon wird dem Kind das Essen von den 3年長 (3 nenchō – den drei ältesten Teilnehmern der Zeremonie) verabreicht.
Der Zeitpunkt für Okuizome ist natürlich mit Bedacht gewählt: Rund um 100 Tage nach der Geburt beginnen die ersten Zähne zu wachsen, und man beginnt das Kind an andere Speisen als nur an Muttermilch oder Ersatzmilch zu gewöhnen (auf Japanisch 離乳食 rinyūshoku – “sich entfernen – Milch – Essen” genannt).
Das Photo vom Tai (Meerbrasse) konnte ich mir hier leider nicht verkneifen: Die Zahnleiste sah einfach zu imposant aus. Gebratene Meerbrasse taucht auch in vielen japanischen Filmen auf – denn das ist wirklich der beliebteste, symbolträchtigste Fisch bei feierlichen Anlässen.
Was macht man denn mit dem Stein ? Meintest ja man nimmt als Alternative einen Oktopus auf den man auch kräftig beißen muss.
Wird der Stein auch zum beißen in den Mund geschoben ? :O
Ich bin dafür, dass du eine Rezepte-Seite hier aufmachst ;-) Das sieht ja sehr lecker aus. Schade, dass Ritual hätte ich doch bei unserem Kleinen auch durchgeführt.
Lese hier schon eine ganze Weile mit und hatte auch schon mal kommentiert, hat aber leider nicht geklappt. Bin gespannt, ob es dies Mal funktioniert. Das Foto von dem Fisch sieht ja echt gut aus. Und das Essen oben, richtig lecker, da kann man Hunger bekommen.
Gruß aus Hessen
menzeline
Hochinteressant dieses Ritual und damit auch dieser Artikel.
Danke und schöne Grüße aus Leipzig. Habt einen guten Start in die neue Woche.