BlogNächtliches Tête-à-tête mit der Polizei - Reloaded

Nächtliches Tête-à-tête mit der Polizei – Reloaded

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Es ist eigentlich schon ein paar Wochen her, aber jetzt fiel es mir wieder ein. Es war eine lange Nacht im Büro, eine von vielen, denn wir arbeiteten an einem grossen Projekt, das irgendwann beendet werden wollte. Kurz nach 11 Uhr nachts begab ich mich auf den Heimweg, und da es regnete, beschloss ich, die 5 km, die zwischen meinem Haus und meinem Bahnhof liegen, nicht mit dem Fahrrad zurückzulegen, sondern mit dem Bus. Gesagt, getan. Eine gute halbe Stunde später stieg ich also in den Bus, und es goss wirklich in Strömen. Und es war noch ziemlich kalt. Eine weitere knappe halbe Stunde später, also gegen Mitternacht, kam ich an meiner Haltestelle an. Die befindet sich auf einem winzigen Pass, und auf dem Weg nach Hause laufe ich erst an einem Wasserwerk auf einem Hügel vorbei, dann eine steile Strasse in ein Tal herunter und dann wieder auf der anderen Seite berghoch. Klingt dramatisch, dauert aber alles in allem nur 6, 7 Minuten zu Fuß.
Rund um das Wasserwerk herum ist es natürlich relativ dunkel, und gegen Mitternacht sind freilich kaum Leute unterwegs. Trotzdem steht dort (ist ja schließlich Japan!) ein Getränkeautomat wie ein leuchtender Wegweiser mitten im Nichts. Ich beschloss, wie so oft, mir zur Belohnung einen Dosenkaffee zu ziehen. Kurzer Blick ins Portemonnaie: Ein 10’000 Yen-Schein (den man an den meisten Automaten nicht benutzen kann), zwei 50-yen-Münzen und ein paar 1-Yen-Aluchips. Glück gehabt. Also stecke ich 50-Yen-Münze Nummmer 1 in den Schlitz, und will gleich ihren Bruder hinterherjagen, als der mir aus den regennassen Fingern gleitet und runterfällt. Schöne Bescherung. Auf Anhieb ist die Münze auch nicht sichtbar, schließlich ist es rund um den Automaten, untenrum zumindest, ziemlich dunkel und schlammig. Was tun? Handy an, und zur Taschenlampe umfunktioniert, bücke ich mich und schaue unten am Automaten nach, ob sich Münze Nummer 2 dort irgendwo aufhält. Und siehe da: Gefunden! Ein kurzes Gefühl der Freude wird umgehend von einer Hand auf meiner Schulter unterbrochen. Ich zucke gehörig zusammen, da ich mich ja schliesslich allein wähnte, und ich erschrecke mich gleich noch einmal, als ich sehe, dass an der Hand ein ausgewachsener Polizist dranhängt.
Jener wünscht mir erstmal einen guten Abend und fragt mich, was ich da eigentlich so treibe. Gute Frage! Bereitwillig kläre ich ihn auf und zeige ihm die verschmutzte 50-Yen-Münze. Er zeigt auch sofort Verständnis, startet aber dennoch ein kleines Quiz. Wo ich denn wohne. Und seit wann. Und ob ich gerade von der Arbeit komme. Scheinbar ist er noch nicht so richtig überzeugt und möchte meine Alien Registration Card Zairyū-Card sehen. Dort steht ja schließlich auch meine Adresse drauf. Als verantwortungsvoller und aufgeklärter ausländischer Mitbürger kenne ich natürlich meine Rechte – ja, die Karte muss ich auf jeden Fall dabei haben. Nein, zeigen muss ich sie ihm eigentlich nicht. Aber welchen Sinn bringt es, da zu diskutieren? Ob ich sie ihm nun jetzt zeige oder er mich zur Wache bittet und ich sie dort präsentiere ist schließlich egal.
Die Adresse auf der Karte hat ihn zum Glück überzeugt, und er drückt noch sein Beileid darüber aus, dass ich so lange arbeiten muss. Wir wünschen uns noch ein schönes Leben und ziehen von dannen… wie auch bei der anderen Begegnung mit der Polizei war der Beamte sehr nett – und sehr neugierig, aber so ganz konnte ich es ihm nicht verübeln – schließlich untersuchte ich ja gerade einen einsamen Getränkeautomaten des nächtens mit einer Lampe.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Das, und vor allem der verlinkte Beitrag von 2015, erinnern mich an meine Erfahrungen seit ich in Berlin wohne.
    Ich hatte mir vor 2,5 Jahren meinen Kinderheitstraum erfüllt, ein Sportwagen von Honda. In meinem Fall ein kleiner Hybrid Sportwagen (Honda CR-Z), soll in Japan wohl ein Verkaufsschlager sein aber in Deutschland ist der extrem selten (Von 2011-2013 (dann wurde er vom Markt genommen) sind wohl nur knapp über 3000 Stück verkauft worden. So viel verkauft WV in 1 Woche.)
    Ich musste mich relativ schnell daran gewöhnen dass von dem Autos Fotos gemacht werden, ich darauf angesprochen wurde u.s.w. aber die Polizei oder so hat sich nie wirklich für mich interessiert.
    Bei der Durchführung meines Ursprünglichen Plans nach Tokyo umzuziehen musste ich einen kleinen Zwischenstopp in Berlin machen und frag mich nicht wieso, ich kann es selber nicht wirklich sagen, ich bin hier irgendwie “hängen geblieben” :D Irgendwas hat Berlin was dazu geführt hat, dass mein Temporärer Aufenthalt hier inzwischen 1 Jahr und 5 Monate dauert und ich vor 5 Monaten offiziell hier her gezogen bin…
    Lirum Larum, da nicht geplant war dass ich hier wohne, hatte ich das erste Jahr über noch zur Sicherheit meinen alten Wohnsitz behalten (den hätte ich ja auch in Japan gebraucht), und war somit nicht in Berlin gemeldet. Auch mein Auto hatte das alte Kennzeichen.
    Ich bin mindestens 1x im Monat wegen meinem Auto angehalten worden. Kontrolliert wurden natürlich immer sofort die Räder, und dann wieso bin ich in Berlin, was mache ich hier wenn ich hier doch garnicht wohne, wo Schlafe ich, wo arbeite ich, wieso fahre ich Nachts durch die Stadt u.s.w. u.s.f.
    Da es (finde ich) Unsinn ist in Berlin ein Auto zu besitzen habe ich es, sehr schweren Herzens, diesen Januar verkauft und da ich mit den Call-a-bike Rädern der DB fahre, interessiert sich auch keiner dafür. Seitdem habe ich meine Ruhe aber irgendwas hatte das Auto an sich, dass ich ständig kontrolliert worden bin.
    Vielleicht sind es irgendwelche Kleinigkeiten die man so nicht wahrnimmt, und vielleicht ist das der Grund weshalb viele so oft in Japan kontrolliert werden. So Details wie Kleidung, Frisur, Gesicht, keine Ahnung. Es gibt wohl etwas dass in Polizisten einen Kontrolldrang auslöst :D
    Aber so lange man immer ruhig, sachlich und freundlich bleibt geht es kurz und schmerzlos vorbei und alle Seiten sind zufrieden.

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