Es war DIE Nachricht des gestrigen Tages — Ryuji Higa, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Ryuchell, eine schillernde Gestalt im japanischen Fernsehen seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts, wurde gestern bewusstlos im Büro seiner Agentur in Shibuya aufgefunden und kurze Zeit später für tot erklärt. Man geht davon aus, dass er Selbstmord beging. Er wurde gerade mal 27 Jahre alt.
Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich ihn zum ersten Mal im Fernsehen sah — eine schrille, androgyne Person mit einer unglaublichen Energie und einer betont weiblichen Stimme, die aber schnell in eine tiefe, männliche Stimme abgleiten konnte. Er schien von Anfang an eine Mission zu haben — die traditionellen Grenzen von weiblich und männlich aufzusprengen. Der erste, ungewollte Eindruck war “ah, definitiv aus der LGBT-Ecke”, aber das war gar nicht so einfach. 2016 heiratete er Peco, eine ebenfalls recht schrille Person, und sie bekamen ein Kind miteinander. Beide wurden zu Modeikonen und prägten die Modeszene in Harajuku/Shibuya maßgeblich – mit einem Stil, der in der Tat Richtung Unisex ging.
2022 liessen sich die beiden scheiden – allerdings nicht, weil sie sich verstritten hatten, sondern weil Ryuchell sich nicht in der Lage sah, langfristig eine traditionelle Ehegatten/Vaterrolle ausüben zu können. Stattdessen trat er für eine “neue Form der Familie, außerhalb der traditionellen Rollen” ein. Er trat vermehrt in Frauenkleidern auf, was immer mehr darauf hindeutete, dass er für das “T” in LGBT steht. In vielen seiner zahlreichen Auftritte und Interviews setzte er sich auch als starker Unterstützer der LGBT-Gemeinde ein und war Mitveranstalter der jährlichen Tokyo Rainbow Pride seit 2018.
Sicherlich wurde er deshalb auch angefeindet – vor allem online, aber der Selbstmord ist dennoch eine Überraschung. Doch es fehlen einfach noch zu viele Informationen darüber, was der eigentliche Anlass war. Fakt ist, dass er vor allem dafür viel Kritik einstecken musste, dass er eine neue Form der Familie propagierte.
Japan verliert mit Ryuchell auf jeden Fall eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die viel für die LGBT-Gemeinde tat und dabei auch sehr komisch sein konnte.