Seit ein paar Tagen grassieren im japanischen Internet Gerüchte, wonach sogenannte 在日コリアン Zainichi Korean – in vielen Fällen seit Generationen in Japan lebende ethnische Koreaner – ab dem 9. Juli diesen Jahres ihr Aufenthaltsrecht verlieren und deportiert werden sollen¹. Weiterhin besagen die Gerüchte, dass man für das Denunzieren eines zu deportierenden Koreaners eine Kopfprämie bekommt – die Angaben schwanken, aber am häufigsten liest man von rund 400 Euro. Demzufolge erhielt die Ausländerbehörde wohl eine Flut von “Meldungen angeblich illegal in Japan lebender Koreaner”.
Als Stichtag wird in dem Zusammenhang der 9. Juli genannt, aber der Hintergrund ist ein anderer: Es gibt rund 360’000 Koreaner mit besonderer Aufenthaltsgenehmigung in Japan, und die mussten – wie alle anderen in Japan lebenden Ausländer auch – bis zu jenem Tag ihren alten Ausweis umtauschen. Ein paar Wochen vor dem Stichtag gab es aber wohl noch geschätzte 150’000 Koreaner, die noch nicht umgetauscht hatten.
Schaut man sich ein bisschen im Netz um, erscheinen die obigen Nachrichten auf nahezu allen Nachrichtenseiten – mit dem heutigen Tag (21. Juli 2015) als Datum. Schaut man sich jedoch etwas genauer um, findet man eben dieses Gerücht bereits viel früher, nämlich bei Yahoo! Japans “知恵袋 Chiebukuro”², der japanischen Version von Yahoo Answers. Und man findet natürlich auch “Schritt-für-Schritt-Gebrauchsanleitungen”³ dafür, wie man illegale Ausländer online an die Behörden melden kann.
Defamierungen dieser Bevölkerungsgruppe gehören zum Alltag in Japan – leider. Da ist das obige eigentlich nichts Neues. Aber es hinterlässt trotzdem einen sehr faden Nachgeschmack, denn das grenzt an Denunziantentum – ein Merkmal von Gesellschaften, die ein ordentliches Problem haben. Um es mal ganz vorsichtig auszudrücken.
¹ Siehe zum Beispiel hier (Japanisch) oder hier (Englisch)
² Siehe hier.
³ Siehe zum Beispiel hier
Manchmal möchte man Pikachu einfach nur vor die Füße kotzen.
Jedes Land hat seine Probleme mit Nationalisten und Rassisten – so eben auch Japan. Das dort ungestört Hetzparolen vor Schulen(!) oder mitten in Shibuya gebrüllt werden können, irritiert natürlich gerade einen Deutschen. Ich kann mich noch erinnern wie vor dem Obama-Besuch die schwarzen Wagen der Rechten tagelang durch Toranomon fuhren und niemand was dagegen unternahm. Vielleicht bedarf es ja diesen Ventils, damit es unter Japanern umso harmonischer zugehen kann? Im Yushukan, neben Yasukuni, kann man die rechte Ideologie sehr gut nachvollziehen. Ist teilweise probat (man muss die rassistische Politik der Kolonialmächte um die Jahrhundertwende nachvollziehen), wirkt aber im 21. Jahrhundert reichlich deplatziert. Schon Nietzsche wusste, dass die Moralität nur ein ganz dünner Schleier ist und das Tier darunter jederzeit und schneller als man glaubt zum Vorschein kommen kann.