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Filmkritik: Always – sanchōme no yūhi (Abendsonne im dritten Bezirk)

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AlwaysMit viel Trara wurde dieser Film angekündigt, obwohl die ganz grossen Schauspieler fehlen. Letztes Jahr kam er in die Kinos und ist seit kurzem auf DVD erhältlich (wohl erstmal nur hier, aber immerhin mit englischen Untertiteln).
1958 im Zentrum von Tokyo – der Tokyo Tower wird gerade gebaut, ansonsten gibt es (noch) keine hohen Häuser. Dafür aber kleine, verwinkelte Gassen mit einem ziemlich intakten sozialem Netz nebst allen Problemen, die dazu gehören. Viele Schicksale treffen sich da mitten während des ersten japanischen Wirtschaftswunders – ein einsamer Doktor, der seine Familie im Krieg verlor, ein jähzorniger aber herzensguter Garagenbesitzer, ein Landei, das bei ihm anlernt (genial: Der Tōhoku-Dialekt. Wie sächsisch, nur auf Japanisch), ein verzweifelter Literat. Und und und. Sie alle haben besondere Beziehungen untereinander und sind zwar zumeist sehr, sehr arm aber irgendwie doch glücklich.
Gezeigt wird das Leben nach dem Krieg, auf eine Art und Weise, dass sie sogar meinem Schwiegervater die Tränen in die Augen trieb. „Genauso bin ich aufgewachsen!“ war sein Kommentar. Der 133 Minuten lange Film ist teils sehr komisch, teils ziemlich tragisch und sehr, sehr sentimental. Manchmal etwas zu sentimental, aber das sei hier mal erlaubt.
Der Regisseur, Yamazaki Takashi, hat hier etwas Erstaunliches geschafft: Mit ähnlicher Leichtfüssigkeit wie in der „Sonnenallee“ stellt er hier eine trotz der Armut und Tragödien sehr gelungene, optimistische Atmosphäre her. Und – das finde ich am bemerkenswertesten – auch Ausländer können dem Film folgen. Beschreibungen wie „das kann man nicht erklären, das verstehen nur Japaner“ passen hier nicht. Der Film und seine Darsteller sind schlichtweg liebenswert menschlich. Man merkt (und hat es bereits geahnt) – Japaner kochen auch nur mit Wasser. Naja, und Soyasauce.
Ich bin mir relativ sicher, dass der Film es nach Deutschland schaffen wird. Wenn nicht wäre das zu schade. Übrigens findet man im Film so zauberhaft dargestellte alte Gassen noch gelegentlich. Man muss nur danach suchen (zum Beispiel hier).
Hier ist die offizielle Webseite. Und hier ist meine Bewertung: ★★★★★★ (6/6). Oh mein Gott, werde ich auch sentimental!?

Wort des Tages: 三丁目の夕日 (sanchōme no yūhi) – chō nennt man die kleineren Strassenviertel (auch: Blöcke). Yūhi ist die Abendsonne.

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tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

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