Ja, Japan ist sehr bekannt für seine exquisite Küche. Und wer Japaner kennt, weiß auch, dass die meisten gutes Essen sehr zu schätzen wissen. Doch diverse gesellschaftliche Umstände sorgen auch dafür, dass man in Japan in Sachen Essen sehr erfinderisch ist. Und vor nichts zurückschreckt. Nissin, Instantnudel-Gigant, bewirbt seine Produkte ganz von selbst mit “enthält 謎の肉, “rätselhaftes Fleisch”, ein Slogan, den man in anderen Ländern nur von Kritikern, aber sicher nicht vom Hersteller hören würde. Zu den zumindest anfangs ebenso rätselhaften, aber schon seit Jahrzehnten beliebten Produkten zählt auch CalorieMate — eine Art Gebäck mit ziemlich exakt 100 Kalorien pro Riegel, und laut Hersteller Otsuka sehr ausgewogen, denn der Stoff enthält diverse Vitamine und Spurenelemente. Das wird dann als “balanced food” verkauft und ist ein Klassiker in Japan, doch ein genauer Blick auf die Packung zeigt, dass Marc-Uwe Klings “FeSaZus” aus Qualityland keine drollige Erfindung eines Schriftstellers sind, sondern Wirklichkeit. Zumindest fast. Denn diese industriell gefertigten Klumpen bestehen zu mehr als 50% aus Zucker, gepaart mit mehr als 25% Fett (und das auch noch in Form vom Margarine) und mehr als einem Prozent Salz. Guten Appetit.
Der neueste, erst in diesem Monat erschienene Wahnsinn in Dosen nennt sich “in tansan” — 炭酸 bedeutet Kohlensäure. Der Hersteller Morinaga ist eigentlich eher bekannt für Schokolade und andere Süßigkeiten, doch bei “in tansan” geht es um 空腹マネジメント, das “Management des Hungergefühls”. Die Idee: Man leert die mit 190 ml relativ kleine Dose mit einem kohlensäurehaltigen Getränk, welches sich dann im Magen ausdehnt und zu einer Art Gelee wird, welches dann automatisch das Hungergefühl unterdrückt, obwohl das Getränk selbst nur 34 Kalorien hat. Das ist dann also so, als ob man sich Bauschaum in den Rachen sprüht, wobei “in tansan” hoffentlich etwas verträglicher ist. Und da das Getränk von Morinaga ist, enthält dieses, genau wie auch einige Schokoladensorten von Morinaga, den Wirkstoff “GABA”, ein anderes Wort für γ-Aminobuttersäure, welche bereits in natürlicher Form in sehr vielen Lebensmitteln vorkommt. Interessant sind auch immer die Verweise wie in diesem Beispiel: “Grapefruit-Geschmack (enthält keine Fruchtsäfte)”.
Soyjoy (gepresste Sojaareste mit anderen ominösen Zutaten), Base Bread (verpacktes Brot mit einer Zutatenliste, die gerade so auf die Packung passt), Lunch Packs (pappige Weißbrote mit breiiger Füllung, die viele Tage haltbar sind und immer mehr werden beim Kauen) — auf dem japanischen Lebensmittelmarkt gibt es sehr viel Müll. Und das wird sich auch so schnell nicht ändern, denn im Gegensatz zu vielen anderen Ländern gibt es in Japan für Lebensmittel keinerlei Kennzeichnungspflicht ob des Nährwerts. Aber immerhin wird abgedruckt, was enthalten ist und wie viele Kalorien der Spaß hat. Ob der Bauschaum aus der Dose nicht irgendwelche Nebenwirkungen mit sich bringt? Nun, das wird man in ein paar Jahren erfahren. Wohl bekomm’s!
Den Hinweis auf vielen Flaschen, dass das vermeintliche Fruchtgetränk keinerlei Fruchtanteil hat, habe ich auch schon oft bemerkt. Kriegt man alles mit wenn man lange genug hier lebt, schätze ich. Vom Gefühl her hat aber immerhin die Auswahl an Käse zugenommen in den Geschäften, mit dem aktuellen Yen-Kurs für Europäer sogar zu vergleichsweise humanen Preisen. Brot backen können die Japaner flächendeckend aber immer noch nicht, von Vollkornbrot ganz zu schweigen (von wenigen spezialisierten Bäckereien mal abgesehen).