BlogDunkle Wolken am Firmament

Dunkle Wolken am Firmament

-

Man möchte gar nicht mehr die Zeitung aufschlagen – die letzte Ausgabe von Nikkei Weekly, einem Wochenblatt über die Wirtschaft auf Englisch, überschlug sich nur so mit schlechten Nachrichten – man könnte meinen, die Welt geht in den nächsten Tagen unter. Der Nikkei-Index (das Pendant zum Dax, der gleiche Name wie im Zeitungstitel ist kein Zufall) rauscht unaufhörlich nach unten und der Yen hingegen nach oben. Gab es vor drei Wochen noch 167 Yen für den Euro, sind es heuer nur knapp über 140.
Japan’s Banken wanken auch ein kleines bisschen wegen der Immobilienkrise, aber sie stehen viel sicherer als amerikanische (und wie es scheinbar aussieht so manch europäische) Banken – denn die Banken hierzulande haben das ähnliche Spiel schon in den 1980ern gespielt – und verloren.
Japan ist jedoch, wie Deutschland auch, extrem auf den Export angewiesen, und wenn der schwächelt, wird das auch für Japan schwerwiegende Folgen haben. Die Reaktionen auf all das dürften wahrscheinlich sowohl in Japan als auch in Deutschland ähnlich sein: Kopfschütteln, bangen, hoffen und (grünen) Tee trinken.
A propos Wirtschaft – letzte Woche ging plötzlich wieder eine grössere Firma pleite. Die nannte sich Gateway 21 und vermittelte Japaner zum Studium/ zur Schule ins Ausland. Ein sehr kostspieliges Geschäft – für 3 Monate in den Staaten kann man so mit ca. 750,000 yen rechnen (also rd. 5,000 Euro). Dann machte es “kawumm” – und der Präsident erklärte die Pleite. Und hinerlässt ca. 12 Millionen Dollar Schulden.
Dramatische Szenen spielten sich ab – Leute, die bereits das komplette Geld (für das viele sehr hart gearbeitet haben – lernen im Ausland ist ein Lebenstraum für die meisten Japaner) eingezahlt hatten, erfuhren, dass sie wahrscheinlich nichts wiedersehen werden. Schüler, die gerade im Ausland sind, wurden schlagartig von ihren Schulen und Unterkünften geworfen.
Dem gegenüber steht der Lebensstil des (wohl recht diktatorisch herrschenden) Firmenpräsidenten: Der Herr Fukui besitzt eine recht grosse Villa, einige Ferrari und anderen Luxus. Da sollte wohl dann doch einiges an Konkursmasse herausspringen. Für die Banken zumindest.
Das Wort des Tages: 土下座 – dogeza – die höchste Form des Entschuldigens – auf den Boden knien und mit dem Kopf bis auf den Erdboden verneigen (ähnlich dem Kotau). Machte Fukui diese Woche auf einer Pressekonferenz – und wurde dabei von etlichen wütenden Anwesenden auf ganz unjapanische Art und Weise beschimpft.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

5 Kommentare

  1. “Schüler, die gerade im Ausland sind, wurden schlagartig von ihren Schulen und Unterkünften geworfen.”

    Bitte? Ich hoffe doch von der Schule direkt in das Flugzeug und nicht auf die Straße!

  2. Auf diesen Blogeintrag habe ich schon lange gewartet. Ja, die liebe Finanzkrise (oder sollte man besser sagen Systemkrise?)- Geld aus Geld machen ist halt nicht so einfach. Und diese “Da-passt-noch-mehr-in-meinen-Hals-Mantalität” scheint auch vor den guten Japanern nicht halt zu machen (warum auch, sind auch bloss Menschen).

    Kann denn tatsächlich auf das Privatvermögen des sich-auf-die-Erde-werfenden demütigen Managers zurück gegriffen werden? Hierzulande bekommt die Unternehmensführung noch eine saftige Abfindung für den Scheiß den sie gebaut hat (meine Wortwahl möge man mir nachsehen).

  3. @Hamu-Sumo
    Da wär ich mir nicht so sicher. Hängt sicher von der Kulanz der Beteiligten ab.

    @Terry
    Das würde mich auch mal interessieren! Solange er nicht erfolgreich verklagt wird, wahrscheinlich nicht. Aber das erfährt man ja letztendlich sowieso nie

  4. Kann im Zusammenhang nur den Wirtschaftswissenschaftler Benjamin Graham (http://de.wikipedia.org/wiki/Benjamin_Graham) und sein Buch (3898790649 oder 0060555661) über Wertpapieranalyse empfehlen. Dann weiß man warum es mal wieder zur Krise kam und kann nur den Kopf schüttel. Warren Buffett, einer der vielen erfolgreichen Schüler von Graham, bezeichnete sein Buch als das Beste, was je für Anleger geschrieben wurde.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Neueste Beiträge

Japaner sprechen immer schlechter Englisch. Warum wohl?

Neulich war ich, wie jedes Jahr, auf einer Konferenz, bei der sich hauptsächlich viele hundert Hochschulenglischlehrer, aber auch viele...

Toyako – Ein See wie ein Auge sowie zwei nagelneue Berge

Der Toya-See ist ein wichtiger Bestandteil des Shikotsu-Tōya-Nationalparks im Süden von Hokkaido. Hochinteressant: Ein nagelneuer Vulkan.

Weg mit dem unsinnigen Besteuerungssystem für Zweitverdiener? Bewegung im Parlament

Die Besteuerung von Zweitverdienern ist seit Jahrzehnten ein großes Ding in Japan und hat einen enormen Einfluss auf fast...

Ein verschwundener Zaun und explodierte Eier

Heute trieb es mich also aus mehr oder weniger beruflichen Gründen nach Fuji-Yoshida, beziehungsweise nach Kawaguchiko, einem der 5...

Noboribetsu – der Ort des (niedlichen) Teufels

Hohe Berge, eine lange Pazifikküste und viele heiße Quellen, die mancherorts aus dem Boden sprudeln – sowie einen Berg voller Bären.

Sollte Laufen auf der Rolltreppe verboten werden?

Rund 80'000 Rolltreppen gibt es in ganz Japan (nur am Rande: und fast zehn Mal so viele Aufzüge) –...

Must read

Die 10 beliebtesten Reiseziele in Japan

Im Mai 2017 erfolgte auf dem Japan-Blog dieser Webseite...

Auch lesenswertRELATED
Recommended to you