Bei der Abschlußveranstaltung der Paralympischen Spiele Tokyo 2020 wurden erwartungsgemäß wieder etliche japanische Eigenheiten aufgegriffen – und dazu zählte dieses Mal auch das Erscheinen eines デコトラ dekotora, eine dieser typischen viersilbigen Abkürzungen, zusammengesetzt aus “decoration” und “truck”, also ein “Zier-LKW”. Man kann nun natürlich einwerfen, dass Trucker überall auf dem Planeten versucht sind, ihre Arbeitsgeräte auf die eine oder andere Weise zu verschönen – egal ob in Europa, in den USA oder in Asien. Vor allem in Asien ist es keine Seltenheit, dass Busse, TukTuks, Motorräder und LKWs auf ganz eigene Art und Weise verziert werden. Doch in Japan gibt man sich da besonders viel Mühe. Oft sind da sehr bunte Gemälde involviert, nicht selten haufenweise blinkendes Licht, gern auch bis zu ein Meter lange, komplett verchromte Stoßstangen, diverse Fahnen und Wimpel – und der Motor wird natürlich auch getunt, um das Aussehen mit einem satten Geräusch zu komplettieren. Manche LKWs klingen da schon mal gern wie ein Podracer aus den Star Wars-Filmen.
Trucker haben, auch das ist wohl universal, einen ganz eigenen Ruf, und in Japan bezeichnen sie sich gern als トラック野郎 “Trucker-Kerl”. Diesen wurde auch eine gleichnamige Serie aus 10 Filmen, gedreht zwischen 1975 und 1979, gewidmet. Man sollte dazu aber auch erwähnen, dass man immer mehr Frauen in den Führerhäusern findet – LKW-Fahrer ist in Japan seit Jahren kein reiner Männerberuf mehr. Privatunternehmer stecken auch heute noch viel Geld in ihre Fahrzeuge, und es gibt sogar Fuhrunternehmer, die Wert darauf legen, dass ihre Trucks etwas ganz Besonderes sind. Für Fahrzeugliebhaber bedeutet das vor allem in der Provinz, dass es einiges zu sehen gibt. Schliesslich sind es ja nicht nur die Trucks, sondern oft auch Motorräder, die gern aufgehübscht werden.
Bis zum oben erwähnten Film fand man solch dekorierte Trucks eigentlich nur im Nordosten Japans – mit den LKWs wurden meist die Fischfänge von den Häfen in die Märkte transportiert. Seit den 1970ern und vor allem dank des Films findet man die Trucks nun jedoch fast überall, und sie scheinen sich steigender Beliebtheit zu erfreuen – bis sie es gar als quasi-Kulturgut in die international übertragene Abschlussveranstaltung der Paralympischen Spiele geschafft haben. Warum auch nicht. Dekotora gehören genauso zu Japan wie Anime & Co.
Foto oben: “Ichibanboshi”, der berühmte Truck aus der “Torakku Yarō”-Serie. Quelle siehe hier.
Hallo,
Tuning in Kawaii Style :-) interessant, würde bei uns wahrscheinlich nur bis zur nächsten Polizeistreife kommen. Mich würde interessieren ob sich die Truckerinnen auch als Trucker Kerl bezeichnen?
Ich glaube nicht… aber einen klingenden Namen für die Fahrerinnen habe ich noch nicht gelesen oder gehört.
Die japanische Hauptuntersuchung (Shaken) soll ja eigentlich nicht sonderlich nachsichtig sein. Aber wenn ich mir so die Dinger auf dem zweiten Bild anschaue, die mich eher an Kirmesbuden als an Fahrzeuge erinnern, kommen mir dann doch Zweifel ;-)
Sicherlich wird wie in jeder Tuning-Szene weltweit alles ausgereizt was rechtlich irgendwie möglich ist. Oder wird dann pünktlich zur nächsten Hauptuntersuchung geschraubt und entschärft bzw. liegt der Fokus bei der Inspektion eher bei dem was hinten rausgepustet wird, anstatt was für Anbauten dranhängen?
Auf Deutschland übertragen, kommt mir direkt das Meme “TÜV sagt nein!” in den Kopf :-D
Yep. Ist mir auch ein Rätsel mit dem TÜV hier. Weiss nicht, ob die kulanter sind solange es die Sicherheit nicht beeinträchtigt. Fakt ist aber, das die Polizei in Japan viel weniger kontrolliert als in Deutschland, und wenn sie mal kontrollieren, ist fraglich, inwieweit sie auch die ganzen Anbauten und Genehmigungen kontrollieren.