BlogCorona-Update: Ausnahmezustand verlängert und diverse Nebenwirkungen

Corona-Update: Ausnahmezustand verlängert und diverse Nebenwirkungen

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Nach drei Artikeln mit einer Corona-Pause wird es – leider – mal wieder Zeit für das Thema, dass ja nun alle schon ein ganzes Jahr lang quält. Passend zum Jahrestag des Kreuzfahrtschiffes Diamond Princess – es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass das Schiff mit seinen gut 3,000 Passagieren in Yokohama andockte, und wochenlang unter Quarantäne gestellt wurde, da sich viele Passagiere mit dem neuartigen Virus angesteckt hatten. Wer hätte damals gedacht, dass das auch ein Jahr später noch das Hauptthema ist…
Leider hat sich in diesem Jahr in mancher Hinsicht nicht viel geändert: Schon damals gab es enorme Probleme, Krankenhäuser zu finden, die die Erkrankten aufnehmen würden. Einige wurden letztendlich hunderte Kilometer weit, bis nach Osaka, gefahren, obwohl es in und um Tokyo tausende Krankenhäuser gibt. Das ist heute nicht anders: Sicher, es gibt nun mehr Krankenhäuser, die die Infizierten aufnehmen können, aber die Lage ist noch immer angespannt, und das liegt zum Teil an der japanischen Unart, zu stigmatisieren. Das Schlüsselwort lautet hier 風評 fūhyō und setzt sich aus “Wind” und “Bewertung” zusammen – zusammengesetzt bedeutet es “(leeres) Gerücht”. Die Idee war zum Beispiel, die grossen Krankenhäuser zu entlasten, indem man Covid-Geheilte (sprich, nicht mehr ansteckende) Patienten, die jedoch aufgrund von Spätfolgen noch in stationärer Behandlung bleiben müssen, auf die kleinen Privatkrankenhäuser zu verteilen. Die weigern sich jedoch zumeist, da sie Angst vor besagten Gerüchten haben. Würde bekannt werden, dass dort COVID19-Patienten liegen, würden viele der (zahlenden) Patienten wegbleiben.
Der Ausnahmezustand, der Anfang Januar erklärt wurde und eigentlich am 7. Februar enden sollte, wurde nun gestern vom Parlament um einen Monat verlängert – er gilt allerdings nicht wie im vergangenen Jahr für das ganze Land, sondern nur für 10 Präfekturen, Tokyo und Nachbarpräfekturen eingeschlossen. Der Lockdown, der keiner ist, zeigt dabei eigentlich Wirkung: Die Zahl der Neuinfizierten in Tokyo zum Beispiel lag Anfang Januar bei bis zu 2,500 Menschen pro Tag – seit einigen Tagen ist die Zahl im mittleren dreistelligen Bereich angesiedelt. Doch die Zahl der an dem Virus Verstorbenen steigt so stark wie nie zuvor – eine Tendenz, die man ja auch aus anderen Ländern beobachten kann.
Vor der Verlängerung des Ausnahmezustandes wurde viel debattiert, doch es handelte sich dabei nicht selten um Nebelkerzen. So wurde laut darüber nachgedacht, Corona-Infizierte, die sich weigern, ins Krankenhaus zu gehen, strafrechtlich zu belangen. Logischerweise fragte die Opposition daraufhin, wie viele solcher Fälle es eigentlich gäbe – worauf der zuständige Minister keine Antwort hatte. Denn so viel steht fest: Das Problem sind nicht Patienten, die sich weigern, sich behandeln zu lassen – sondern Patienten, die behandelt werden wollen, aber überall abgewiesen werden. Ganz eigentlich sollte man da Patienten und deren Angehörige das Recht zugestehen, den Staat zu verklagen, wenn medizinische Hilfe verweigert wird.
Ein weiterer, schwerer faux pas wurde gestern publik: COCOA, die japanische Corona-App, funktioniert seit einem Update vor 4 Monaten (!) nicht mehr richtig. Selbst wenn die App die Nähe zu einer später positiv getesteten Person feststellte, wurde keine Nachricht gesendet. Den Verdacht, dass da etwas nicht stimmt, hatte ich ebenfalls vor 4 Monaten, denn damals meldete sich die App bei mir zwei Mal mit Warnungen, aber als ich die Logdateien ausgelesen hatte (die zugänglich sind), sah ich, dass es Fehlalarme waren. Ende vom Lied: Ich habe die App von meinem Gerät gelöscht, da sie mir als unbrauchbar erschien – erst recht, weil man selbst bei einem validen Alarm nichts machen kann: Man wird aufgefordert, dass Gesundheitsamt zu kontaktieren, doch die sind entweder nicht erreichbar, oder sagen nur “bleiben sie vorerst zu Hause”.
Mit der Verlängerung des Ausnahmezustandes ändert sich nicht viel. Nur, dass die Politik jetzt die Leute auffordert, auch tagsüber alle nicht unbedingt notwendigen Gänge nach draussen zu unterlassen. Obwohl ich für die Verlängerung des Ausnahmezustandes bin, halte ich diesen Aufruf für falsch, denn nicht wenige Japaner nehmen das, was die Regierung sagt, wörtlich. Kein Spaziergang, kein Sport — die Folge wird sein, dass viele mit einem durch den knochentrockenen und kalten Winter ohnehin schon geschwächten Immunsystem noch schwächer und anfälliger werden, während die Kinder wie eh und je zur Schule toben.
Auch die Diskussion um den Impfstoff gewinnt immer mehr Fahrt. Nun soll es angeblich sogar schon Mitte Februar losgehen, aber da sind wir noch nicht einmal bei der Diskussion angelangt, wie dieser gesichert werden soll. Mit grossem Interesse schaut man da zum Beispiel auf Taiwan, dass momentan arge Probleme bei der Impfstoffbeschaffung hat.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. Lange Zeit wirkte es so, als seien die ostasiatischen Länder erfolgreicher im Umgang mit der Pandemie. Das erstaunliche dabei: der größere Erfolg schien unabhängig von konkrete Maßnahmen (in Südkorea viel testen, Japan wenig, in China radikaler Lockdown, in Korea und Japan nicht) und dem politischen System (Demokratie vs Ein-Parteien-System) zu sein. Jetzt im – hoffentlich! – Finale der Pandemie zieht aber der Westen davon: das Impfen läuft in westlichen Ländern zwar unterschiedlich gut, aber insgesamt anscheinend weitaus besser als in Ostasien. Die erfolgreichsten Impfstoffe kommen alle nicht aus Ostasien und das Impftempo ist in Ostasien weitaus langsamer.

  2. …was ich nicht verstehe, ist das Kapazitätsproblem der japanischen Krankenhäuser…in Deutschland ist das System so grade an den Anschlag gekommen über Weihnachten, aber bei dem x-fachen der Fälle…man fragt sich, ob a) das japanische Gesundheitssystem so schlecht ausgestattet ist und wieso, oder b) ob die Japaner allgemein weniger oft krank werden oder im Krankenhaus landen weil ja auch ohne Covid Leute auch krank werden…!?

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