Die jüngste Corona-Welle ist noch immer in vollem Gange und der Scheitelpunkt ist noch nicht in Sicht. Und obwohl die Zahlen immer weiter steigen, ist die medizinische Versorgung bereits an ihre Grenzen gestossen. In der Präfektur Kanagawa (mit Yokohama und Kawasaki, rund 9 Millionen) liegt die Auslastung der für Corona-Patienten vorgesehenen Krankenhausbetten bei 100%, und in Tokyo werden die 100% in den folgenden Tagen erreicht. Das deckt sich leider mit meiner Beobachtung: Man hört kaum noch Krankenwagen – denn selbst, wenn ein Corona-Patient einen Transport zum Krankenhaus benötigen würde, wäre nirgendwo ein Platz vorhanden. Das darf man durchaus als dramatisch bezeichnen.
Doch wie sieht die Strategie angesichts der Lage nun aus? Schliesslich sind es weniger die Krankenhausbetten, die fehlen — die Kapazität könnte man sicherlich irgendwie erweitern, zumal das Gros der japanischen (meist privaten) Krankenhäuser noch immer nicht Coronapatienten aufnimmt (sprich, das “für Corona-Patienten vorgesehenen” ist wichtig, denn es gibt durchaus viel mehr Krankenhausbetten, aber nicht für Coronafälle). Es ist mehr der Mangel an medizinischem Personal, den man nicht ohne weiteres beheben kann.
Schweregrad | Krankheitsbild |
---|---|
重症 jūshō Kritisch |
Notaufnahme erforderlich, künstliche Beatmung |
中等症Ⅱ chūtōshō ni Mittelschwer Stufe 2 |
Atemnot, Sauerstoffbeigabe erforderlich, Blutsauerstoff unter 93% |
中等症Ⅰ chūtōshō ichi Mittelschwer Stufe 1 |
Leichte Atemnot, Anzeichen einer Lungenentzündung |
軽症 keishō Leichter Verlauf |
Keine Anzeichen einer Lungenveränderung, leichter Husten |
無症状 mushōjō symptomlos |
Positiv getestet aber keine erkennbaren Symptome |
Da die medizinische Versorgung nun vollends an ihre Grenzen gestossen ist, verlegt man sich nun in Japan auf eine leichte Form der Triage, ganz nach dem Motto “wer noch die Kraft hat, zu schreien, wird später behandelt – schliesslich hat die Person noch die Kraft, zu schreien”. Konkret sieht das wie folgt aus:
- Symptomlose Patienten sollen für zwei Wochen in Quarantäne, und zwar zu Hause
- Leichter Verlauf: Eigenquarantäne, und je nach Entscheidung des Arztes Verabreichung eines antikörper-bildenden Cocktails aus Casivirimab und Imdevimap um den weiteren Verlauf zu mildern
- Mittelschwerer Verlauf, Stufe 1: Eigenquarantäne, Beobachtung durch Arzt (via Video, Telefon oder Hausbesuch), Verabreichung von Remdesivir, dass die Reproduktion des Virus im Körper verlangsamen soll
- Mittelschwerer Verlauf, Stufe 2: Auch hier: Kein Krankenhausaufenthalt, Verabreichung von Remdesivir und eine Behandlung mit einem Cocktail aus Steroiden, Baricitinib (Olumiant) zur Unterdrückung des Immunsystems sowie von Heparin, um zu verhindern, dass der Zustand des Patienten kritisch wird. Zugabe von Sauerstoff – entweder zu Hause, oder in einem Sauerstoffverabreichungszentrum (die werden zur Zeit angelegt)
- Kritischer Verlauf: (So möglich) Einlieferung in Intensivstation, künstliche Beatmung (ECMO etc). und gleicher Medikamentencocktail wie bei Stufe 2 des mittelschweren Verlaufs)
Die Strategie erscheint sinnvoll, aber sie wird zwangsläufig dazu führen, dass trotz der Therapiefortschritte die Todesfälle in den folgenden Wochen stetig steigen werden. Zum jetzigen Zeitpunkt verharren rund 100,000 Japaner mit Corona zu Hause – selbst bei der mittelschweren Stufe 2, und von der ist es nicht weit bis zur lebensbedrohlichen, kritischen Stufe. Das Problem ist das Monitoring der Patienten und die Heimtücke der Viruserkrankung, kann sich doch die Situation für den Patienten binnen Stunden ändern.
Hinzu kommt natürlich auch die Gefahr eines Anstiegs der Infektionen im Haushalt. Natürlich gibt es Anleitungen, wie man mit einem Coronapatienten umgehen soll, doch nicht jeder Haushalt hat zum Beispiel ein freies Zimmer für den Patienten übrig, und nicht alle halten sich konsequent an die Regeln.
Da auch die Infektionen bei Kindern stark zunehmen, ziehen nun die ersten Gemeinden die Notbremse und geben bekannt, dass die Schulen vorerst geschlossen bleiben – oder die Kinder gestaffelt zum Unterricht erscheinen. Da die Sommerferien für viele Schulkinder in dieser Woche aufhören, gibt es entsprechend viel Bewegung, sprich Chaos.
Für die nächsten Wochen heisst es also für Japan, die Zähne zusammenzubeissen. Nach einer Änderung des Verhaltens der Menschen sieht es jedenfalls nicht aus. An den üblichen Plätzen ist es nach wie vor voll, Eltern nehmen ihre Kinder normal zum Einkaufen mit, manche Bars haben bis spät in die Nacht geöffnet (und sie sind voll) und so weiter und so fort. Experten sind deshalb auch berechtigterweise besorgt, dass Japan es womöglich nicht schaffen wird, bis zum Herbst/Winter Herr der Lage zu werden, was bedeuten würde, dass die jetzige Welle einfach monatelang anhält. Das wollen wir natürlich nicht hoffen.
Naja, und die Medikamenten-Cocktails, die man da verabreicht sollen bekanntlich auch nicht das Gelbe vom Ei sein! Vor allem Remdesivir ist (angeblich?) ein Medikament gegen parasitaere Erkrankungen (vor allem Bei “Vieh”) und ob das so besonders gegen COVD19 wirkt, da habe ich meine Bedenken. Suga, der “ehrenwerte” Premier und seine Artgenossen werden sich wohl auch sagen: nach uns die Sintflut. Die Schuld am Versagen wird auf andere abgeschoben.
War das nicht Ivermectin? Wenn ich mich nicht irre, ist Remdesivir eigentlich für den Menschen (bei Hepatitis-C-Anzeige) gemacht…
Das “repurposing” von Medikamenten ist ja nicht neu und generell kein Problem, solange der Nutzen bei weitem den Schaden überwiegt, von daher habe ich damit kein Problem. Was Suga da jedoch abliefert (beziehungsweise eben nicht abliefert) grenzt schon stark an unterlassene Hilfeleistung.
Hallo,
das nicht mal die Bars geschlossen werden zeigt scho ein schwaches Bild der Regierung, denn da ist mit Sicherheit ein Hotspot . Vieleicht muss die Welle erst mal die obere Regierungsebene erreichen damit was passiert, hat in GB auch geklappt.
Die alten Herren sind ja nun alle schon geimpft – das mag die Untätigkeit erklären. Dass viele Bars jedoch immer noch geöffnet sind ist in der Tat eine seltsame Sache… auf mich wirkt das jeden Tag surreal.
Was mir in D sorgen macht, sind die geimpften Mitbürger, die systemlos, aber doch ansteckend, durch die Gegend rennen. Noch mehr sorgen machen mir die Patienten, denn die werden immer jünger. Auch wenn bis jetzt kaum, bzw. nur wenige schwere Fälle dabei sind, kann sich das nach Tagen/Wochen immer noch ändern. Schlimm sind die long Covid Patienten, die kommen turnusmäßig alle paar Wochen vorbei wenn nichts mehr geht. Ein Ende ist nicht abzusehen.
Die Sorglosigkeit einiger Zeitgenossen, die vorrangig zählenden wirtschaftlichen Interessen, oder keine lust zum Impfen, oder Impfgegnern und Co, sorgen wohl auch in Zukunft, dass das Virus so schnell nicht verschwindet.
Aktuell liegen wir in vielen LK bei über 100 in NRW, Tendenz steigend … zumindest ist eine aufkommende Langeweile auf der Intensiv nicht in Sicht.
Danke für den Einblick. Momentan werden ja in Japan noch alle gleich behandelt – egal ob geimpft, genesen oder Genossen. Einerseits vielleicht keine schlechte Idee, andererseits denke ich aber schon, dass man zum Beispiel beim Reisen und bei der Quarantäne usw. irgendwann mal unterscheiden sollte.
Die steigenden Zahlen bei den Jüngsten sind auch hier alarmierend. Eine Freundin meiner Tochter, 14 Jahre, hatte neulich Corona, und es war wohl reichlich heftig. Ich hoffe jedenfalls für Euch Mediziner + Krankenhauspersonal. dass es bald etwas ruhiger wird…