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Alle Pressevertreter in 15 Tage Einzelhaft – aber wer schützt hier eigentlich wen?

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Da die Olympischen Spiele in weniger als drei Wochen beginnen, schwirren nun die Beteiligten nach und nach ein – darunter tausende Vertreter der Presse. Doch die müssen sich bei der Einreise auf etwas gefasst machen. Denn egal ob man vollständig geimpft ist oder schon genesen, ob man ein Negativbescheid hat oder nicht – alle müssen erst einmal in ein von der Regierung zugewiesenes Hotel ziehen, und zwar für 15 Tage. Und das hat es sich: Die Zimmer sind oftmals gerade mal knapp 8 Quadratmeter gross, und sie dürfen unter keinen Umständen verlassen werden. Auch die Fenster kann man, aber das ist in japanischen Businesshotels so üblich, kaum öffnen. PCR-Tests, Essens- und andere Lieferungen werden an der Zimmertür erledigt, mittels Körbchen. Die Quarantäne ist somit so ziemlich das gleiche wie Isolationshaft – nur ohne Freigang.

Die Maßnahmen dienen ganz klar dazu, die Bevölkerung zu beschwichtigen, denn die hat ohnehin schon keine Lust auf die Spiele. Mit den strengen Quarantäneregeln soll dafür gesorgt werden, dass die Infektionszahlen nicht steigen. Das tun sie allerdings dennoch, und zwar ganz beachtlich. Seit fast drei Wochen in Folge gibt es mehr Neuinfektionen als in der Vorwoche – man liegt bei nunmehr rund 900 pro Tag allein Tokyo. Die Lage ist so bedenklich, dass die Regierung heute beschlossen hat, erneut den Ausnahmezustand in Tokyo auszurufen. Dieser wird am 12. Juli 2021 beginnen und soll am 22. August enden, womit den Menschen erneut die O-bon-Ferien vergällt werden, wie schon im letzten Jahr.

Da muss man sich unweigerlich fragen, wer wen vor wem schützt mit den Maßnahmen. Schützt man die Bevölkerung vor den ausländischen Gästen? Oder ist es eher andersrum? Wer diesen Artikel über die Quarantäneregeln bei der Tagesschau liest oder sich in diesen Thread bei Twitter vertieft erkennt eine Menge Frustration bei den Beteiligten.

Zu diesen Meldungen gesellen sich nun auch Nachrichten, dass das Impfprogramm heruntergefahren werden muss, da es – welch Überraschung – an Impfstoffen mangelt. Erst wurde das Impfprogramm, das große Unternehmen betriebsintern durchführen konnten, gestoppt. Nun heisst es, dass die Menge der den Kommunen versprochenen Impfdosen in den folgenden Wochen auf ein Drittel reduziert werden muss.

So viel steht fest: Die Olympischen Spiele werden viel Frust erzeugen – auf Seiten der Beteiligten, und bei den Japanern. Dass nun auch schon wieder der Ausnahmezustand ausgerufen wird, ist da beinahe schon Nebensache – schliesslich hatte ja das IOC schon vor Wochen bei einer Pressekonferenz betont, dass die Spiele selbst bei Ausnahmezustand stattfinden werden. Der Ausnahmezustand ist ohnehin nicht mehr als eine leere Worthülse – in Wahrheit ändert sich nämlich nichts. Weder die Regeln, noch das Verhalten der Menschen, noch die Fallzahlen. Es ist viel Wind um nichts.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

8 Kommentare

  1. Erstmal zum Impfen, vielleicht sollte sich Japan mal bei Deutschland was abschauen wenn Sie Impfdosen brauchen – so wie ich es verstanden habe bekommt Dtl. jetzt mehr Moderna als ursprünglich geplant, weil in den USA die Impfbereitschaft mittlerweile sehr niedrig ist. Habe ähnliches auch über einige östliche EU Länder wie Bulgarien gelesen, die versuchen Ihre Chargen zu verkaufen da die eigene Bevölkerung absolut Anti-Impfung ist…
    Wobei hierzulande die Impfbereitschaft ja auch zu sinken scheint, leider. Ich sehe persönlich schwarz für den Herbst.

    Zu den Quarantäne:
    Schwierig. Einerseits verstehe ich die Aufregung nicht, soweit ich das mitbekommen habe wurde diese Regel mit den 2 Wochen ja nicht erst vor kurzem “erfunden”/neu eingeführt, sondern bestand schon länger. In Korea ist das ja soweit ich weiß auch absolut üblich mit den 14 Tagen. Andererseits kann ich verstehen, dass es in so engen Zimmern unangenehm ist. Vor allem da es ja nicht mal geregeltes Essen gibt (kenne wie gesagt Berichte aus Südkorea, dort kann man sich einen einfachen Meal Service dazu buchen meistens).

    Zum ARD Bericht, ja, dass die Quarantäne Hotels nicht gerade praktisch für Journalisten sind stimmt. Ich finde da hätte sich sicherlich schon irgendwas machen lassen, damit diese wenigstens aus der Quarantäne besser arbeiten können, gerade bzgl der kleinen Tische und unbequemen Stühle.
    Das mit den Fenstern ist ärgerlich, aber das hätten die Journalisten mMn vorher herausfinden können. Ich vermute mal das hängt oft mit den Klimaanlagen zusammen oder…?

    Was Frau Linn in ihrem Artikel nicht schreibt, aber auf Instagram gepostet hatte (ganz offiziell auf dem ARD Studio Account, ist auch noch online), dass Sie und Kollegen sich “illegal” die Türen im Gang öffnen zum kurzen Quatschen (so habe ich es verstanden). Fand ich etwas befremdlich, vor allem da ja anscheinend keiner weiß was bei Regelverstößen passiert ‍♀️

    Was der Artikel ebenso nicht erwähnt ist das die ARD Delegation auch mitten in der Quarantäne umziehen durfte in eine andere Unterkunft mit größeren Zimmern/Appartements, auch auf Instagram geteilt. (Auch noch online)
    Hier kam mir das ganze aber auch ad absurdum vor, da anscheinend alle im selben Bus dorthin gefahren wurden. Das hat ja dann nichts mit Quarantäne zu tun, wenn man zwischendurch wieder mit anderen im Kontakt ist.

    • Da kommen momentan sehr widersprüchliche Informationen. Gestern wurde in den japanischen Nachrichten berichtet, dass die Quarantänezeit nun plötzlich nur 3 Tage beträgt – und während dieser Zeit konnte der Journalist sogar mit dem Fahrstuhl runterfahren zum… Frühstücksbuffet! Da scheint es momentan sehr grosse Diskrepanzen zu geben zwischen dem, was angekündigt wird, und dem, was gemacht wird. Hinzu kommen die üblichen Kommunikationsprobleme. Das wird sicherlich richtig chaotisch wenn erstmal alle da sind.

  2. Hallo,
    heute Morgen kam im Radio das die Spiele ohne Zuschauer stattfinden, keine Überraschung, allerdings hat wohl jemand vorher gesagt das es Zuschauer geben wird, daher war die Rede von Gesichtsverlust, naja im allgemeinen hat sich ja die Japanische Regierung in punkto Impfen und Spiele nicht grade mit Ruhm bekleckert.
    Ich habe gestern meine Dosis Johnson und Johnson bekommen, trotz meiner panischen Angst vor Spritzen ( deswegen auch dieser Impfstoff ) aber das unser Landkreis eine Impfaktion mit meinem bevorzugten Impfstoff, ohne Anmeldung gemacht hat, habe ich Panik und Fluchtreflex nieder gekämpft und es hinter mich gebracht.
    Auch weil ich nächstes Jahr gerne wieder, nach Japan, in Urlaub möchte, ich hoffe mal das, dass dann wieder möglich sein wird, gerade die Touristenzentren scheinen meinen Wunsch ja zu teilen

    • Frage mich trotzdem wie “ohne Zuschauer” umgesetzt werden soll bei den vielen Sachen, die draußen stattfinden. Sowas wie Marathon, Radrennen, Triathlon, Freischwimmen, Segeln, Vielseitigkeitsreiten…

      Eine Freundin von mir hat 2012 in der Nähe von London gelebt und zB die Radrennen gingen halt durch die Käffer, die Leute waren zu vielen jubelnd da. Klar, ich erwarte da in Japan jetzt keine Zehntausenden die dorthin pilgern, aber ich finde es utopisch das da einfach absolut NIEMAND zuschauen wird bei den Open Air Sachen. Kann cih mir nicht vorstellen wie man das kurzfristig umsetzen möchte.

      • Hallo,
        vielleicht werden die entsprechenden Sportarten einfach ausgelagert, der Ausnahmezustand gilt ja nur für Tokyo, und es hieß ja auch das bei Sportarten , etwa Fußball oder Baseball ( ist das überhaupt ne olympische Disziplin, sorry das geht mir alles 3m am Ar….., ihr wisst schon )die in Stadien ausserhalb von Tokyo gespielt werden, evt. Zuschauer erlaubt sind.
        Und Marathon, Radrennen etc. kann man ja überall machen, im gegenteil ist Tokyo für sowas eher ungeeignet, da es in den Häuserschluchten zur Zeit recht warm sein dürfte.

        • Das scheint eher unwahrscheinlich, zumal bereits die meisten Präfekturen mit Wettkampfstätten nachgezogen haben – auch ohne Ausnahmezustand. Da sich ja die Menschen frei bewegen können, ist das auch verständlich, da ja sonst die Menschen aus Tokyo ganz problemlos anreisen könnten.

      • Sicher, gänzlich wird man das nicht vermeiden können. Aber ich denke mal, dass es einen Unterschied macht, ob Zuschauer drinnen zusammengedrängt stehen oder draußen lose an der Strecke herumstehen.

    • Das Gesicht hat die Regierung momentan sowieso schon verloren. Viele der freiwilligen Helfer bei den Spielen sind noch nicht geimpft, und das Versprechen, alle Senioren bis Ende Juli vollständig geimpft zu haben, wird man auch verfehlen. Dass die Spiele nun aber ganz ohne Zuschauer stattfinden werden, wird eher begrüßt in Japan.

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