Als die Taliban im vergangenen Jahr völlig überraschend (wer hätte denn das bitte auch ahnen können) die Kontrolle über Afghanistan übernahmen, machte die japanische Botschaft das, was auch viele andere Botschaften machten: Sie bot den Angestellten und Helfern sowie deren Familien vor Ort an, nach Japan zu flüchten. Insgesamt waren dies 169 Afghanen. Laut Außenministerium erhielten 98 von ihnen das Bleiberecht als Flüchtling, doch 40% der geflohenen Afghanen haben Japan wieder verlassen – die meisten von ihnen Richtung Heimat, und das, obwohl die Zustände im Land alles andere als stabil sind – und von Verfolgungen derer, die für ausländische Regierungen arbeiteten, die Rede ist.
Dass Japan so vielen Afghanen den Flüchtlingsstatus zuerkannte ist schon mal bemerkenswert. Die Zahl mag sehr niedrig klingen, aber für Japan ist sie fast schon rekordverdächtig (mehr dazu siehe unter anderem hier). Die vorher in Afghanistan für die japanische Botschaft tätigen Menschen durften zudem auch in Japan weiter arbeiten, sprich, sie hatten eine finanzielle Basis. Kost und Logis wurden ebenso gestellt. Umso bemerkenswerter ist, dass nun 40% wieder abgereist sind, doch laut diesem Artikel1 ist das wohl kein Zufall. So wird berichtet, dass Vertreter der japanischen Regierung den Betroffenen deutlich machte, dass sie im August diesen Jahres ihre Stellen verlieren werden, und das ihr weiterer Aufenthalt mit den Familien diskutiert werden müsse. Gleichzeitig wurde den Afghanen angeboten, dass man ihre Heimflugtickets bezahlen und ihre Gehälter um 20% erhöhen würde, wenn sie Japan verlassen. Mit anderen Worten: Die japanische Regierung hat die Flüchtlinge elegant herauskomplimentiert.
In dem Artikel wird auch die japanische Version des Jobcenters, “Hello Work”, zitiert, nachdem man die Chancen der Afghanen, in Japan eine andere Beschäftigung zu finden, bei rund 1% veranschlagt – vor allem mangels japanischer Sprachkenntnisse. Japanische Behörden erklärten sich wohl in diesem Zusammenhang als nicht verantwortlich – die Afghanen hätten Japan freiwillig und aus persönlichen Gründen verlassen. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass man sie ja nicht ewig unterstützen könne.
Diese Entwicklung dürfte vor allem den ukrainischen Flüchtlingen Sorge bereiten – rund 1’800 von ihnen gibt es in Japan (und noch mal: für japanische Verhältnisse ist das eine exorbitant hohe Zahl). Vor allem der staatliche Sender NHK, aber auch andere Fernsehsender zeigen seit Monaten immer wieder gern, was alles für die Flüchtlinge getan wird – an welchen kulturellen Veranstaltungen sie teilnehmen durften und so weiter und so fort. Es wäre jedoch eine Illusion, zu glauben, dass man mit den Ukrainern anders umgehen wird als mit den Afghanen. Sollte sich die Lage in der Ukraine irgendwann halbwegs beruhigen, werden Vertreter der Regierung sicherlich subtil, aber deutlich auf Narita zeigen und sagen: Da ist die Tür.
- siehe hier