Sicher, es kommt nicht mehr so häufig vor wie in den 90ern — damals brauchte man nur “Konnichiwa” sagen, und schon wurde man in Japan über den grünen Klee für seine hervorragenden Sprachkenntnisse gelobt. Seitdem hat es sich durchaus etwas herumgesprochen, dass es tatsächlich Ausländer geben soll, die fließend Japanisch sprechen. Das liegt zum einen natürlich an der wachsenden Zahl der Ausländer in Japan, mehr allerdings jedoch an der Fernsehpräsenz diverser Ausländer, egal ob im Showgeschäft oder in Nachrichtensendungen. Was natürlich japanische Werbeagenturen noch immer nicht davon abhält, hilflos auf japanisch stammelnde Ausländer in ihren Werbespots einzusetzen.
Noch immer hört man jedoch von Japanern Sätze wie “Das muss doch furchtbar schwer gewesen sein, Japanisch zu lernen!” Die Aussage lässt sich durchaus beweisen… als ich damals einen Japanischkurs an der Uni belegte, zählten wir anfangs rund 20 Teilnehmer. Die Gruppe schmolz im ersten Jahr wie Schnee in der Sonne – nach einem guten Jahr waren nur noch 3 (in Worten: Drei!) übrig. Und dennoch: Die Aussage, Japanisch ist furchtbar schwer, kann man so pauschal nicht im Raum stehen lassen. Denn:
- Im Japanischen gibt es keine Artikel, weder bestimmt noch unbestimmt
- Man baut keine komplizierten Schachtelsätze
- Die Satzstruktur bleibt im Wesentlichen immer erhalten – Subjekt-Objekt-Verb. Selbst bei Fragen
- Es gibt keine grammatikalischen Fälle
- Es gibt keine Geschlechter
- Von überschaubaren Ausnahmen abgesehen gibt es keinen Plural
- Es gibt ganze 2 (!) wirklich unregelmäßige Verben (genauso viele regelmäßige Verben gibt es im Russischen. Kleiner Scherz am Rande)
- Es wird nicht so viel abgekürzt. Und es gibt keine Apostrophen.
- Substantive werden nicht dekliniert, ebensowenig Personalpronomen
- Abweichungen in der Aussprache sind vernachlässigbar – man spricht, wie man schreibt
- Es gibt keine Laute, die deutschen Muttersprachlern größere Sorgen bereiten
Die Liste ist nicht natürlich nicht vollständig. Aber allein die klare Satzstruktur und das Fehlen von Plural- und Geschlechtsformen, Deklinationen und, Artikeln und Fällen ist etwas, was das Erlernen der Sprache unglaublich vereinbart.
Eigentlich klingt das alles zu schön, um wahr zu sein. Natürlich gibt es aber auch ein paar Klippen, die umschifft werden müssen:
- Japanisch ist “agglutinierend”, es wird also alles hinten ans Verb geklebt – wie zum Beispiel bei “tabe-ru -> tabesaserareta” (essen -> “veranlasst worden sein, etwas zu essen”)
- Japanisch ist eine Silbensprache, aber wie im Beispiel 1) erkennbar, können lange Reihen ähnlicher Silben schnell einen Knoten in der Zunge verursachen
- Man lässt gern mal das Subjekt weg
- Es gibt furchtbar viele Homonyme (“hashi” kann Rand, Brücke und Stäbchen bedeuten, “suru” steht für machen, drucken, reiben, polieren etc)
- Die Verwendung der sogenannten Partikel, mit denen man im Japanischen das Verhältnis der Wortbestandteile miteinander klärt, ist nicht immer ganz klar
- An manche Sachen gewöhnt man sich nur schwer – so zum Beispiel die ganz klare Abgrenzung von “kommen” und “gehen”
- Es gibt kein Referenzwerk wie den Duden. Die einen sagen, das ist so richtig, die anderen so.
Auch diese Liste ist nicht vollständig. Hat man sich aber erstmal an die Satzstruktur und die Bedeutung der verschiedenen Verbendungen gewöhnt, hat man schon die halbe Miete. Leicht gesagt: Mit dem GeR (CEFR) ausgedrückt: Während man als Anfänger im Englischen, Französischen, Spanischen usw. ziemlich schnell auf A2 und dann B1 aufsteigt und somit schnell einen Fortschritt spürt, krepelt der Durchschnitt beim Japanischlernen quälend lang bei A1 herum.
Was jedoch die meisten dann wirklich in den Wahnsinn treibt, ist die japanische Schrift. Was man im Japanischen bei der Grammatik einspart, bekommt man doppelt mit der Schrift zurück. Ist das im Chinesischen nicht das Gleiche? Eben nicht. Sicher, im Chinesischen muss man mehr Schriftzeichen beherrschen (rund 3’500) als im Japanischen (rund 2’000), doch man mischt die Schriftzeichen kunterbunt mit gleich zwei verschiedenen, eigenen Alphabeten mit jeweils 46 Zeichen, und lateinischen Buchstaben. Das ist ziemlich einmalig in der Welt. Das Hauptproblem liegt jedoch in der Lesung: Für chinesischen Schriftzeichen gibt es fast immer nur eine Lesung, und selbst wenn man mal ein Zeichen nicht kennt, kann man sich die Lesung (sowie teilweise sogar die Bedeutung) ableiten. Im Japanischen gibt es bei mindestens jedem zweiten Schriftzeichen gleich mehrere Lesungen, die zudem völlig unterschiedlich sind. Und: Selbst für Muttersprachler ist nicht immer klar, welche Lesung gerade die richtige ist. Und: Je nachdem, wann das Schriftzeichen von China importiert wird, weicht die Lesung vom öffentlichen Schema ab.
Immerhin gibt es heute wesentlich mehr Lernmittel als in den 90ern – damals gab es keine Lehrbücher auf Deutsch, heute gibt es davon haufenweise. vom Internet und Apps ganz zu schweigen. Ob die die Lernzeit wesentlich verkürzen, weiss ich nicht – theoretisch aber schon, da man auf mehr Material und Übungen, selbst wenn man nur mal kurze 5 Minuten Zeit hat, zurückgreifen kann.
In diesem Sinne: Japanisch ist im Vergleich zu vielen anderen Sprachen erstaunlich einfach. Wenn man das Lesen und Schreiben außen vor läßt…
Mehr zum Thema Japanisch gibt es hier.
Ich finde, das Hauptproblem bei Japanisch (wie auch bei Chinesisch) ist vor allem das komplett unterschiedliche Vokabular, wie auch einfach der „Klang“ der Wörter.
Englische oder französische Wörter lassen sich meiner Ansicht nach recht einfach lernen, weil der Aufbau eines Wortes dem Deutschen recht ähnlich ist (selbst wenn es nicht sowieso im Endeffekt die gleichen Wörter mit der gleichen Etymologie sind).
Das ist insbesondere bei den sinojapanischen Wörtern halt anders, so dass sie (für mich) wesentlich schwieriger zu lernen sind.
Deswegen ist auch gefühlt Chinesisch noch ein Stück schwieriger.
Zumal kommt auch einfach noch der unterschiedliche Aufbau der japanischen Sätze. Klar, theoretisch kann man die Grammatik irgendwann, aber das ist dann ja immer noch was anderes, als einen natürlich klingenden Satz zu sagen.
Viele Dank für die Motivation! Den Schubs brauchte ich gerade.
Ja, grammatikalisch gesehen ist japanisch vermutlich nicht die schwierigste Sprache. Aber ich habe schnell bemerkt, dass ohne das systematische Lernen der Kanji bei mir kein richtiger Fortschritt zu erwarten ist. Das sieht dann alles gleich aus! Deshalb lerne ich jetzt die Bedeutung von 2200 Kanji, um dann weiter Grammatik und Wörter und Lesungen zu lernen. Ich muss sagen: das ist schon echt eine krasse Lernleistungen, wenigstens für mich. Aber dank guter App und systematischer Aufbereitung der Kanji geht es. Ich habe aber auch keine Eile und kann mir Zeit lassen. Schaffe ich nicht jeden Tag 20 Stück plus Wiederholung ist es auch ok. Dauert halt alles länger.
Also, vielen Dank für deine Worte!
Irgendwann wird es leichter. Ich glaube fest daran. :)
Den Kommentar bekomme ich auch immer wieder. “Aber Japanisch ist doch so schwer!!” Langsam glaube ich ja, dass die Japaner dieses Gefühl brauchen, eine sehr schwierige Sprache zu sprechen, die nur jemand mit echtem Yamato-Blut je richtig beherrschen können wird.
Japanisch hat, finde ich, eine ganz nette Schwierigkeitskurve. Wo du im Deutschen wirklich viel mit Grammatik rumrätseln musst um einen relativ kurzen Satz zu schreiben (“Sie gab ihm einen Keks.”) ist das im Japanischen viel einfacher und durch die Regelmäßigkeit auch leichter abwandelbar.
Was mir immer wieder mal Probleme bereitet: Transitive und intransitive Verben. ドアが開く vs. ドアを開ける fällt mir da spontan ein, obwohl ich es da hinbekomme. ;)
Das stimmt wohl. Die Frustration im Japanischen setzt halt einfach später ein ;-)
Man kann schnell Sätze bilden und sprechen. Aber die Lernkurve ebbt bald ab, wenn man versucht, all die Homphone und ähnlichen Zeichen auseinanderzuhalten. Auch über Untertitel lerne ich nichts, da die Wortstellung zwar immer gleich sein mag, aber halt völlig entgegen dem Deutschen und Englischen.
Die künstlich eingebauten Schwierigkeiten über die verschiedenen Endungen, die ein Verb bekommen kann tun da ihr Übriges.
Wer Deutsch lernt, muss anfangs viel pauken und braucht Durchhaltevermögen. Dafür kann man nach einem Jahr eine Vielzahl von Gesprächen führen. Nach 2,5 Jahren gutem und regelmäßigem Japanisch-Unterricht konnte ich weiterhin nur einfache Konversation führen, auch wenn ich die gesamte Grammatik kannte. Einen Zeitungsartikel kann ich bis heute nicht lesen. Vielleicht lag es daran, dass meine Dozentinnen Japanerinnen waren (theorielastig)
“suru” steht für machen, drucken, reiben, polieren etc
Verschlumpft noch mal ;)
Hm… was sagen die Schlümpfe eigentlich in Japan??
Die Schriftzeichen (und ihre Aussprache) sind, vor allem “aus der Ferne”, ohne täglichen Kontakt, echt ein Mordsbrocken und wohl die größte Hürde. Gerade für Leute wie mich, die für optische Sachen (und Namen/Aussprachen) kein gutes Gedächtnis haben.
In solchen Fällen würde ich echt die Geschichtenmethode wie bei Heisig empfehlen, auch wenn das noch mehr ist am Anfang.
@LennStar
Ja, ich mache das nach der Heisigmethode und einem guten Karteikartensystem einer App. Ich finde es echt ein harter Brocken aber ich habe es nicht eilig. Ich muss mich da in Geduld üben…
in Japan mit mehr Praxis täglich wäre es bestimmt einfacher. Aber geht halt momentan nicht …
8. Wenig? マクド, スマホ,mein Lieblingswort ハロパ
10. Aussprache, huch da hab ich aber Probleme, manche sind da sehr penibel und ich krieg das nicht hin (ジ、チ、ヂ)Für mich auch das Deutsche S, ich hör da keinen Unterschied, Japaner schon (???)
+
Aber Schreiben mit der Hand braucht man heutzutage so gut wie nicht mehr und ich habs fast vergessen, aber viele Japaner halt auch ……
7 Kojien (広辞苑)entspricht dem Duden würd ich mal behaupten.
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Gleich wie im Deutschen (Nomen+Nomen+Nomen+etc) kann man auf japanisch wunderbar Kanji verbinden, die letztendlich einen Sinn ergeben, aber die natürlich in keinem Wörterbuch stehen und selbst bei Google dann 2 Hits haben ,eben bei dem, der sich das Schlangenwort ausgedacht hat.
„4. Es gibt keine grammatikalischen Fälle.“
„5. Es gibt keine Geschlechter.“
„6. Von überschaubaren Ausnahmen abgesehen gibt es keinen Plural.“
„9. Substantive werden nicht dekliniert, ebensowenig Personalpronomen.“
Stimmt nicht ganz bzw. ist etwas doppelt gemoppelt. Damit es Kasus, Genus und Numerus im grammatikalischen Sinne geben kann, ist es schon notwendig, dass Substantive überhaupt flektiert werden. Da dies im Japanischen, wie Sie richtig beschrieben haben, nicht geschieht, sind die anderen drei Punkte überflüssig bzw. es hätte gereicht, sie mit unter den Punkt der fehlenden Deklination von Substantiven zu fassen.
Ansonsten: Ja, die Kanji sind ein ziemlicher Brocken, aber andererseits wiederum, kann man, sobald man ein bisschen das System verstanden hat, sich dank der jeweiligen Bedeutungen einzelner Kanji und Radikale wunderbare Eselsbrücken bilden, mit denen es sich viel leichter lernt. „Frauen (女) und Kinder (子) mag/liebt (好) man(n).“; „Im Herbst (秋) kommt Stroh (vom Getreide 禾) ins Feuer (火).“; „Blumen (花) aus Feuer (火) sind Feuerwerk (花火).“ „Die Zukunft (未来) ist noch nicht (未) gekommen (来).“ usw.
Der m.E. wesentlich größere Fallstrick (bzw. der zweite große neben den Kanji), der im Beitrag gar nicht genannt wurde, ist die Höflichkeitssprache, die weit komplexer ist als die Unterschiede im Deutschen zwischen Du und Sie in Grammatik und Wortwahl. Es beginnt im Lehrbuch üblicherweise mit den unterschiedlichen Bezeichnungen für eigene und fremde Familienmitglieder, bald lernt man, dass es neben さん noch diverse andere Anredesuffixe gibt für Fälle, in denen ein さん zu förmlich oder aber nicht höflich genug wäre, und am Ende steht ein System mit völlig unterschiedlichen Nomen, Verben und Verbformen für die jeweils gleiche Bedeutung, das so komplex ist, dass selbst junge Japaner die korrekte Anwendung oft erst im Berufsleben vollständig erlernen.