Name des Gipfels: | 鳥海山 Chōkaisan |
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Gipfelhöhe: | 2’236 Meter |
Schwierigkeitsgrad: | |
Erforderliche Kondition: | |
Besteigungsdauer: | Zwei Tage |
Vulkanstatus¹: | B (relativ aktiver Vulkan) |
Koordinaten: | 39゜05’57.30″N 39゜05’57.30″O |
Lage: | 出羽山地 Dewa-Berge |
Präfektur: | 秋田県 山形県 Akita / Yamagata |
Naturschutzgebiet: | 鳥海国定公園 Chōkai-Quasi-Nationalpark |
Sonstige Anmerkungen: | Höchster Gipfel der Präfektur Yamagata. |
¹ Vulkane werden wie folgt eingestuft:
A – Sehr aktiv, letzter Ausbruch liegt weniger als 100 Jahre zurück
B – Aktiv, letzter Ausbruch liegt mehr als 100 Jahre zurück
C – Weniger aktiv, letzter Ausbruch liegt mehr als 1’000 Jahre zurück
D – Dormant, letzter Ausbruch liegt mehr als 10’000 Jahre zurück
E – Erloschen, letzter Ausbruch liegt mehr als 100’000 Jahre zurück
Der 鳥海山 Chōkaisan (wörtlich: Vogel-meer-Berg) liegt auf der Grenze der Präfekturen Akita und Yamagata und ist der zweithöchste Gipfel der Tōhoku-Region. Aufgrund seiner Form wird er von manchen 出羽の冨士 (Der Fuji von Dewa) oder auch 秋田富士 Akita-Fuji genannt, wobei die Form weniger markant als die des Fuji ist. Der Chōkaisan ist ein sogenannter “Ultraberg”, da er mehr die Umgebung mehr als 1’500 Meter überragt (auf der ganzen Welt gibt es gut 1’500 “Ultraberge”.
Mit dem Bus oder Auto kommt man bis auf rund 1’100 Meter Höhe – das ist also die 5-gōme (1 = Bergfuss, 10 = Gipfel). Dort gibt es auch eine Berghütte, ein “素泊まり” (sudomari, also nur Logis) für 1’800 Yen pro Nacht. Futons und Decken kann man sich ausleihen (kostet extra), und eine kleine Gemeinschaftsküche gibt es auch. Der Hauswart der 鉾立山荘 Hokodate Berghütte, ein älterer Mann, ist furchtbar nett und natürlich bestens über den Berg informiert. Der Berg ist übrigens deshalb interessant, weil er direkt an der Küste zum Japanischen Meer steht, die Höhe entspricht also der Prominenz, und da der oben erwähnte Hiuchigatake weit weg liegt, gibt es weit und breit keine höheren Gipfel. Da der massive Berg aber ziemlich allein an der Küste steht, ist das Wetter dort besonders unberechenbar und der Wind an den meisten Tagen extrem stark. Ausserdem fällt in der Gegend so viel Schnee, dass der Chokaisan trotz der heißen Sommer nie völlig schneefrei ist. Der Monat mit den wenigsten Schneeresten ist natürlich der Oktober – die Zeit vor dem Einsetzen der ersten Schneefälle Ende Oktober / Anfang November. In einem Tal oberhalb des Gipfels sammeln sich in einem Winter bis zu 45 m (!) Schnee an. Da es von Ende Oktober bis Mitte April zu gefährlich ist, bleiben in dieser Zeit die Zufahrtsstrassen und Berghütten geschlossen.
Es gibt mehrere Routen auf den Gipfel, doch eine der beliebtesten, wenn auch nicht die kürzeste Route, ist die von besagter Hokodate-Hütte. Diese Route wird 象潟口ルート Kisakata-guchi-Route genannt. Aufgrund der starken Winde und der großen Niederschlagsmengen sind die Bäume bereits ab der Höhe oft nur hüfthoch, weshalb man von dort nachts wunderschön die Lichter der nahe gelegenen Städte wie Sakata oder Kisakata sehen kann. Als Richtlinie gilt, dass man auf der Hokodate-Route insgesamt 9 Stunden für Auf- und Abstieg benötigt. Vorneweg: Diese Zeit ist großzügig bemessen – trotz etlicher Pausen war ich nach sechs Stunden durch, aber das war im Oktober und entsprechend schön kühl – in der Sommerhitze dürften sechs Stunden schwer sein. Meinen Aufstieg habe ich kurz vor sechs Uhr morgen, kurz vor Sonnenaufgang begonnen. Der Weg beginnt hinter dem Parkplatz, und dort steht eine kleine Hütte, in der man das übliche Formular “登山届け tozan-todoke” ausfüllen kann bzw. sollte, für den Fall, dass etwas passiert. Nach nur wenigen Metern gelangt man zu einer ersten Aussichtsplattform sowie zu einer von TDK gebauten, kleinen Berghütte. Da der Baumwuchs schon in dieser Höhe ziemlich niedrig ist, hat man von Anfang an herrliche Aussichten zum geniessen. Es geht zuerst gemächlich los – man läuft zwar permanent nach oben, aber steile Anstiege gibt es noch nicht, so dass man schnell und ohne Mühe 6-gōme, Station 6/10, erreicht. Auf halbem Weg dorthin überquert man übrigens die Präfekturgrenze von Akita nach Yamagata.
Der Wanderweg ist in diesem Bereich gut ausgebaut und man wähnt sich fast wie auf einer alten, römischen Strasse in den Rhodopen oder sonstwo. Überall fliesst Wasser, und es ist schön grün, gesprenkelt mit Bergblumen und großen Felsbrocken. Von diesem Abschnitt aus kann man den Gipfel nicht (mehr) sehen – stattdessen baut sich langsam ein kleiner Bergrücken auf: Dort muss man nun hoch, denn dort oben steht eine kleine Berghütte namens 御浜小屋 Ohama-Koya (Koya = Hütte) – das ist 7-gōme, Station 7/10, und es wird ein bisschen steiler. In der Hütte kann man auch übernachten, aber man sollte sich vorab informieren. Hier können bis zu 50 Leute übernachten, aber die Unterkunft ist nur von Anfang Juli bis Mitte September geöffnet. Man muss im voraus (telefonisch) reservieren.
Hat man die Hütte hinter sich gelassen, ändert sich die Landschaft dramatisch. Es wird alpin, und man überquert eine kleine, relativ ungeschützte Hochebene. Rechterhand und ziemlich unterhalb sieht man einen kleinen, runden See – und in Marschrichtung erscheint bald der eigentliche Gipfel. Doch erst einmal geht es eine ganze Weile abwärts, einen sehr gepflegten Wanderweg entlang, auf einen kleinen Sattel. Hier ist der richtige Ort, sich zu entscheiden, welche der beiden Routen man wählen möchte, denn ein paar hundert Meter weiter oben, der Anstieg wird nun steiler, ist man am 七五三掛 shimekake, und dort spaltet sich die Route in den 外輪コース Gairin Course (Außenrandkurs) und den 千蛇谷コース Senjadani Course (das “Tal der 1000 Schlangen) auf. Ist der Wind auf dem Sattel ziemlich kräftig, sollte man es sich gut überlegen, ob man den Gairin-Kurs einschlägt, denn dort läuft man quasi immer auf dem Kraterrand entlang nach oben und ist dem Wind ausgeliefert. Bei wenig Wind empfiehlt es sich natürlich, den einen Weg hin und den anderen Weg zurückzulaufen, der Abwechslung wegen.
Der Gairin-Kurs gilt als anspruchsvoller. Man läuft ununterbrochen nach oben, und an zwei, drei Stellen braucht man Leitern. Der Pfad als solcher ist aber gut in Schuss. An zwei, drei Stellen gab es Abbrüche, aber diese Stellen sind gut gesichert beziehungsweise markiert. Der Bewuchs ist durchweg maximal hüfthoch, so dass man pausenlos die Aussicht geniessen kann. Linkerhand befindet sich dabei, hinter einem tiefen Tal, der Hauptgipfel; rechterhand geht es einfach nur steil bergab. Wenn man mit normalen Hosen unterwegs ist und es kurz vorher geregnet hat, könnte es allerdings etwas unangenehm werden – der Pfad ist so eng, dass man auf jeden Fall mit den Beinen das Wasser von den Büschen einsammelt und bald klitschnass ist. Wie bereits erwähnt ist der Wind das Hauptproblem. Der Gipfel des Chokaisan im allgemeinen und der Kraterrand im Speziellen liegen genau auf der Klimascheide zwischen Japanischem Meer und Pazifik – geringe Temperaturunterschiede über beiden Wassermassen reichen aus, um den Wind in Sturmstärke blasen zu lassen, und dann wird es auf dem Kraterrand mühsam bis gefährlich.
Der Anstieg auf dem Kraterrandweg ist nur anfangs ziemlich steil – nach einer Weile geht es gemächlicher weiter. Bald trifft man auf eine Kreuzung – linkerhand geht es erst ins Tal hinunter, geradeaus geht es weiter zum 七高山 Shichikōsan, der mit seinen 2’229 Metern gerade mal sieben Meter kleiner ist als die höchste Erhebung am Krater. Von hier aus betrachtet sieht der grösste Gipfel gegenüber einfach nur nach einem willkürlich zusammengehäuften Felstrümmerhaufen aus (und das ist er letztendlich auch). Vom Shichikōsan kann man zwei verschiedene Routen Richtung Tal antreten – die Route zum 矢島口 Yashima-guchi (4,4 Kilometer, rund 1’000 Höhenmeter, älteste Route, mit zahlreichen Schneefeldern) und die zum 猿倉口 Sarukuchi-guchi (weniger bekannt und etwas weiter entfernt als Yashima-Guchi).
Um zum “eigentlichen” Gipfel, also dem höchsten Punkt auf dem Chokaisan, zu gelangen, muss man vom Shichikosan rund 200 Meter zurücklaufen und dann rechts herunter in ein kleines Tal hinunter. Der Weg besteht hier aus riesengroßen Gesteinsbrocken und ist deshalb ein bisschen mit Klettern verbunden. Im Tal findet man dann sogar ein Eisfeld — die Miniaturausgabe eines Gletschers. Das Eis ist immer dort – und im Oktober, kurz vor dem Einsetzen der ersten Schneefälle – ist der Minigletscher naturgemäss am kleinsten.
Nach dem Abstieg geht es natürlich wieder hoch — linkerhand sieht man dann schon eine Ansammlung provisorischer Gebäude beziehungsweise Hütten – die 山頂御室小屋 Sanchō Omuro-Koya (Gipfel-Omuro-Hütte), in der bis zu 200 (!) Menschen nächtigen können. Diese Hütte hat ebenfalls von Anfang Juli bis Mitte September geöffnet, und auch hier muss man im Voraus reservieren. Direkt neben den Hütten steht der kleine 鳥海山大物忌神社 Chōkaisan-Ōmonoimi-Schrein. Die Telefonnummer zum Reservieren ist 0234-77-2301.
Von der Hütte bis zum Gipfel sind es nur noch rund 20 Minuten, aber hier geht es zur Sache – man kraxelt auf riesigen Felsbrocken nach oben. Auf halbem Wege gibt es eine Art Minihöhle mit einem winzigen Schrein drin: In diese Minihöhle muss man hinein und am Schrein vorbei auf der anderen Seite wieder rausklettern. Ansonsten ist der Weg durchweg mit weißen Pfeilen markiert, so dass man nicht lange herumirren muss.
Der Gipfelpunkt, der 新山山頂 Shinsan-Sanchō (“Neuer Gipfel”) ist gut markiert – mit Schriftzeichen und der Höhenangabe. Selbstverständlich ist die Aussicht von dort atemberaubend, so man nicht in plötzlich aufziehende Wolken gerät.
Die Senjadani-Route, die am Schrein beginnt, ist etwas unspektakulärer, dafür aber windgeschützter. Man legt auf der Route jedoch auch ein paar mehr Höhenmeter zurück, da es hier bergauf und bergab geht.
Fazit: Der Chōkaisan ist, zumindest auf der Kisakata-guchi-Route, relativ leicht an einem Tag zu schaffen – zumindest im Oktober, wenn es schon kalt und die Besucher spürbar weniger werden (als ich im Oktober den Berg bestieg, traf ich auf dem ganzen Weg hin und zurück maximal 40 andere Wanderer – verteilt auf 6 Stunden). Im Sommer sollen aber gelegentlich sehr viele Leute unterwegs sein, so dass man zumindest in Gipfelnähe manchmal auch etwas warten muss.
Faszinierend an dem Berg ist die Natur und die Aussicht. An klaren Tagen kann man von oben nicht nur das Japanische Meer, sondern sogar bis zum Pazifik sehen. Auch die Insel Sado ist dann in Sichtweite. Für Geologen und Botaniker ist der Berg ebenfalls etwas ganz Besonderes – es gibt zahlreiche faszinierende Gesteinsformationen (zumeist vulkanischen Ursprungs) und etliche endemische Pflanzenarten.
Im Gegensatz zu vielen anderen Bergen der Region sind Bären keine grosse Gefahr – mangels Unterholz – aber das Wetter am Berg ist gerade hier oft unberechenbar, so dass man sich ganz plötzlich in Wolken wiederfindet – japanische Bergwanderer nennen dies ガスに当たる – gasu ni ataru (“auf Gas treffen”). Das ist gerade beim Chokaisan durchaus ein Risiko, denn es gibt kaum Vegetation – man kann sich deshalb sehr schnell verlaufen.