Morioka. Zu deutsch “gedeihen – Hügel”. “Mori” wurde früher mit dem Zeichen für “Wald” geschrieben. Das wurde später in das Zeichen für “gedeihen” umgewandelt – in der Hoffnung, die Stadt würde gedeihen.
Im Zentrum der Präfektur Iwate, im 北上盆地 Kitakami-Tal. Im Zentrum treffen sich drei Flüsse, wobei der Kitakami-Fluss dominiert. Gut 20 km nördlich befindet sich der aktive Vulkan Iwate-san.
Die Burgruine. Die alte Bank. Die Gegend.
Morioka – Beschreibung
Morioka ist Hauptstadt der Präfektur Iwate und gleichzeitig die grösste Stadt in der näheren Umgebung. Die Stadt selbst hat knapp 300’000 Einwohner – Tendenz leicht rückläufig. Morioka spielt als Verkehrsknotenpunkt eine wichtige Rolle in der Präfektur, denn hier treffen sich mehrere Bahnlinien, und die Stadt ist bequem innerhalb von 2½ Stunden mit dem Shinkansen von Tokyo aus erreichbar.
Wie so viele Städte in der Provinz entstand Morioka im Schatten einer Burg. Die erste Burg entstand bereits Anfang des 9. Jahrhunderts und wurde 志波城 Shiwanoki (Shiwa-Burg) genannt. Die Burg wurde an strategisch günstiger Stelle gebaut – am Zusammenfluss von 北上川 Kitakami-gawa und 雫石川 Shizukuishi-gawa.
Das Stadtbild von Morioka wird vom 2’038 Meter hohen Vulkan 岩手山 Iwate-san dominiert – so er sich nicht unter Wolken versteckt. Der Iwate ist ein aktiver Vulkan. Zwar fand der letzte, kleinere Ausbruch bereits 1919 und der letzte grosse Ausbruch 1731 statt, aber seit 2007 herrscht am Iwate-san Alarmstufe 1 (höchste Stufe: 5), da wieder vermehrt vulkanische Aktivität stattfindet. Der Berg ist relativ leicht begehbar, wobei jedoch manchmal der Zugang zum Gipfel aufgrund vulkanischer Aktivität gesperrt wird. Der Iwate-san ist übrigens einer der 日本百名山 – Japans berühmteste 100 Berge – im überaus bergreichen Japan durchaus eine Ehre.
Wie die meisten Präfekturhauptstädte ist das heutige Morioka sehr modern und wenig aufregend. Läuft man vom Hauptbahnhof der Stadt Richtung Zentrum, kommt man nach wenigen hundert Metern zur 開運橋 Kaiun-Brücke, einer kleinen aber für japanische Verhältnisse auffälligen Brücke über den Kitakami-Fluss. Läuft man von dort noch einmal gute 15 Minuten Richtung Osten, gelangt man zum grossen 盛岡城跡公園 Morioka-Burgruinenpark.
Von der Burg von Morioka steht dieser Tage ausser den Mauern so gut wie gar nichts mehr – wie so viele Festen in Japan wurde auch diese Burg 1871 mit Abschaffung der Han (ehemalige Gebietseinheiten) und Errichtung der Präfekturen geschliffen. Was bleibt, ist ein schöner Park mit vielen Bäumen, einen schönen Ausblick auf Stadt und Umgebung und die dicken Aussenmauern der verschiedene Burgbereiche. Dort, wo einst der Donjon (zum Aufbau japanischer Burgen siehe hier) stand, befindet sich heute nur noch ein Sockel. Auf dem stand einst ein Reiterdenkmal, aber selbst das gibt es heute nicht mehr: Das Metall wurde einst eingeschmolzen, da es für einen Krieg gebraucht wurde.
Heute dient der Park der Erholung – ausserdem finden im Parkbereich auch diverse Veranstaltungen statt. Unterhalb des Parks findet man zudem kleine Teiche sowie das durchaus sehenswerte 盛岡史料館 Museum für Stadtgeschichte. Der Eintritt in das Erdgeschoß ist frei (dort kann man etliches über örtliche Feste sehen); Eintritt in das Stadtmuseum im 2. Stock kostet 300 Yen.
Ein paar hundert Meter nördlich des Burgparks befinden sich zahlreiche Präfekturverwaltungsgebäude – darunter das grosse Gerichtsgebäude. Vor jenem steht der 石割桜 ishiwarizakura – der felsspaltende Kirschbaum. Der sieht in der Tat interessant aus: Der Kirschbaum stammt wahrscheinlich aus der Zeit um 1650 und wächst direkt aus einem grossen Granitblock heraus. So sieht es zumindest aus. Zahlreiche Legenden ranken sich um den Baum – so soll der Felsen einst durch Blitzschlag gespalten worden und später Baumsamen hineingefallen sein. Der Kirschbaum überlebte sogar einen Großbrand vor rund 80 Jahren. Heute ist der Baum Naturdenkmal und sieht natürlich besonders während der Kirschblüte Anfang/Mitte Mai sehr eindrucksvoll aus.
Zwischen Präfekturamt und Gerichtsgebäude einerseits und dem Burgpark andererseits liegt die interessante 内丸 Uchimaru Burginnenhofstadt. Die ist von drei Seiten von dem Burggraben umgeben. Auf der burgzugewandten, vierten Seite befindet sich der 櫻山神社 Sakurayama-Schrein. Das kleine Viertel ist aufgrund seiner alten Struktur interessant: Hier drängen sich zahlreiche winzige Häuser aneinander, wobei viele von ihnen Restaurants, Bars und Kneipen beherbergen. Dies ist quasi das alte Amüsierviertel der Stadt und konnte einen gewissen Flair bewahren, ohne dass dies besonders hervorgehoben wird. Dieses kleine Viertel ist keine Sehenswürdigkeit als solche – aber persönlich empfand ich diesen Flecken als eine Art Besonderheit von Morioka.
Östlich des Burgparks fliesst der kleine 中津川 Nakatsu-gawa gemächlich durch die Stadt. Vom Park aus gesehen auf der anderen Seite des Flusses steht ein altes, schönes Backsteingebäude. Da Backsteingebäude in Japan selten sind, fällt das Bauwerk sofort auf. Das dreistöckige Gebäude wurde 1911 fertiggestellt und ist kennzeichnend für jene Zeit, in der es Mode war, nach westlichem Vorbild zu bauen. Das Haus wurde damals von der Morioka-Bank gebaut. Heute beherbergt der Bau eine Filiale der 岩手銀行 Iwate-Bank. Ein Blick in die Schalterhalle lohnt sich ebenfalls (auch wenn es für Mitteleuropäer sicher kein unvertrauter Anblick ist).
Hinter der Bankfiliale verbergen sich ein paar der altehrwürdigen Soba-Restaurants der Stadt. Soba – das sind Buchweizennudeln, die in Japan sowohl heiss als auch kalt gegessen werden. Iwate ist dabei für ein Gericht namens わんこそば Wanko-Soba bekannt. “Wanko” sind kleine, lackierte Schälchen. Die Idee: Soba-Nudeln werden in winzigen Portionen in kleinen Schälchen gereicht. Kaum ist das Schälchen geleert, wird nachgereicht – ein regelrechter Wettbewerb zwischen dem Nudelesser und der Bedienung. Normalerweise gibt es beim Wanko-Soba-Essen ein Zeitlimit von 5 bis 15 Minuten. Der Rekord liegt wohl bei guten 500 Schälchen. In dem kleinen Viertel hinter oben erwähnter Bankfiliale befindet sich zum Beispiel das Soba-Restaurant 東屋 Azuma-ya. Dort kann man für 3’500 Yen ein Wanko-Soba-Gelage abhalten. Man kann aber auch ganz gepflegt einfach nur eine normal grosse Schale Soba essen (zwischen 700 und 1’000 Yen). Azuma-ya kann ich dabei nur empfehlen – die Soba mit Entenfleisch waren ganz vorzüglich.
Fazit: Morioka ist keine spektakuläre Stadt, aber durchaus einen Abstecher wert – zumal die Stadt wunderbar als Sprungbrett zu zahlreichen interessanten Orten in der Umgebung dienen kann.
Anreise
Morioka liegt an der 東北新幹線 Tōhoku-Shinkansen Linie und ist damit sehr gut erreichbar. Der schnellste Shinkansen von Tokyo (genannt “Hayate”) braucht knappe 2½ Stunden nach Morioka, die einfache Fahrt kostet 13’840 Yen. Der gleiche Shinkansen fährt schliesslich weiter nach Aomori (49 Minuten, 5’970 Yen). Bis zur nächstgrösseren Stadt, Sendai, fährt man ebenfalls am besten mit dem Shinkansen Richtung Tokyo. Die Fahrt nach Sendai kostet dann 6’290 Yen und dauert knapp 45 Minuten. Mit einem normalen Zug dauert die gleiche Fahrt gute 3 Stunden und kostet 3’260 Yen.
Von Morioka aus kann man ebenfalls bequem mit dem Shinkansen an die Westküste gelangen. Der こまち新幹線 Komachi-Shinkansen fährt in gut 1½ Stunden von Morioka bis nach Akita. Die einfache Fahrt kostet 4’500 Yen (mit normalen Zügen braucht man dafür gute 3½ Stunden, die Fahrkarte kostet dann 2’210 Yen).
In Morioka beginnt die 山田線 Yamada-Linie, welche die Stadt mit der Küste im Osten verbindet. Der Zug fährt von Morioka über Miyako (2 Stunden, 1’890 Yen) bis nach Kamaishi. Allerdings wurde die Strecke zwischen Miyako und Kamaishi durch den Tsunami am 11. März 2011 schwer beschädigt und dürfte über mehrere Jahre hinweg nicht passierbar sein. Züge bis Miyako fahren hingegen (Stand: Dezember 2011). Die Strecke zwischen Morioka und Miyako ist landschaftlich wunderschön. Achtung: Es fahren nur sehr wenige Züge am Tag. Die Strecke gehört zum JR-Netz und kann damit mit dem Railpass benutzt werden.
Übernachtung
Etwas südlich des Bahnhofs und Zentrums, von beiden ca. 15 Minuten zu Fuss entfernt, liegt das 熊ヶ井旅館 Kumagai-Ryokan – etwas versteckt in einem kleinen Wohnviertel. Die Zimmer sind schlicht eingerichtet und typisch für ein Ryokan (Tatami, Futonbetten). Eine einfache Übernachtung dort ist mit 4,000 Yen für ein Einzelzimmer relativ preisgünstig. Zudem ist die Familie, die das Ryokan betreibt, sehr nett. Der Clou bei diesem Ryokan ist jedoch die 熊ヶ井旅館食堂 Kumagai Ryokan Gaststätte im Erdgeschoss. Dort gibt es herzhafte Küche aus der Region und zahlreiche Sake-Arten. Das einfachste “Omakase”-Menü (omakase = überlassen) bestand aus fünf kleineren Speisen mit viel gesundem Gemüse, einem Fisch- und einem Fleischgericht. Das ganze ist sättigend, schmeckt ausgezeichnet und kostet gerade mal 1,050 Yen. Auf jeden Fall empfehlenswert! Man kann dort auch einkehren, ohne zu übernachten. Die Adresse: 岩手県盛岡市大沢川原3-2-6 (Iwate-ken Morioka-shi Ōzawa-Kawara 3-2-6, Telefon: 019-651-3020. Webseite (mit englischer Version sogar): kumagairyokan.com.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.