椎葉 Shiiba
Name:
Shiiba. “Shii” ist der Name einer Buchenart, mit der deutschen Übersetzung “Scheinkastanie” – ein in Ostasien weit verbreiteter Baum. “-ba” bedeutet einfach nur Blatt.
Lage:
Shiiba liegt in der Mitte der Insel Kyushu, und fast genau zwischen der Stadt Miyazaki und der Stadt Kumamoto (beide Städte liegen rund 60km Luftlinie entfernt). Die Gemeinde Shiiba gehört zur Präfektur Miyazaki und grenzt im Westen an Kumamoto.
Ansehen:
Das Tsurutomi-Anwesen (auch Haus Nasu genannt). Der Itsukushima-Schrein. Das Besucherzentrum mit dem interessanten Museum. Die Umgebung.
Shiiba – Beschreibung
In Japan liebt man Ranglisten über alles – die 100 schönsten Berge, die 3 wichtigsten Festivals, die zehn besten Wasserfälle – und so weiter. Und in Japan liebt man 秘境 hikyō – wörtlich “geheime Grenzen/Gebiete”, womit abgelegene Gebiete gemeint sind – beziehungsweise Orte, die schön, aber schwer zu erreichen sind. Die Hitparade der “drei abgelegensten Orte” in Japan (von den zehntausenden kleinen Inseln mal abgesehen) listet da das Iya-Tal in der Präfektur Tokushima (Shikoku), das einmalige Dorf Shirakawagō in Gifu – sowie das Dorf Shiiba in der Präfektur Miyazaki. Nun, Shirakawago ist mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe, hat nun auch Autobahnanschluss und wird von Touristen tagtäglich überrannt, in Iya reiht sich ein Hotel ans andere – nur in Shiiba sagen sich Fuchs und Hase Gute Nacht. So gesehen ist Shiiba ein wahrhaftig sehr abgelegener Ort.
Die Verwaltungseinheit nennt sich 椎葉村 Shiiba-son (son = Dorf) und ist über 500 Quadratkilometer gross. Auf diese verteilen sich gerade mal gut 2’500 Einwohner. Mit nur 5 Einwohnern pro Quadratkilometer ist Shiiba damit für japanische Verhältnisse (Durchschnitt: 335 Einwohner/km²) extrem dünn besiedelt, und es wird immer leerer – bis in die 1960er lebten hier über 10,000 Menschen, doch seitdem nimmt die Bevölkerung immer weiter ab, und die Verbliebenen werden immer älter. Das “Zentrum” des Dorfes nennt sich 上椎葉 Kami-Shiiba (Ober-Shiiba) direkt unterhalb des gleichnamigen Staudamms. Dort beginnt der 耳川 Mimikawa (Wörtlich: Ohrenfluss), an dessen Oberlauf sich das Dorfzentrum entlangschlängelt.
Shiiba ist von Bergen umzingelt – so vom 国見岳 Kunimidake (1,739 m), dem 白岩山 Shiraiwayama (1,636 m) und dem 市房山 Ichifusa-yama (1,721 m), um nur einige zu nennen. Im Norden der Gemeinde liegt eines von nur 3 Skigebieten auf Kyushu – das 五ヶ瀬 Gokase-Ski-Resort. Das Dorfzentrum Kami-Shiiba liegt auf rund 400 Metern Höhe, aber die Berge sind hier so steil, dass an manchen Stellen selbst im Hochsommer die Sonne schon gegen 3 Uhr nachmittags hinter den Bergen verschwindet. Shiiba ist zwar das fünftgrösste Dorf Japans (von der Fläche her gesehen), aber nur 4% der Fläche sind wirklich benutzbar – der Rest ist zu steil.
Shiiba ist von den steilen Bergen geprägt und von sehr hohen Niederschlagsmengen – hier fallen im Jahr im Schnitt 2’900 mm, meist Regen, und vor allem während der Regenzeit rund um den Juni und während der Taifunsaison im Herbst fallen hier nicht selten bis zu 100 mm Regen – pro Stunde. Das sind enorme Wassermengen. Seit jeher wird hier auch in mühsamer Arbeit Terrassenfeldbau, in Verbindung mit kontrollierter Brandrodung, betrieben, sowie die Jagd.
Shiiba ist trotz der Abgelegenheit von historischer Bedeutung. In Japan tobte von 1180 bis 1185 ein Krieg zwischen den einflussreichen Samuraifamilien der Taira (Westjapan und der Norden von Kyushu) und der Minamoto-Familie (Mittel- und Teile Ostjapans). 平 Taira wird auch “hei” bzw. “-pei” gelesen, 源 “minamoto” wird auch “GEN” gelesen – deshalb wird dieser Krieg oft 源平の合戦 Gempei-no-kassen genannt. Die Taira (übrigens auch als Heike bekannt) verloren, und den Annalen zufolge zogen sich etliche Anhänger des Clans in die abgelegene Bergwelt von Shiina zurück. Dort waren sie offensichtlich lange Zeit sicher – eine befestigte, befahrbare Strasse in das Dorf gab es bis in die 1930er nicht, und selbst jetzt sind die Zufahrtsstrassen noch teilweise relativ abenteuerlich.
Obwohl das Zentrum von Shiiba relativ klein ist, lohnt sich doch ein Aufenthalt. Kami-Shiiba liegt unterhalb des Staudamms – der ersten grossen Talsperre mit Bogenstaumauer in Japan. Direkt im Dorfzentrum, am Parkplatz und der Bushaltestelle, steht das 椎葉民俗芸能博物館 Shiiba Minzoku Geinō Hakubutsukan (Shiiba Volkskunstmuseum). Der Bau, der das Museum beherbergt, ist bereits imposant – eine Melange aus traditioneller und moderner Bauweise, auf einem Hügel und dichtem Mauerwerk thronend. Auf 5 Etagen werden hier zahlreiche Exponate ausgestellt, anhand derer man sehen kann, wie man hier seit Jahrhunderten lebte und welche Feste man feierte und welche Kunstformen man pflegte. Interessant ist zum Beispiel eine jahrhundertealte Drehscheibe, anhand derer festgelegt wurde, wo man gerade Wildschweine jagen darf – je nach Jahreszeit wechselte das nämlich. Eine sehr schlichte, aber sicher wirkungsvolle Form des Bestandschutzes.
Traditionen spielten und spielen in diesem abgelegenen Winkel eine grosse Rolle – dazu gehört zum Beispiel das 椎葉平家祭り Shiiba-Heike-Fest, das alljährlich von Mitte November bis Dezember stattfindet, und bei dem die 神楽 kagura genannten shintoistischen Ritualtänze zum festen Bestandteil zählen. Gleich hinter dem Museum, wenn man den oberen Ausgang wählt, steht man vor einem kleinen Shinto-Schrein, dem 椎葉嚴島神社 Shiiba-Itsukushima-Schrein, mit anliegendem Sumo-Ring. Vom Museum sind es auch keine 100 Meter zu einem schönen alten Wohnhaus, dem 鶴富屋敷 Tsurutomi-Yashiki. Die Geschichte des Gebäudekomplexes reicht bis in die Zeit des Gempei-Kriegs und war wohl die Bühne einer besonderen Liebesbeziehung zwischen Prinzessin Tsurutomi und dem Minamoto-General Nasu. Letzterer wurde vom Bakufu in Kamakura entsandt, um die letzten Kämpfer des Heike-Clans ausfindig zu machen – stattdessen verliebte er sich in Prinzessin Tsurutomi. Er liess sich nieder, und die beiden erwarteten ein Kind, doch noch vor der Geburt wurde er von der Regierung gegen seinen Willen aus Shiiba abgezogen. Das heutige Bauwerk ist schätzungsweise circa 300 Jahre alt und kann besichtigt werden. Man kann das Mueum und das Nasu-Haus mit einem Kombiticket besichtigen – das kostet 430 Yen pro Person.
Direkt hinter dem Tsurutomi/Nasi-Komplex gibt es ein kleines Restaurant – das よこい処 しいばや Yokoi-dokoro Shiiba-ya – ein schlichtes, aber empfehlenswertes Soba-Restaurant.
Anreise
Shiiba ist nicht an das Bahnnetz angeschlossen – wer mit der Bahn unterwegs ist, fährt am besten bis 日向 Hyūga an der Ostküste von Kyushu und von dort weiter mit dem Bus – die Busfahrt allein dauert 2½ Stunden. Es gibt auch eine Straße von Aso nach Shiiba (aber keinen öffentlichen Bus) – für die Fahrt sollte man mindestens 1½ Stunden einplanen. Die gesamte Gegend ist auch für Radfahrer empfehlenswert, zumal auf allen Strassen wenig Verkehr herrscht, aber aufgrund der Berge erfordert die Gegend eine sehr gute Kondition.
Übernachtung
Keine persönlichen Empfehlungen, da in Ebino übernachtet. Es gibt ein paar 民宿 minshuku (traditionelle Herbergen) im Dorfgebiet – im oben genannten Museum erhält man eine Broschüre, in denen alle Herbergen aufgelistet sind.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.