Was haben Fisch und Weintrauben gemeinsam? Auf den ersten Blick nicht viel, aber mit beiden Dingen konnte ich mich in Deutschland nie so richtig anfreunden. Sicher, ich mochte beides, aber diese ganze Pfriemelei und das Rumgepule wegen der Gräten beziehungsweise Kerne schmälerten das Essvergnügen doch erheblich. In Japan habe ich dann bald gemerkt: Es geht auch ohne. Das gilt bei Fisch sowieso, aber bei Weintrauben geht es auch. Wie bei vielen Dingen auch hat man sich in Japan eine Sache aus dem Ausland abgeschaut – in diesem Fall den Weinanbau – und mit viel Arbeit (beinahe) perfektioniert. Wein wird in mehreren Präfekturen angebaut, doch an der Spitze steht die Präfektur Yamanashi – knapp 100 km westlich von Tokyo gelegen und in erster Linie bekannt für den Fuji-san und die Fünf Seen des Fuji. Hier werden knapp 50’000 Tonnen Weintrauben produziert. Im Vergleich zu Deutschland ist die Anbaumenge allerdings eher gering: In ganz Japan wird auf 16’000 Hektar Wein angebaut – das entspricht in etwa der Anbaufläche des Weinanbaugebiets Baden.
Es gibt jedoch einen grossen Unterschied zu Deutschland: Während in Deutschland Weintrauben hauptsächlich für die Weinproduktion verwendet werden, isst man in Japan den Großteil einfach so auf. Sicher, es wird auch Wein produziert, aber der Anteil ist eher gering. Dazu sei angemerkt, dass ich zwar schon des Öfteren sehr gutes japanisches Bier und japanischen Whisky getrunken habe – einen japanischen Wein, der mich sofort verzückt hat, habe ich aber noch nicht gefunden. Allerdings bin ich auch kein allzu großer Weinkenner.
Ende Sommer bis Mitte Herbst geht es los in Yamanashi – an allen Ecken und Ecken im großen Talkessel von Kōfu eröffnen dann sogenannte 葡萄園 – Weingärten – ihre Pforten. Meist wird direkt vor Ort Wein angebaut, so dass man entweder bereits vorbereitete Ware kaufen kann – oder aber sich die Trauben selbst aussuchen und abschneiden kann. Natürlich gibt es hier und da auch “All-you-can-eat”, mit der berechtigten Frage, wieviel Weintrauben ein Mensch vertragen kann.

Besonders beliebt sind zwei Sorten, wobei sich die Vorlieben im Laufe der Jahre auch ändern können. So war lange Zeit die Sorte 巨峰, eine rote Weinsorte, die von der Rebsorte Concord abstammt. Die Haut ist relativ einfach entfernbar, die Trauben sind groß und süß. Doch in den letzten Jahren sind die シャインマスカット (= Shine Muscat), Diese in Japan entwickelte Kreuzung aus Muscat d’Alexandrie und einer amerikanischen Rebsorte bildet wie auch Kyohō mitunter riesige, knackige Trauben mit relativ dünner Hülle und einem ebenfalls sehr hohen Zuckergehalt. Ein Traubenbüschel bzw. Geschein beider Sorten kann schnell mal ein halbes Kilogramm wiegen. Und dafür zahlt man in Yamanashi rund 1500 Yen, also rund 8 Euro. Besonders große und süße Sorten werden aber auch gern in den Kaufhäusern von Tokyo und anderen japanischen Städten für mehr als 100 Euro verkauft. Kleiner Einwurf für Japanisch-Lernende: Die Traubenbüschel haben ein eigenes Zählwort: 房 genannt.
Es gibt auch zahlreiche andere Sorten, die je nach Weingarten variieren – der Vergleich lohnt sich. Und Japanbesuchern, die im Herbst in Japan unterwegs sind, kann ich die japanischen Trauben nur ans Herz legen.