Nach dem Wahlprogramm der Demokraten und dem der Liberalen nun also Teil 3: Wie schön würde die Sonne scheinen, wenn die Neue 公明党 Kōmeitō an die Macht käme?
Die Partei gibt es immerhin schon seit 1964 und sie zählt beinahe eine halbe Million Parteimitglieder und Parteifreunde. Im Unterhaus halten sie zur Zeit 6%, im Oberhaus 9% der Sitze – und bilden seit geraumer Zeit mit den ewig regierenden Liberalen eine Regierungskoalition. Im Englischen bezeichnet sich die Partei übrigens gern als New Clean Government Party.
Die Partei hat seit jeher einen in der Religion verwurzelten Hintergrund: Man steht dem 日蓮正宗 (Nichiren-Buddhismus) nahe, einer japanischen Strömung des Buddhismus. Das soll nicht heissen, dass der Nichiren-Buddhismus ausschliesslich auf Japan fixiert ist – es gibt auch viele Anhänger im Ausland. Diese Verwurzelung manifestiert sich in der tiefen Verbindung mit dem 創価学会 (Sōka Gakkai) – einem sehr einflussreichen Verein, dem Kritiker mitunter sektenähnliche Züge (im negativen Sinne) vorwerfen.
Als Agnostiker betrachte ich solche Parteien generell mit Argwohn, denn religiös motivierte Parteien widersprechen dem meiner Meinung nach praktischem laizistischem Staatsmodell, aber diese Sorge dürfte ähnlich wie bei Christdemokraten in Deutschland übertrieben sein.
Die Kōmeitō als Juniorpartner der Liberalen richtet sich stark an den Liberalen aus – trotz der gegenwärtig kaum zu verleugnenden Schwäche des grossen Regierungspartners. Man legt bei der jetzigen Wahl grossen Wert auf kostenlose Bildung für Kinder – die Komeito möchte das bis zu 中3 (drittes Jahr der Mittelstufe, 15 Jahre sind da die meisten) gewährleisten. Auch danach sollen Kinder bis zur Universität herauf unterstützt werden – man benutzt da im Manifest das Schlagwort 人材立国 (Jinzai Rikkoku) – Jinzai sind die “Human Resources” (wie sagt man das auf Deutsch eigentlich? Humankapital?) sowie Rikkoku, was hier so viel bedeutet wie “auf … aufgebautes Land”, also Japan als einem Land, das dank seiner Menschen aufblüht.
Das ist natürlich mehr als sinnvoll, denn gerade Japan mit seiner schon legendären Rohstoffarmut kann nur so das bleiben, was es ist.
Dies ist natürlich nur ein Anriss des Wahlprogramms, aber es kennzeichnet die Richtung: Die Komeito forder familienfreundlichere Politik, um der niedrigen Geburtenrate und der damit schon seit langem tickenden, demographischen Zeitbombe entgegenzuwirken.
Das Wahlprogramm einer Partei, die an die Macht möchte, sieht anders aus. Aber das möchte die Partei auch gar nicht. Ihre Wählerstimmen aus dem Sōka Gakkai nebst Umfeld hat sie sicher – und als Juniorpartner wird sie sich mit Sicherheit auch flexibler zeigen als bisher. Wie die Partei jedoch dabei helfen möchte, den Haushalt zu konsolidieren, steht nicht geschrieben (bzw. habe ich nichts greifbares finden können), aber das kann man ja dann dem Regierungspartner überlassen.
Das Wort des Tages: 無償化 mushōka. Nicht-Kosten-Suffix -ung. Also die Kostenbefreiung bzw. Das Gratismachen (der Bildung für Kinder).
Zum Humankapital: War Unwort des Jahres 2004. ISt aber dennoch weit gebraeuchlich. Wenn man unbedingt einen anderen Begriff benutzen moechte, ist “geistiges Kapital” sicher denkbar. Link zum Unwort:
http://www.unwortdesjahres.org/2004.html
Ansonsten habe ich bei der Koumeito sogar noch mehr Probleme als mit der FDP in Deutschland. Schon bei der FDP frage ich mich, ob sie noch etwas anderes zu bieten hat als Klientelpolitik (fuer die Wohlbegueterten). Die Koumeitou ist letztlich gerade mal ein besserer Lobbyverein, der sich an den LDP-Tanker geklammert hat. Politische Inhalte ausserhalb der eigenen Lobbyarbeit? Fehlanzeige. …
Hm, LDP, DPJ, New Komeito. Was ist eigentlich mit den Wahlprogrammen von SDP und JCP? Ich sehe es immer noch mit einer Mischung aus Erstaunen, Lachen und Überraschung, daß es eine kommunistische Partei in Japan gibt… Aber wie extrem diese Parteien in ihren Ansichten sind, ist so als Außenstehender schwer zu beurteilen… vielleicht liest man darüber ja noch in diesem Blog?
“Human Resources” … da bietet sich hier ja fast eine wörtliche Übersetzung an: Menschliche Rohstoffe (durchaus mit negativer Konnotation).
Was wird wohl passieren, wenn nach den Wahlen sowohl die Liberalen als auch die Demokraten auf die Kōmeitō als Mehrheitsbildner angewiesen sind? Alles bleibt beim alten?
Ich denke Humankapital ist das richtige Pendant. In unserer durchkapitalisierten Welt müssen wir uns mit dem Gedanken anfreunden, lediglich ein Kostenfaktor zu sein. Daher zwar gut gemeint als Unwort des Jahres prämiert zu werden, aber mit Wattebällchen kann man kein System ändern.
Zwiespältige Sache das mit der Koumeito. Freie Bildung für alle halte ich erst mal für Lobenswert. Bezüglich der Vermischung von Religion und Politik habe ich auch so einige Bauchschmerzen.
Mal abgesehen von den Soka Gakkai-Leuten, woher rekrutieren sich denn die Wähler der Koumeito? Gibt es da irgendwelche Statistiken?
Und auch wieder bestätigt: Versprechen kann man ja erst einmal. Es findet sich dann vielleicht jemand, der einen wählt. Und dann ist es eh egal, was aus den schönen Wahlversprechen wird.
@Marcus
Ob Liberale oder Demokraten, nix wird sich aendern, schon garnicht von heute auf morgen. Ein “grosses Schiff” wie Japans Parlament aendert seinen Kurs auch nicht schneller, nur weil ein anderer Maat am Steuer dreht. Leider…..
@Marcus&Coolio
Es gibt da ja die durch und durch deprimierende Phrase “Wahlen ändern nix, sonst wären sie verboten!” :-/
Angeblich ist ja Japan eine Bürokratie die Politiker als Zierrat hat.
Mein Schatz hat Ihre Wahlunterlagen gestern bekommen (gleichzeitig wohl wird ein Richter gewählt), auf meine Frage “Gehst du wählen?” meinte sie nur “Wieso? Ändert doch eh nix”
Und ich würde meinen Schatz noch für politisch interessiert halten, da sie jeden Tag Zeitung liest, ich meine richtige Zeitung nicht das jap. äquivalent zur “Bild” ;-)
BTW
bei der XING-Umfrage führt die Piratenpartei mit über 80% angeblich.
Und ich habe immer noch keine Wahlunterlagen! Aber das ist wohl ok da die Wahllisten ja wohl noch nicht feststehen ;-)
[…] einigten sich die Regierungspartei sowie zwei Oppositionsparteien – die Liberalen und die Kōmeitō darauf, die Mehrwertsteuer bis 2015 von jetzt 5% auf 10% anzuheben. Die Debatte dazu kann man hier […]
[…] Von den kleinen und/oder neuen Parteien ist erwartungsgemäß die “維新の会” – die Erneuerungspartei – der ehemaligen Governeure von Osaka, Hashimoto, und von Tokyo, Ishihara – am stärksten. Wenn es ganz dick kommt, überholen sie die Demokraten sogar noch, obwohl es momentan danach aussieht, als ob sie drittstärkste Kraft werden. Wie bereits vor der Abwahl 2009 koalieren die Liberaldemokraten unter Abe wieder mit der Kōmeitō. […]