…Yōichi Masuzoe (舛添要一) – Ex-Arbeitsminister und seit gestern, dem 15. Juni 2016, auch Ex-Governeur von Tokyo. Der 67-jährige Jurist gab nach zehrenden Wochen nun – endlich, muss man sagen – auf. Es ging, gelinde gesagt, um Geiz und Völlerei. Masuzoe, seit Februar 2014 an der Macht in Tokyo, bestach seit geraumer Zeit durch üppige Spesenabrechnungen für teure Hotels, Kunstwerke, außerdienstliche Fahrten mit Chauffeur und vielem mehr. Das kam vor ein paar Wochen ans Licht und war für die Presse ein gefundenes Fressen. Zumal das ganze ja auch durchaus Tradition hat. Der vorherige Governeur, 猪瀬直樹 Naoki Inose, hielt sich genau ein Jahr im Amt, bevor auch er wegen Korruptions- und Veruntreuungsvorwürfen den Sessel räumen musste.
Masuzoes Verhalten hat mich persönlich etwas schockiert, denn bisher hielt ich ihn für einen raren Vertreter eines integren und seriösen Politikers. Den Eindruck versuchte er auch mit all seinen Kräften in den Pressekonferenzen aufrecht zu erhalten, doch das lief in den letzten Wochen ins Lächerliche: Masuzoe ersteigerte zum Beispiel diverse Kunstwerke und andere Sachen bei Internetauktionen und kaufte auch sonst gut ein – mit Steuergeldern. Dazu gehörten auch zwei Kleidungsstücke aus Seide, die er für umgerechnet 3’000 Euro in China erwarb. Die Erklärung dafür in der Pressekonferenz war etwas ganz Besonderes: Er betreibe fast täglich Kalligraphie, und er mache auch viel Judo. Wegen des Judo habe er ganz viele Muskeln, und gewöhnliche Kleidung bleibe beim Schönschreiben an den vielen Muskeln hängen. Nur chinesische Seide gleite so schön, dass sie beim Schreiben nicht stört. Ein Journalist wollte es daraufhin wissen und sagte: Warum schreiben Sie dann nicht mit ärmelloser Kleidung? Dazu kam prompt die Gegenfrage: “Und was, wenn es etwas kälter wird?”
Die Pressekonferenzen wurden allmählich beinahe legendär, und ob der Abgebrühtheit des Governeurs fielen auch bald fragen wie: “Herr Masuzoe, was muss eigentlich noch passieren, damit sie zurücktreten?” oder “Woher nehmen sie eigentlich die Nerven?”. Quittiert wurde das jeweils mit einem vielsagenden Lächeln.
Letztendlich beauftragte Masuzoe zwei neutrale Anwälte (seiner Wahl!), die durchleuchten sollten, ob er illegal politische Spenden- (sprich Steuergelder) für persönliche Zwecke missbraucht habe. Das Ergebnis: Hat er nicht, aber der Gebrauch von rund 4,4 Millionen Yen (rund 32’000 Euro) sei zumindest moralisch etwas anrüchig gewesen. Vielen Politikern in der Stadtversammlung reichte das nicht, und so drohten sie mit einem Mißtrauensvotum, das er aller Wahrscheinlichkeit nach verloren hätte. Doch dem kam er jetzt zuvor.
Hungern wird der Ex-Governeur vorerst voraussichtlich nicht, denn zum Baschied bekommt er 22 Millionen aus der Stadtkasse. Ob die wegen unehrenhafter Entlassung gekürzt werden oder nicht kann dabei nur einer entscheiden: Masuzoe selbst, da er vorläufig die Amtsgeschäfte beibehält. Und Masuzoe sieht nach wie vor nicht ein, dass er etwas grundlegend falsches gemacht hat.
Der Rücktritt kommt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Der Posten wird jeweils für 4 Jahre vergeben. Das bedeutet – vorausgesetzt das sich der nächste Kandidat 4 Jahre lang halten kann – das genau während der Olympischen Spiele in Tokyo 2020 ein neuer Governeur gewählt werden muss.
In Verbindung mit dem Skandal fiel übrigens ein Wort besonders häufig: せこい (sekoi). Das hat furchtbar viele Bedeutungen – unter anderem “knauserig” (im Englischen würde ich sekoi am ehesten mit “tacky” übersetzen).
Vielen Dank fuer den Artikel. Ihr blog ist mittlerweile meine bevorzugte Quelle um etwas tiefere und interessante Einblicke in die japanische Politik zu bekommen: Gut geschrieben, interessant und informativ!
Uebrigens: Ein riesen Skandal in Japan der meiner Meinung nach bei weitem mehr Aufmerksamkeit verdienen wuerde ist die gescheiterte “Hitomi” Mission der JAXA. Ich meine, dass der Gesanmtschaden auf etwa 300 Million USD geschaetzt werden… kann ja mal passieren…