Ab morgen wird TEPCO, Betreiberfirma des während des Erdbebens und Tsunamis schwer havarierten Atomkraftwerks in Fukushima, planmässig damit beginnen, radioaktiv belastetes Wasser in den Pazifik abzuleiten. Die Aktion war bereits seit Jahren geplant, da man schon lange wusste, dass die Kapazitäten bald nicht mehr ausreichen werden, um das kontaminierte Wasser weiter zu lagern. Rund um die Reaktorblöcke 1 bis 4 des AKW bewegen sich täglich pro Schnitt um die 1’000 Tonnen Wasser, das meiste davon in Form von Grundwasser. Man geht davon aus, dass rund 400 Tonnen, also 40%, pro Tag durch die Reaktorblöcke fliessen – dieses Wasser wurde bisher aufgefangen und, soweit es geht, gefiltert. Danach wurde das Wasser in gewaltigen Tanks rund um die Anlage aufbewahrt. Doch man hat nur Platz für rund 1’370’000 Tonnen, und dieser Platz ist aufgebraucht.
Da man nicht ewig neue Wassertanks rund um die Anlage bauen kann, haben die japanische Energiebehörde und der Kraftwerkbetreiber begonnen, einen rund 1 Kilometer langen Tunnel vom AKW ins Meer hinaus zu bauen. Durch diesen Tunnel sollen nun Tag für Tag rund 300 Tonnen Wasser die Anlage verlassen – dieses Wasser enthält jedoch Tritium – 3H, auch als superschwerer Wasserstoff bekannt. Dieser Betastrahler kommt, wenn auch nur in sehr geringen Mengen, auch in der Natur vor und hat eine Halbwertszeit von gut 12 Jahren – es zerfällt dabei zu harmlosen Helium. Den Wissenschaftlern ist es dabei gelungen, Cäsium und andere hoch radioaktive Stoffe aus dem Wasser zu filtern, doch beim Tritium gibt es momentan keine Methode.
Der Plan hatte von Anfang an viele Gegner – sowohl im Inland als auch im Ausland. Im Inland sind vor allem die Fischer von Fukushima und den benachbarten Präfekturen besorgt. Sie machen sich vor allem um 風評 Sorgen, also um ein schlechtes Image ihrer Erzeugnisse aufgrund der Einspeisung des Abwassers. Zurecht: Vor allem in China und in Südkorea wurde ordentlich Stimmung gemacht, mit zum Teil grotesken Zügen. So beobachtete man im Frühjahr einen Ausverkauf von Salz in Südkorea. Dieses wird nämlich hauptsächlich dem Pazifik entnommen und ist unter anderem – in großen Mengen – erforderlich zur Herstellung des Nationalgerichts Kim’chi. Schnell machte dann das Gerücht die Runde, dass alles Salz aus dem Pazifik demnächst radioaktiv verseucht sein wird – es kam zu Hamsterkäufen und eben zu einem plötzlichen Mangel an Salz.
Erstaunlicherweise hat sich nun zumindest die südkoreanische Regierung mit einem Kompromiss zufriedengegeben: In Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA, welche bereits vorher in einem Gutachten erklärte, dass die Einspeisung aufgrund der geringen Konzentration und Halbwertszeit keine spürbaren Folgen auf das Ökosystem haben wird, hat man ein Instrument zum Monitoring und Informationsaustausch geschaffen, das koreanischen Wissenschaftlern und Politikern erlaubt, Zugang zu allen Messwerten zu haben. Das beinhaltet auch Inspektionen vor Ort. Letztendlich gab die südkoreanische Regierung dem Unterfangen deshalb grünes Licht. Ganz anders fällt die Reaktion aus China und auch Hongkong aus: Man beschloss einen Importbann auf Fischereierzeugnisse aus 10 Präfekturen in Japan und protestierte auf verschiedenen Kanälen scharf gegen die Einspeisung des Abwassers. Vereinzelt soll es auch schon zu Demonstrationen gekommen sein.
Dabei ist die Einspeisung radioaktiv belasteten Ab- bzw. Kühlwassers kein Novum – Sellafield in Großbritannien leitete bereits seit den 1970ern ununterbrochen radioaktive Abwässer in die Irische See, und die Anlage wird sicherlich nicht die einzige sein, die das tut. Und so die geplanten Mengen und Substanzen (300 Tonnen pro Tag, mit Tritium als der einzigen radioaktiven Substanz) wirklich eingehalten werden, dürfte in der Tat keinerlei Gefahr bestehen — erst recht nicht für China.
Widerspruch: Gerade Sellafield ist genau das Beispiel dafür, daß die jahrzehntelange Einleitung radioaktiven Mülls (und nichts anders ist das Wasser) eben nicht so harmlos ist, wie du das hier darstellst. Beleg dafür etwa hier https://www.esquire.de/life/reisen/radioaktiv-verseuchte-gebiete-nuclear-wasteland-nicht-betreten oder hier: https://www.dw.com/de/fukushima-das-meer-als-perfektes-endlager-f%C3%BCr-atomm%C3%BCll/a-52444866