BlogSommer II: Losglücklos und Totentanz

Sommer II: Losglücklos und Totentanz

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Summer-Jumbo: Sommer-Sonderziehung
Summer-Jumbo: Sommer-Sonderziehung

Da ich neulich schon einmal über den Sommer hier geschrieben habe, kann ich doch auch gleich eine kleine Folge draus machen. Teil 1 war hier. Man gewöhnt sich ja im Laufe der Jahre allerlei Dinge an. Weihnachten zum Beispiel. Ob man will oder nicht. Ich habe es mir zur Gewohnheit gemacht, im Sommer etwas zu tun, was ich sonst nie mache: Massiv ins Glücksspiel einsteigen. Jedes Jahr im Sommer gibt es die サマージャンボ宝くじ Summer Jumbo Takarakuji (Lotterie)-Sonderziehung, zu gewinnen gibt es satte 1億円 – ichi oku en, also 100 Millionen Yen (rund 800,000 Euro). Ein Los kostet 300 Yen, und so ziehe ich jedes Jahr im Sommer zur Losbode vor dem Bahnhof und kaufe ein paar Lose, meistens 連番 (renban – aufeinanderfolgende Nummern), denn wenn ich バラ (bara, nicht zusammenhängende Lose) kaufe, müsste ich ja viele verschiedene Nummern abgleichen. Wie jedes Jahr gewinne ich dabei 300 Yen – denn eine einzelne Endnummer gewinnt immer 300 Yen, was also bei 10 aufeinanderfolgenden Losen nur sehr schwer zu verfehlen ist. Toll, 10% Rabatt! Wie jedes Jahr hole ich mir jedoch diese 300 Yen noch nicht einmal ab…
Bühne des örtlichen Bon-Odori

Sommer – das ist auch die Zeit der 盆踊り Bon-Odori (siehe Wikipedia: Obon) – Feste, bei denen die Seelen der Toten wenn vielleicht nicht gerettet dann doch zumindest etwas belustigt werden sollen. Der Hintergrund ist eigentlich ernst, aber Obon sind mittlerweilen Volksfeste, bei denen ausgelassen getanzt und gefeiert wird. Mit den Bon-Odori meine ich hier weniger die riesigen Feste, allen voran das Awa-Odori in Tokushima, sondern all die kleinen Feste in der Nachbarschaft, oft eingepfercht in einem kleinen hinterhofähnlichen Bereich oder einem Minipark, mit einer Bühne nebst Trommlern und Tänzern in der Mitte und allerlei Freßbuden rundherum sowie Belustigungen für Kinder. Das schöne an diesen kleinen Festen ist, dass man sich kennt und viele Leute auf einmal trifft, die man sonst nur sporadisch und einzeln sieht. Für Kinder ist das ganze natürlich besonders schön – nicht ganz so spektakulär wie ein Rummel, aber immerhin.
Seit Jahren habe ich allerdings den Eindruck, dass es unserer Nachbarschaft an Trommlernachwuchs gebricht. Zur Erklärung: Bei diesen kleinen Festen werden häufig schlagerähnliche Gassenhauer von Band gespielt; dazu trommelt jemand auf einer grossen japanischen Trommel, während rundherum Tänzerinnen in Kimono langsam vor sich hin tanzen. Faustregel: Je kleiner die Nachbarschaft, desto älter die Tänzerinnen. Mit alt meine ich dabei wirklich alt… Ich kann nur jedem Japanbesucher, der mutig ist, sich Mitte August nach Japan zu begeben, empfehlen, kleine Bon-Odori-Feste zu suchen. Bei meinen Reisen übers Land hat es mich schon oft zu solchen Festen verschlagen, und man kann dort sehr gut mit Leuten ins Gespräch kommen und einfach den Sommer geniessen. Zusammen mit Yakisoba und kühlem Fassbier.
Würde mich an der Stelle freuen, wenn jemand andere kleine, aber feine Bon-Odori empfehlen kann.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

3 Kommentare

  1. :/D
    Ich war letzte woche in Senkawa (bei Ikebukuro) in meinem alten Viertel vom letztem Jahr auf dem BonOdori der Grundschule gegenüber. Bin mit japanischen Freundinnen hingegangen, die mich netterweise in ihren Shibori-Yukata gesteckt haben! Das hat so viel Spass gemacht! Ich hab versucht mitzutanzen! x/D Und shochu und auch yakisoba getrunken und gegessen. Hahaha! :/) Alle waren ein bisschen betrunken! x/D
    Am Vortag war zudem noch ein ObakeYashiki in er alten baufälligen Grundschule! ich bin mit den Kindern mitgelaufen: Die Mädchen haben sich an mir festgehalten und hatten wirklich angst. Das war sooo süss! x//D

  2. hmm.. letztes Jahr war hier in der Ecke zwischen Kannai und Sakuragicho ordentlich was los. Ich kann allerdings nicht beurteilen wie gut oder schlecht das Ganze war, da es uns einen Tag vorher nach Hokkaido verschlagen hat. Vielleicht sehe ich es ja dieses Jahr, mal schauen..

  3. Ich finde das Bon-Odori am Sugawaraschrein (Setagaya, Matsubara, ca. 10 min latschen von Meidaimae Eki) richtig klasse. Kleiner Schrein, nix Musik vom Band, sondern live und die Taenzerinnen sind mit knapp 80 auch noch relativ jung…..
    Es treten aber auch Kindertanzgruppen mit enorm hohem Kawaiifaktor auf.
    Yakisoba und Yakiudon bis zum Abwinken und einiges an Staenden mit klebrigem Suesszeugs. Auch toll: Das Bon-Odori im Hanegi Koen. Kleiner aber feiner Park mit Labyrinth und grossem Abenteuerspielplatz fuer die Kleinen. Letztes Jahr gabs an einem Bierstand sogar Yokohama Weizen. Mann, war ich krank….

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