Der Taifun, der just im Anmarsch ist, verdient es allemal, hier erwähnt zu werden: Taifun Nr. 15 (will heissen, der 15. in dieser Taifunsaison im Ostpazifik), von der Internationalen Taifunbehörde “Roke” (gesprochen: Rookie) genannt, ist bereits jetzt dabei, schwere Verwüstungen anzurichten – und dabei hat er noch nicht mal Land betreten. Momentan zieht der Taifun östlich der Pazifikküste entlang und wird morgen, am 21. September, womöglich direkt über den Großraum Tokyo ziehen. Heute hat er bereits vor allem auf Shikoku und bei Nagoya seine Spuren hinterlassen: Allein in Nagoya gingen an 890,000 Einwohner Evakuierungswarnungen heraus, da aufgrund des schweren Regenfalls der 庄内川 (Shōnai-gawa, -gawa = Fluss) über das Ufer getreten ist.
Das Besondere an diesem Taifun ist die Tatsache, dass er seit seinem längeren Aufenthalt bei Okinawa nochmal an Kraft zugelegt hat. Momentan beträgt die Windstärke nahe des Zentrums rund 160 km/h, mit Spitzen von bis zu 200 km/h. Mittlerweilen wurde der Taifun deshalb zur höchsten Kategorie heraufgestuft. Im Großraum Tokyo rechnet man mit bis zu 400 mm Regen innerhalb der kommenden 24 Stunden (Berlin: 571 mm pro Jahr).
Wer noch nicht in den zweifelhaften Genuß eines Taifuns bzw. Zyklons bzw. Hurrikans kam: Das Ausmaß der Schäden hängt stark von der Topographie des betroffenen Gebietes ab. Im Falle Japans ist es meist weniger der Wind, der Schaden anrichtet, sondern die enormen Wassermengen: Da sich der Großteil über oder vor dem Gebirge im Landesinneren ergiesst, ist quasi jedes Gebiet in Flußnähe in Gefahr, erst recht, wenn es sich um ehemalige Auen handelt. Leider sind Taifunrouten nachwievor relativ schwer voraussagbar. Mit etwas Glück verschont dieser Taifun Tokyo, aber es sieht momentan nicht gut aus.
Was tun, wenn man gerade in Tokyo ist? Nicht viel. Es sollte einfach jeder prinzipiell davon ausgehen, dass der Nahverkehr morgen abend zum erliegen kommt. Desweiteren empfiehlt es sich, das Auto stehenzulassen und tiefe, flussnahe Bereiche zu vermeiden.
Dieses Jahr ist übrigens wirklich beachtlich in Sachen Taifune: In den 1970ern gab es 4 schwere Taifune in Japan, in den 1980ern keinen nennenswerten Taifun, in den 1990ern und 2000ern jeweils wieder 4 – doch “Roke” hat das Zeug dazu, der zweite schwere Taifun in diesem jungen Jahrzehnt zu werden: Nr. 12 in diesem Jahr, “Talas”, war etwas weniger stark, richtete aber im August/Septemver schwere Schäden vor allem in der Präfektur Wakayama an: 67 Menschen kamen ums Leben, 26 werden noch vermisst.
Tausend mal verlinkt, aber zur Sicherheit nochmal: Den aktuellen Taifunstatus auf Englisch gibt es hier.
Als ich dieses “Gerät” vor einigen Tagen vor Okinawa herumzirkeln sah, hoffte ich noch inständig, dass er bitte nicht auf Kyushu abdrehen möge. Die Flüsse hier unten sind auch so schon mächtig angeschwollen, ich mag mir nicht vorstellen, was bei solchen Regenmengen passiert wäre. Mein Apartment liegt in Fukuoka ziemlich nah am Naka (那珂川). Das hätte unschön ausgehen können. Einerseits bin ich froh, andererseits tun mir die Leute auf Shikoku und in Kansei echt leid. Hoffen wir einfach mal, dass Nummer 15 am Ende aufs offene Meer abdreht.
Der Taifun hats auch hier in die Schlagzeilen geschafft. Bei Nr. 12 war nur die Anzahl der Toten eine krze Randnotiz. Da der aktuelle jedoch Tokio und das bereits gebeutelte Nordostgebiet betrifft/betraf,wurde der (wohl in Tokio sitzende?) Korrespondent des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu einigen Berichten insbesondere über Fukushima aufgefordert. Und da war das Unwetter gestern Abend auch Topthema. Heute: noch nichts zu hören. Alles halb so schlimm? Wünschen würde ich es den Menschen in der Region!
@tembridis
Dafür hat es jetzt den anderen 那珂川 in Mito erwischt… ist schon manchmal komisch.
@Terry
Ja, gestern hatte mich auch eine Spiegelredakteurin versucht zu erreichen – wollte wissen, was man hier bezüglich Taifun Richtung Fukushima denkt. Gut, dass es mit dem Telefonat dann doch nicht geklappt hat. Weiss gar nicht, was die Leute da hören wollen!? Dass alle wild kreischend in Panik verfallen? Die meisten Leute waren in Tokyo letztendlich mehr mit der Frage beschäftigt, wie sie nach Hause kommen sollen. Ich bin gestern letztendlich auch die letzten 8 km nach Hause gelaufen, und dank Hochwasser bei uns war ich dann schliesslich auch noch gut nass um die Füsse herum…
Das ist ja lustig, mich hat auch ne Nachrichtenagentur versucht zu erreichen, die wollten wissen wie sich Roke so macht und wie man das hier erlebt. Naja, was kann man da schon gross erzählen? Ist halt nass und windig. War sehr erstaunt aus heiterem Himmel angefragt zu werden, schliesslich waren die vorangegangenen Taifune/Regenfälle mit massiven Erdrutschen schlimmer. Hab dann aber nix mehr gehört, das Interesse schien ebenso plötzlich wieder verflogen zu sein. Vielleicht hat man diese Bilder gesehen und Lunte gerochen…? http://www.guardian.co.uk/world/gallery/2011/sep/21/japan-alert-typhoon-roke-pictures