Wie es aussieht, wird sich bald nicht nur Deutschland an einer neue Führung erfreuen dürfen, sondern auch Japan. Nun ja, zumindest an einer neuen Spitze, denn Yoshihide Suga, Ministerpräsident Japans seit einem knappen Jahr, gab am vergangenen Freitag bekannt, dass er sich nicht zur Wahl der Parteispitze stellen wird. Die Liberaldemokraten wählen nämlich am 17. September ihr neues Parteioberhaupt, und traditionsgemäß wird dieses danach auch zum Ministerpräsidenten gekürt. Ganz überraschend kommt das nicht. Als der Kandidat der Liberaldemokraten Ende August bei der Neuwahl des Oberbürgermeisters von Yokohama – immerhin Sugas altes Revier – eine scheppernde Niederlage einstecken musste, gab es bereits Stimmen, die warnten, dass mit Suga an der Spitze nichts zu gewinnen sei. Die Umfragewerte sind nämlich im Keller, vor allem wegen der Coronamaßnahmen (beziehungsweise dem Mangel der selbigen).
Suga geht also, doch wer kommt? Verschiedene Fraktionen innerhalb der Liberaldemokraten beginnen nun, sich zu formieren, und verschiedene Namen tauchen auf. Zu den aussichtsreichsten Bewerbern dürften wohl 河野太郎 Tarō Kōno, Minister für administrative und regulative Reformen, sowie 高市早苗 Sanae Takaichi (vormals Minister für Inneres und Kommunikation) zählen. Andere Parteigrößen wie 岸田文雄 Fumio Kishida (früherer Außenminister) und 石破茂 Shigeru Ishiba (früherer Verteidigungsminister) haben ebenfalls ihre Kandidatur angemeldet und sind durchaus nicht chancenlos. Die Wahl dürfte spannend werden – insbesondere weil eine Frau dabei ist, so dass man sich fragen kann, ob die Liberaldemokraten bereit sind, erstmals eine weibliche Führungskraft anzuerkennen.
Zum Glück hält sich die Altherrenriege der Partei, allen vorweg Tarō Aso und Toshihiro Nikai, von der Kandidatur zurück, doch man kann sich sicher sein, dass die beiden im Hintergrund ihre Strippen ziehen.
Apropos Corona: Nach Monaten stetigen Wachstums der Infektionszahlen und immer neuen Hiobsbotschaften aus der Gesundheitsversorgung scheinen die Zahlen endlich wieder zu sinken. Heute wurden für Tokyo erstmals seit anderthalb Monaten wieder eine dreistellige Zahl gemeldet: 968 Neuinfektionen wurden am Vortag registriert, und in ganz Japan gut 8,000. Sicher, die Zahlen sind aufgrund des Wochenendes niedrig und werden in den folgenden drei, vier Tagen wieder über 1,000 bzw. 10,000 liegen, aber ein Abwärtstrend lässt sich nicht leugnen. Aber wie lange noch? Das Schuljahr hat vielerorts begonnen, und aufgrund der Delta-Variante, die in Japan längst die Oberhand gewonnen hat, ist gerade bei den Kindern ein Anstieg zu befürchten, und der wird dann auch zu mehr Infektionen im Elternhaus führen.
Die Schulen handeln je nach Stadt und Region unterschiedlich. So werden die Eltern von Grundschulkindern (an öffentlichen Schulen) in Kawasaki vor die Wahl gestellt, ob sie
- die Kinder normal zur Schule schicken
- nur bis zum Mittagessen zur Schule schicken (gegessen wird dann zu Hause)
- nur via Zoom am Unterricht teilnehmen lassen
Die Wahl in der Klasse meines Sohnes (Fünftklässler) fiel wie erwartet aus: 35 von 38 Kinder gehen ganz normal zur Schule, inklusive Mittagessen. Nach den langen Sommerferien, in denen man ja auch nichts wirklich unternehmen konnte, kann man den Eltern (und Kindern) diese Wahl auch nicht wirklich verübeln.