Im Juni soll es soweit sein, vorausgesetzt, der Corona-Ausnahmezustand endet, wie momentan geplant, am 31. Mai: Meine Tochter macht sich auf den Weg zur 修学旅行 shūgaku ryokō, der Schulabschlussreise. Es ist das dritte und letzte Jahr der Mittelschule, und nach der Reise ist Schluss mit lustig, denn dann müssen sich alle auf die Aufnahmeprüfungen für die Oberschulen vorbereiten, und diese Prüfungen sind nicht ohne. Dazu aber sicherlich später einmal mehr.
Die meisten Kinder haben in Japan drei Schulabschlussreisen: Mit 11 oder 12 Jahren, am Ende der Sechsklassen-Grundschule, mit 14 oder 15 Jahren, am Ende der Mittelschule, und zuletzt mit 17 oder 18 Jahren, am Ende der Oberschule. Natürlich fallen die Reisen immer größer aus. In der Mittelschule fahren die Kinder in den meisten Fällen in die benachbarte Region oder in die nächstgrösseren Städte – Kinder aus Hokkaido fahren oft nach Tohoku, die von Tohoku nach Hokkaido oder Tokyo – und rund die Hälfte der Kinder des Großraums Tokyo fährt nach Kansai, sprich nach Kyoto, Nara, Osaka oder Kobe.
Für die Kinder ist das natürlich Aufregung pur, und das ist verständlich. Schließlich werden damit bleibende Erinnerungen geschaffen. Ich für meinen Teil war dabei jedoch überrascht, wie extravagant die Reisen ausfallen können. Doch der Preis erklärt einiges: Für die drei-Tage-zwei-Nächte-Fahrt bezahle ich nämlich über 65,000 yen, also rund 500 Euro. Ein Budget, das ich mir selbst nur äußerst selten leiste. Aber die Sache ist schnell erklärt: Die erste Nacht verbringen die lieben Teenager nämlich in einem etablierten Ryokan1 in der alten Hauptstadt Nara, mit einem eigenen Onsen2 auf den Zimmern. Wer dort selbst mal übernachten möchte, zahlt mal eben rund 300 Euro. Danach soll es schliesslich weitergehen nach Kyoto, wo die Kinder dann mit dem Taxi durch die Gegend chauffiert werden. Ausserdem wurde uns freudestrahlend erklärt, dass die Kinder auch 5,000 yen Taschengeld bekommen. Ja, das ist aber großzügig! Wie schön!
Ich weiss nicht, wie Klassenreisen heute in Deutschland aussehen. Ich kann mich aber noch gut an meine Klassenreisen erinnern, und da waren meist Jugendherbergen beteiligt. Mit anderen Worten: Soviel Luxus hätte ich von einer schnöden, öffentlichen Mittelschule nicht erwartet. Wenigstens müssen die armen Eltern die Reise nicht auf einmal bezahlen: Der Betrag wird monatlich, ab dem ersten Schuljahr, Stück für Stück und zusammen mit diversen anderen Kosten abgestottert. Bei der Informationsveranstaltung der Schule sagten die Lehrer dann noch: “Falls die Corona-Lage die Klassenreise nicht zuläßt, werden die Reisekosten natürlich komplett zurückerstattet.” Man sah bei einigen Eltern die Augen leuchten…
Während diese Art der gehobeneren Klassenreise für das Gros der Eltern kein sonderlich grosses Problem darstellt, ist die Sache für alleinerziehende Mütter zum Beispiel schon problematisch, denn diese zahlreichen kleinen Nebenkosten der eigentlich kostenfreien Mittelschulen (da Pflichterziehung) summieren sich. Natürlich hoffen wir trotzdem, der Kinder wegen, dass die Reise stattfinden kann. Genauso hoffen wir aber auch, dass die Kinder kein Virus mit nach Hause bringen. Das gleiche gilt für Kind #2, das eine Woche später mit der ganzen Schulklasse in die Berge fährt (und dort auch übernachtet). Wenigstens hätten sie es so einrichten können, dass beide Kinder zur gleichen Zeit unterwegs sind…
Für Japan-Reisende ist diese Information übrigens durchaus relevant. Viele Abschlussreisen finden im Juni statt – es kann also gut sein, dass man in jener Zeit eine erlesene Herberge bucht, um das Japan-Erlebnis schlechthin zu geniessen, sich dann aber von hunderten Teenagern umzingelt sieht.
Scheint mir, als ob man einen Weg gefunden hat die geschundenen Hotels, die zur Zeit ohne ausländische Touristen auskommen müssen, doch noch zu unterstützen. Zu meiner Schulzeit ging es jeweils auf den nächsten Hügel durch den Wald wo wir mit einer Wurst über dem Feuer belohnt wurden (Kostenpunkt ca. Fr. 15.00). Übernachtung gab es nur im Klassenlager und so weit ich mich erinnere war da kein Onsen auf dem Zimmer (Massenschlag mit Dusche auf dem Gang). Geliebt haben wir es trotzdem oder vielleicht gerade deshalb.
Meine Kinder waren, bis zum beginn der Pandemie, jedes Jahr einmal auf Klassenfahrt. Dann immer für mehrere Tage, zumeist 3 Tage am Stück, unterwegs. Preislich habe ich das pro Kind zwischen 200 € und 250 €, inklusive Taschengeld, im Gedächtnis. Bei drei Gören geht das ins Geld. Aber das Gute daran, man hat mal seine Ruhe daheim, wenn, ja wenn alle mit einem mal wegfahren. Das ist dann fast wie Urlaub.
Nicht mit eingerechnet sind: 1 verlorenes Smartphone, eine vergesse Kamera, einschl. T-Shirts, Hosen und abhanden gekommenen Rucksäcken die nie wieder auftauchten, usw,. usf. …
Kommt ja preislich dann schon fast auf japanische Verhältnisse heraus… angenommen es gibt keine der genannten Kollateralschäden.
Ja ich kann mich noch gut erinnern dass ich von diesem Luxus auch nicht gerade begeistert war … von Yamanashi aus ging es nach Tokyo und Kamakura (Grundschule), Kyoto und Nara (Mittelschule), und Okinawa (Oberschule). Das ist hier so der Standard.
In der Grundschule scheint es – zumindest hier – auch die Regel zu sein, sein Kind mit komplett neuer Kleidung auf Klassenreise zu schicken. Ich wusste das ueberhaupt nicht und habe es erst hinterher von einer Mutter (mittlerweile meine beste Freundin) erfahren, die mir erzaehlte, ihre Tochter habe sich gefreut, weil ausser ihr auch meine Tochter mit “gebrauchter” Kleidung unterwegs war …
Das ist ja interessant! Nur mit neuer kleidung auf klassenfahrt… da werde ich mich gleich mal bei den kolleginnen informieren! Danke für den tipp! (Ich informiere mich damit das kind weiss was sache ist und sich darauf einstellen kann. Neue sachen für eine schulfahrt zu kaufen kommt mir nicht in den sinn!)
Was, zur teuren Klassenfahrt auch noch nagelneue Anziehsachen? Ich glaube mein Schwein pfeift ♪ Nee, man muss wirklich nicht alle Traditionen mitmachen.
Tja, bei uns hier sind alle Klassenreisen bis auf weiteres abgesagt. Zuerst hiess es im April, dann im Mai, jetzt hofft man auf den Juni. Schoen waren die ersten Klassenreisen der Mittelschule (junior high oder 中学校). Es ging ins absolut Abgelegene, reichlich veraltete Unterkunft, ehemalige Schule mit Plumpsklo und Massenbad. Ungeziefer inclusive. Dann schoen den Berg besteigen (Ishizuchi) was eine Herausforderung fuer viele dartsellte, aber schoen war’ s schon. Die letzten Jahre ging es in ein Jugenheim, Buffet-Verpflegung, organisierte Aktivitaeten, Herausforderungen so gut wie keine mehr. Auch die Lehrer wollen es halt gerne einfacher und bequemer haben!
Diese Art von Reisen wird in Deutschland ja auch immer aufwändiger. So hat es sich seit ein paar Jahren ja eingebürgert den Junggesellenabschied nicht mehr im nächstliegenden Ausgehviertel sondern im europäischen Ausland zu feiern, also Prag, Brüssel, Paris etc.. Aus einem Abend für 50 Euro wurde so eine dreitägige Aktion mit entsprechenden Preisen.
Hallo,
ich erinnere mich noch dumpf an meine Klassenfahrten, ist ja auch schon paar Tage her, Luxus war da nicht angesagt, wie oben erwähnt, Jugendherberge mit Klo und Bad auf dem Gang….
Ich muss zugeben das mich diese Reisen meist gelangweilt haben da es nie, ausser auf der in der Berufsschule, irgend etwas interessantes Gab, Schi fahren und ähnlichen Blödsinn, aber das ist eben immer Ansichtssache.