Hier also mal wieder ein “Out-of-Japan”-Beitrag, damit es nicht langweilig wird.
Gute zwei Jahre waren seit dem letzten Deutschlandbesuch verstrichen, also wurde es mal wieder Zeit. Der Entschluss, im August zu fliegen, also in der Zeit, in der halb Japan unterwegs ist, kam relativ spät, und das merkte man beim Ticketkauf. Die Preise für alle Flüge, die insgesamt weniger als 40 Stunden dauerten, waren bereits exorbitant. Es blieben lustige Routen mit 5 Mal umsteigen, über China und die Wallachei usw. Und eine Verbindung über Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten, mit 23 Stunden Aufenthalt beim Hin- und 16 Stunden Aufenthalt beim Rückflug. Lang genug also für einen Kurzurlaub, und alle vier Flüge waren Nachtflüge. Und man braucht kein Visum. Und ich war noch nie dort. Alea iacta est.
Kurz vor 10 Uhr abends ging es von Narita los, und das war für mich schon mal ein Novum, da ich bisher immer nur am frühen Morgen oder gegen Mittag von dort losgeflogen sind. Da wir nicht sicher waren, ob es an Bord Abendessen geben würde ob der späten Stunde, hiess es also Abendessen im Flughafen. Natürlich gab es dann später eine volle Mahlzeit im Flugzeug. Etihad hiess die Airline, und von Kleinigkeiten abgesehen konnte man nicht klagen.
Kind schlief wie geplant, und an die Zeit zwischen Mittelchina und Bangladesh konnte ich mich nicht erinnern, also muss ich wohl auch geschlafen haben. Statt wie geplant um 4 Uhr morgens kamen wir bereits um 3 Uhr morgens in Abu Dhabi an – halbwegs gut ausgeruht und nach 11 Stunden Flug. Für uns war es ja immerhin schon 8 Uhr morgens. An Abu Dhabi selbst hatte ich kein grosses Interesse, denn die Stadt ist bekanntermassen groß und ziemlich neu, also quasi wie Tokyo in der Wüste. Interessanter sah da für mich schon das rund 150 km entfernte Al Ain aus – eine Wüstenstadt im Osten, an der Grenze zum Oman. Also flugs Geld gewechselt, nach Bussen erkundigt (keine in den nächsten zehn Stunden), und notgedrungen ein Taxi geschnappt. Schnell sollten wir feststellen, dass es kaum korrektere Taxis gibt als in Abu Dhabi. Alle Taxis sind mit Meter ausgestattet, und ein Foto des Fahrers nebst Namen auf dem leicht verständlichen Display des Taxometers läßt kaum Zweifel aufkommen. Der Taxifahrer schätzte, dass es bis Al-Ain wohl um die 240 Dirham, also weniger als 50 Euro kosten würde. Recht sollte er behalten. Also ging es auf der durchgehend beleuchteten, äußerst leeren Wüstenautobahn gen Osten. Mit genau 120 km/h, denn immer wenn diese Gschwindigkeit überschritten wurde, mahnte eine Frauenstimme auf Englisch, dass, nun ja, die Gschwindigkeit gleich überschritten würde. Kurz vor 6 Uhr morgens kamen wir im Zentrum an, just in dem Moment, in dem die Sonne hinter der größten Moschee hervorkroch. Noch war es angenehm.
Die Strassen waren wie blankgeleckt. Nur ein paar indisch aussehende Straßenreinigungsfacharbeiter waren unterwegs. Auch für diese Erkenntnis brauchten wir nicht lange: Für Berufe, in denen man nicht zwingendermassen einen Universitätsabschluss braucht, verlässt man sich in den Emiraten gern auf Gastarbeiter. Kellnerinnen? Pinoy. Taxifahrer? Pakistani. Verkäufer und Reinigungskräfte? Inder. Mittenmang die einheimischen Männer mit ihren blütenweissen Gewändern und die mehr oder weniger stark verhüllten Frauen in ihren schwarzen Kleidern. Nur hier kann man aus einem Kilometer Entfernung Männlein und Weiblein so leicht auseinanderhalten!
Nach einem kleinen Spaziergang durch die ebenfalls sehr gepflegte Dattelpalmenoase, krampfhaft versuchend, den überall mit einem satten “Plopp!” herunterfallenden Datteln auszuweichen, stiegen wir in ein Taxi und lotsten es zum Grenzübergang. Derer gibt es zwei in der Stadt – einer kann nur von Golfstaatenbewohnern benutzt werden, der andere auch von Leuten wie uns. Bis in die 1990er war die Grenze an dieser Stelle wohl offen, doch die VAE entschied sich dann doch, eine Grenze hochzuziehen, um unliebsame Einwanderer fernzuhalten, die den Oman als Transitland nutzen. Es waren weit über 5 Kilometer bis zur Grenze, und wir zahlten 15 Dirham. Einheimische lotsten uns zu einer Hütte, wo wir unsere Ausreisestempel abholten. Der Stempelmann murmelte irgendetwas auf Englisch von wegen “bevor wir zurückkommen, brauchen wir einen Ausreisestempel auf der anderen Seite der Grenze” oder so. Das leuchtete in dem Augenblick ein. Man entliess uns aus der Hütte, und schon waren wir im Oman. Und dort war nichts: Keine Grenzpolizei, kein Zoll, keine Wechselstuben, einfach gar nichts, Nicht einmal ein Willkommensschild. Sehr merkwürdig, Wir liefen an ein paar Autorwerkstätten vorbei und bald erblickten wir ein Taxi. Ich hielt das Taxi an und fragte, ob er auch VAE-Geld akzeptiert. Tat er. Ich sagte “ins Zentrum”, und er reagierte verwirrt. Zentrum? Naja, zentraler Platz, Geschäfte, Imbissbuden, was weiß ich – Zentrum eben! Er fuhr erstmal los. Nach ein paar hundert Metern kamen wir an einer kleinen, aber schönen Festung vorbei. Er hielt an und fragte, ob wir sie uns ansehen wollen. Sicher doch! Er liess uns aussteigen und sagte, er komme sofort wieder, in 5 Minuten. Die Festung war so schön wie geschlossen. 20 Minuten später kam der Fahrer wieder und fuhr uns einen knappen Kilometer. Da sah es so wie Zentrum aus – also so, wie man sich eben das Zentrum einer unbedeutenden omanischen Wüstenstadt eben vorstellt. Ich fragte, wieviel er für die Taxifahrt verlange. “So viel wie ihr denkt das es wert ist”, lautete die Antwort. Das habe ich von einem Taxifahrer seit meinen Touren durch Rumänien nicht mehr gehört. Ich sage “20 Dirham” – schliesslich habe ich auf der anderen Seite für eine wesentlich längere Strecke nur 15 bezahlt. Taxifahrer schaute enttäuscht. Er sagte mir, er hätte eher an 40 Dirham gedacht. Das kann er gerne tun, aber ich dachte nicht dran und fort war er, etwas mürrischer als vorher.
Das Zentrum der Kleinstadt al-Buraimi also. Ebenfalls ziemlich sauber, aber die Häuser und Läden sahen spürbar ärmlicher aus. Alles hatte geschlossen, bis auf zwei kleine pakistanische Restaurants. Der Taxifahrer hatte uns kurz zuvor aufgeklärt: Der Tag des Fastenbrechens ist von Land zu Land leicht unterschiedlich, und in Oman war eben heute Id al-fitr, das offizielle Ende des Ramadan. Das ist wie Weihnachten und Ostern zusammen (nun gut, es ist der zweitwichtigste Feiertag im Islam, wie es scheint), und dementsprechend hatte alles zu. Die Strassen waren wie leergefegt. Burg hatten wir gesehen, und es begann, wärmer und wärmer zu werden. Also trollten wir uns wieder Richtung Grenzübergang. Es ging zur gleichen Amtsstube wie vorher, doch dort verweigerte man uns die Einreise:
“Sie brauchen zuerst einen Ausreisestempel aus dem Oman!”
“Woher genau bekomme ich den denn?”
“Vom anderen Grenzübergang in [interessante, unnachahmbare Laute hier einfügen]”
“Wie komme ich dorthin?”
“Nur mit Taxi”
“…”
Man zeigte auf ein omanisches Taxi. Mit einem uralten Fahrer. Ich fragte nach dem Preis, und er zeigte mir einen 500-Dirham-Schein. Das sind 100 Euro. Und meiner Kenntnis nach war der nächste Grenzübergang nur 4 km entfernt. Das roch stark nach Aufpreis, errechnet aus dem (Ahnungslosigkeit-im-Gesicht + Shorts + Sonnenbrille + blasse Hautfarbe) * ÄtschbätscheinanderesTaxifindetihrhiersoschnellnicht²-Koeffizienten. Ich erhob natürlich Einspruch. Leider verstand der Herr kein Wort Englisch, also rief er jemanden hinzu, der übersetzen konnte. Plötzlich hiess es 300 Dirham. Das kam mir immer noch zu viel vor. Schließlich hatte ich am morgen für 150 km – im Nachttarif wohlgemerkt – gerademal 240 Dirham bezahlt. Doch weiter liess der Fahrer nicht mit sich handeln. Das kann doch nicht wahr sein, dachte ich mir, machte die Tür zu und machte Anstalten, zu gehen. Wenig später kam der Fahrer nebst Dolmetscher hinterher, zeigte auf meine Tochter und sagte “200 Dirham. Weniger geht wirklich nicht. Ist ein weiter Weg”. Wäre ich allein gewesen, wäre ich stur geblieben, aber mehr wollte ich dem 6-jährigen, schwitzenden Mädchen nicht zumuten. Notgedrungenerweise stiegen wir ein, und das Taxi brauste los – erstaunlicherweise in eine ganz andere Richtung. Wir bretterten durch die Wüste. 10 km. 20 km. 30 km. Die Wüste wurde immer schroffer, es sah aus wie auf dem Mond, nur mit Beleuchtung. Nach gut 30 km kamen wir an einem völlig anderen Grenzübergang mitten im Nichts an: dem Wadi al-Jizzi-Übergang. Das Gebäude auf omanischer Seite war hochmodern aber in traditioneller Architektur gebaut und im Inneren 25 Grad kälter als draussen. Wir stellten uns an. Um Visa, Einreisestempel UND Ausreisestempel gleichzeitig zu bekommen. Das Visum kostete 5 Rial Omani für 10 Tage (nun gut, für uns 5 Stunden), also 10 Euro etwa. Nach einer knappen halben Stunde war alles erledigt und der Taxifahrer bretterte mit uns zurück zum Grenzübergang, wo wir endlich aus- und wieder einreisen konnten.
Gleichzeitig erfüllte sich so der Alptraum eines Hobby-Numismatikers: Da war ich also im Oman, und habe nicht die geringste Chance gehabt, omanisches Geld zu tauschen und zu benutzen! So ein Ärger aber auch. Wie oft hört man denn schon Freunde und Bekannte sagen: “Du, ich war letzten Sonnabend im Oman!” – “Ach ja? Hey, hast Du vielleicht ein paar Münzen oder Geldscheine über, die du nicht mehr brauchst?”.
Kaum hatten wir die Grenze passiert, hielt ein grosser, dicker Mann in einem sehr teuren Auto neben uns und fragte im feinsten Englisch, wo wir hinwollen. Sicher, man soll nicht zu fremden Männern ins Auto steigen. Erst recht nicht mit Kindern. Aber ich bilde mir ein, einen Riecher dafür zu haben, und überhaupt habe ich mich selten so sicher gefühlt wie in den Emiraten. Selbst Japan erscheint wie ein gefährliches Pflaster dagegen. Er meinte, er könne uns ins Stadtzentrum mitnehmen. Wir stiegen ein. Der Mann entpuppte sich als Sudanese, der vor achwievielen Jahren nach Dänemark gezogen war und nun im Auftrag seiner Firma in Al-Ain arbeitet und in al-Buraimi lebt, da dort die Miete viel billiger sei. Ich sollte (gottseidank) Recht behalten – ein sehr interessanter, sehr gebildeter Mann, von dem ich einiges erfahren konnte.
Er liess uns neben einem schmucken Park mit grossem Spielplatz kurz vor dem Zentrum raus – direkt an der beinahe mit der Berliner Mauer konkurrienden Landesgrenze. Den Spielplatz hatte meine Tochter, wenn sie auch sonst schon nahezu provokatorisch nicht aus dem Fenster schaut, auf der Hinfahrt im Taxi bemerkt. Na bitte, soll ja niemand zu kurz kommen! Der Spielplatz war wirklich sehr schön, und absolut menschenleer. Viele Klettergerüste, Schaukeln, Rutschen und was alles. Alles schön aus Metall und in der Sonne stehend. Bein Anfassen verbrannte man sich fast die Finger. Das war selbst meiner spielwütigen Tochter zu viel.
Die Zeit kam uns beinahe wie eine Ewigkeit vor, doch es war erst kurz nach zwölf. Essen fassen. In einem typisch arabischen Restaurant. Dort gab es Hoummous (die andere Schreibweise, “Humus”, mag ich irgendwie nicht…”), Fladenbrot und sehr viel Gemüse. Und wenn es einen Grund gibt, wieder und wieder in den Nahen und Mittleren Osten zu fahren, dann ist es eben jenes Hoummous. Das ist wie Sushi in Japan, halbe-Tiere-grillen in Russland oder Currywurst in Berlin. Und das sagt nebenbei gesagt jemand, der sich sonst nicht allzuviel aus Bohnen macht. Nach dem oppulenten Mal, inkl. einer Flasche Wasser kostete es gerade mal 12 Dirham, schauten wir uns noch eine kleine alte Festung in der Nähe an und fuhren mit dem Fernbus nach Abu Dhabi. Die Temperatur lag mittlerweilen bei knapp 50 Grad, die Sonne brannte und der Wind wehte. Wie sich das anfühlt? Einfach einen Heißluftfön ins Gesicht halten und ab und an ein paar Krümel Sand hineinstreuen! Demenstprechend war nicht mehr viel zu machen. Wir zogen uns in ein vorher gebuchtes Hotelzimmer irgendwo zwischen Flughafen und Stadtzentrum zurück, schliefen bis Mitternacht und flogen gegen 2 Uhr nachts nach Deutschland.
Auf dem Rückflug hatten wir wieder viel Zeit in Abu Dhabi – von 6 Uhr morgens bis 10 Uhr abends. Dieses Mal schauten wir uns in der Stadt um und gingen Souvenire jagen für die liebe Verwandschaft. Wieder waren es knapp 50 Grad. Und der kurze Nachtflug von Berlin nach Abu Dhabi machte die Sache nicht einfacher. Sicher – Abu Dhabi ist schon interessant, und ich werde der Stadt sicherlich, wie es Tradition ist, auf dieser Webseite eine eigene Seite widmen. Aber spektakulär ist die Stadt nicht, zumindest nicht, wenn man sowieso schon in einer Großstadt wohnt.
Vielleicht sollte ich noch anmerken, dass ausnahmslos alle Leute, denen wir in den Emiraten über den Weg rannten, ausgesprochen nett und zuvorkommend waren. Mit Englisch kommt man ohne Mühen überall hin und durch. Vor Taxifahrern in Oman sei allerdings gewarnt…
Der Plan, mit diesen Flügen den Jet Lag zu reduzieren, ging, das sollte auch noch angemerkt werden, voll auf. Kein Jet Lag. Nichts. Wir waren viel zu müde dafür nach den Tagesausflügen. Und da die Zeit nur kurz war, wird dies auch der einzige Beitrag zum Thema sein. Ab jetzt geht es weiter – zur Abwechslung mit Themen aus und über Japan. Inshallah.
Ein schöner Reisebericht, herzlichen Dank. Gibts auch noch einen von Deutschland? Würde mich sehr interessieren wir deine Tochter Deutschland erlebt hat. Cheers!