BlogInselstreit - wie weit wird China gehen?

Inselstreit – wie weit wird China gehen?

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Eigentlich bin ich (und bestimmt viele Leser) das Thema leid – aber momentan kann man es einfach nicht ignorieren: Der Streit um die Senkaku-Inseln eskaliert momentan auf eine bisher nicht dagewesene Art und Weise. Angestoßen wurde die Krise dieses Mal durch den stramm rechts ausgelegten Bürgermeister von Tokyo, Ishihara, der im April 2012 vorschlug, das Tokyo die Inseln von ihren Privatbesitzern kaufen sollte. Der Preis wurde auf ein paar Millionen Euro festgelegt – ein recht niedriger Preis, der sich damit erklären lässt, dass man das Land nicht aktiv nutzen kann. Flugs sammelte Ishihara Spendengelder ein, doch dann mischte sich der Staat ein und erklärte, er werde die Inseln kaufen.
In China wird dies als schwerer Affront gesehen, und man begann, das Thema aufzugreifen und Proteste zu schüren. Man folgte in jüngster Zeit dem globalen Trend, sich über das Internet zusammenzurotten, und nebenher Botschaftspersonal und Konsulate anzugreifen. In einem Vorfall vor wenigen Wochen zwangen zum Beispiel zwei Fahrzeuge in Peking den japanischen Botschafter zum Anhalten – um schließlich die japanische Flagge vom Dienstwagen zu entfernen. Heute wurde das Konsulat in Shanghai angegriffen – etliche Scheiben gingen zu Bruch. Sushibars und japanische Supermärkte sowie Produktionsstätten einiger japanischer Firmen wurden verwüstet. Reisegesellschaften stornieren alle Touren nach Japan, und das kann ich bestätigen: Wenn ich abends nach Hause komme, höre ich überwiegend Chinesisch am Bahnhof (Tokyo Disneyland ist bei chinesischen Touristen sehr beliebt), doch seit Tagen schon habe ich keine Chinesen mehr gesehen.

Baidu-Startseite am 18. September: Ähnlichkeiten mit Google sind freilich rein zufällig

Die Teilnehmerzahlen bei den antijapanischen Demonstrationen sind nicht allzu groß – in der Regel maximal ein paar Tausend – aber es sind freilich dennoch unschöne Szenen: Von der obligatorischen Flaggenverbrennung mal abgesehen, fordern einige Demonstranten den Krieg mit Japan oder das Töten von Japanern. Stimmen nach einem Boykott japanischer Waren werden ebenfalls lauter. Soweit ist noch nichts ernsthaftes geschehen, aber man kann sich gut vorstellen, dass die in China lebenden Japaner (allein in Shanghai sollen es wohl um die 100,000 sein) sich momentan nicht sehr wohlfühlen. Zahlreiche japanische Firmen haben ihre Produktionsstätten heute geschlossen, da heute auch noch in China der “九一八”事变纪念日 (Gedenktag zum 9-18-Vorfall) begangen wurde (dieser Vorfall ist in Deutschland offiziell als Mukden-Zwischenfall oder Mandschurei-Zwischenfall bekannt und markierte den Beginn des japanischen Einmarsches in Nordostchina im Jahr 1931).
Momentan fährt man somit in China deshalb das ganz große, nationale Geschütz heran. Ein Blick auf Baidu, dem chinesischen Google-Ersatz, zeigt, woher der Wind weht: Die Senkaku (bzw. auf Chinesisch Diaoyu)-Inseln mit großer chinesischer Flagge darauf (siehe Screenshot). Ein erneute Flotte kleinerer chinesischer Trawler ist wohl auf dem Weg zu den Inseln, um sich dann dort mit der japanischen Küstenwache auseinanderzusetzen. Das ist allerdings nicht das erste Mal.
Ein paar Dinge sind bei der jetzigen Eskalation ganz interessant:

  1. Die Berichterstattung steht in keinem Verhältnis zur Größe der Demonstrationen – es wird stark aufgebauscht.
  2. Die Proteste fallen in eine Zeit zahlreicher innerpolitischer Querelen in China und kurz vor dem Parteitag
  3. Die japanische Börse ignoriert die Vorkommnisse soweit – obwohl China mit Abstand wichtigster Handelspartner ist
  4. Das sonst so rigide System in China mischt sich nur halbherzig ein
  5. Die meisten Demonstranten scheinen sehr jung zu sein
  6. Man sieht zahlreiche Mao-Plakate bei den Demonstrationen. Allerdings sehen die Demonstranten nicht wie arme Schlucker vom Land aus, die sich nach dem Hardcore-Kommunismus zurücksehnen, sondern eher nach gebildeter Stadtbevölkerung.

Zur Unterhaltung ein paar Links zum Thema:

und so weiter…

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

8 Kommentare

    • Klingt für mich eher nach Wählerverarschung. Wenn innenpolitisch nix klappt muss mal wieder ein äußerer Feind her…
      Mit etwas Pech reden sich jetzt alle so weit rein dass ein Krieg folgt. -.^

  1. Hallo! Wenn man weiss, dass bei den Inseln (größere?) Ölvorkommen vermutet werden, wer weiß, dass China immer Öl importieren muss (laut aktuellem BP-Welt-Energiebericht kann China nur noch etwa 40% des eigenen Ölbedarfs im eigenen Land fördern), wer weiß, dass auch Japan nach dem Ausfall und der absehbaren Abschaltung aller verbliebenen Atomreaktoren zumindestens offiziell ein Energieproblem bekommt, wer den Begriff Peak Oil und seine Folgen kennt und dies nicht nur als Hoax betrachtet, wer die aktuelle weltpolitische Lage sieht (USA brauchen bald wieder einen größeren Krieg, wegen stark steigender Benzinpreise, für ein besseres Gefühl der Aktionäre der heimischen Rüstungfirmen und wegen immer schlimmer werdender Zustände im eigenen Land in allen Bereichen – Gesundheitsversorgung, Strassen und Brücken, Arbeitslosigkeit etc.) wo der erhoffte Putsch in Syrien vom Westen anscheinend nicht mehr zu erreichen ist und man daher eine andere politische Ablenkungsmöglichkeit braucht, der muss leider zu dem Schluss kommen, dass diese aktuelle Auseinandersetzung um diese kleinen Inseln womöglich wirklich zu einer größeren Sache werden könnten. Vor kurzem erst hat die USA Japan Hilfe bei der Stationierung von Raketenabwehrtechnik offiziell angeboten. Ich habe irgendwo gelesen, dass Japan die Inseln aufkaufen würden, um sie später der chinesischen Regierung als Geschenk anzubieten, was wiederum später ein noch größeres Geschenk von China an Japan bedeutet (z.B. den Aufkauf von ebenfalls umstrittenen russischen Inseln durch China und deren Weitergabe an Japan). Wenn das Ganze sich nur zwischen Japan und China abspielen würde, dann hätte ich, vor allem aufgrund des letzten Hinweises auch keine Bedenken. Da aber wie gesagt auch die USA so langsam mit dem Rücken an der Wand stehen (in vielerlei Hinsicht, und nicht nur weil man die USA in arabischen Ländern immer weniger mag), ist es verständlich dass diese sich mehr oder weniger offen in diesen Konflikt einmischen und ihn auch am Köcheln halten, so dass beide Seiten kaum noch ohne Gesichtsverlust aus dieser Sache herauskommen. Ich kenne mich mit japanischer Politik überhaupt nicht aus, aber irgendwie habe ich so das Gefühl, dass sich der Oberbürgermeister bzw. Gouverneur von Tokyo-to nicht einfach aus einer Sake-Laune heraus sich so weit aus dem Fenster gelehnt hat, dass er keine feste Verbindung mehr zwischen sich und dem Gebäude hat, da er ja schließlich auch ein Gesicht zu verlieren hat. Da dürften im Hintergrund diverse Unterstützungserklärungen vorausgegangen sein. Wieviel einfacher wäre es gewesen, wenn sich China und Japan und vielleicht auch noch Taiwan auf eine gemeinsame Förderung des Erdöls und wahrscheinlich auch Erdgas geeinigt hätten, z.B. jeder ein Drittel der Förderung. Alle hätten was gehabt, keiner hätte sein Gesicht zu verlieren gehabt, es würde keinen völlig unsinnigen und wirtschaftlich schädlichen Krieg bedeuten. Was mir jetzt noch einfällt, was ich aber nicht weiter ausführen werde, ist, dass sowohl China als auch Japan ein Problem mit der Bevölkerung haben.

  2. Die Schüler werden scheinbar weder von Eltern noch von der Schule richtig aufgeklärt … bzw. falsch informiert.
    Ich hab mir heute bei meinen 12- bis 13-Jährigen anhören dürfen, wie sehr sie doch China und die Chinesen hassen ….
    Ich hoffe wirklich, dass die ihr kindisches Verhalten bald einstellen.
    Soll die Insel eben an ein drittes Land gehen.
    Wie sagt man bei uns in der alten Heimat so schön: Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte.

  3. Ich sage ja ganz gerne “China, der lächelnde Kotzbrocken”. Bei aller Liebe zum ostasiatischen Kulturkreis, aber meine Füße werden allerhöchstens mal Hongkong betreten, der Rest des Landes kann mir gestohlen bleiben.
    Was mich persönlich am meisten ärgert, ist, dass die industrialisierte Welt selbst schuld ist, indem sie China so hoch aufgepäppelt haben, dass es wirtschaftlich kaum mehr ohne das Land geht. Jetzt ist eigentlich die letzte Ausfahrt, um Produktionsstätten aus China abzuziehen. Hat Vietnam nicht auch günstige Arbeitskräfte? Oder Rumänien? Oder…? Der potenzielle Markt in China mag am größten sein, aber mir scheint die Probleme sind es auch.
    Fairerweise möchte ich dazu sagen, dass sich mein Zorn hauptsächlich gegen die Politik bezieht oder nicht gegen die Bevölkerung, die zu den Ereignissen selbst mit dem Kopf schüttelt.

  4. Letzte Woche gab es da doch in Fukuoka diesen Vorfall vor dem Konsulat. Da japanischen Nachrichten für mich immer noch schwere Kost sind, weiß jemand was da genau vorgefallen ist? Ich habe nur soviel mitbekommen, dass da irgend so ein Genie versucht hat, seinen Beitrag zur Eskalation zu leisten.
    Ich hatte die Nachricht nur so am Rande wahrgenommen. Am nächsten Tag konnte man aber am Tenjin Bahnhof kaum einen Schritt tun, ohne dabei einem Polizisten auf den Fuss zu treten. Ich hab in Fukuoka ehrlich gesagt noch nie soviel Polizei auf der Strasse gesehen.

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