Gestern war “成人の日” (seijin no hi) – der Tag der Erwachsenen. Bzw. des Erwachsenwerdens. Alle 20-jährigen werden dabei hübsch in Kimono oder Anzug verpackt und zu diversen Zeremonien getrieben. Ich wohne in Urayasu – dort steht “Tokyo Disneyland”. Und wie jedes Jahr fand die Zeremonie der Urayasuaner in Disneyland statt. Die Stadt spendiert dazu jedes Jahr allen Neu-Erwachsenen freie Tageskarten. Das ist doch schön: So kann man die neue Lebensphase gleich passend einläuten. Mit Minnie Mouse und Mickey Mouse, die sich auf der Bühne einen dicken Schmatzer geben.
Wie jedes Jahr wurde das Ereignis in den Medien gründlich durchleuchtet – wo welche traditionelle Zeremonie stattfand und was die Frischlinge so zu sagen habe. Dieses Jahr war es übrigens etwas besonderes: Zum ersten Mal wurden Heisei-Geborene Erwachsene. Heisei – das ist das Motto des Kaisers (Bedeutung: Frieden überall), der nun im 21. Jahr regiert. Dieses Jahr ist dementsprechend Heisei 21 (平成21). Davor war es Showa (auf Formularen muss ich zum Beispiel meistens mein Geburtsjahr mit Showa 49 angeben).
Ein paar 20-jährige wurden gefragt, was “Showa” denn für sie bedeutet. Die Antworten waren ganz grosse Klasse “alt” war da zu hören, “Retro”, “Vergangenheit”. Da freute sich bestimmt die Midlife-Crisis in vielen Showa-Geborenen.
Klar, dass sich viele der 20-Jährigen verunsichert zeigte. Ausgerechnet das Jahr, in dem sie 20 werden, gilt unter Wirtschaftspolitikern als das wirtschaftlich schlechteste Jahr nach dem Krieg, und der ist ja schliesslich 64 Jahre her.
20 ist auch das Alter, in dem sich so manche Studenten nach einem Job umschauen. Das läuft in Japan nach festen Regeln ab. Vor der Festeinstellung bekommt man in der Regel einen “内定” (naitei)-Bescheid, was so viel bedeutet wie “intern bestimmen” – ein inoffizieller Arbeitsvertrag gewissermassen. Was freilich Grund zum Feiern ist. Ungeschriebenes Gesetz ist es schon seit langem, dass dieser Bescheid einer festen Einstellung gleichkommt. Doch aufgrund der schnellen wirtschaftlichen Veränderung gab es ein trauriges Novum in dieser Saison: Über 300 angehende Abgänger bekamen Monate nach dem Bescheid ein Ablehnungsschreiben. Das hat gravierende Folgen: Sie müssen ein Jahr warten, bis sie wieder irgendwo anfangen können (wenn es ein vernünftiger Job sein soll). Und sie haben dann schlechtere Karten, weil in ihrer Vita 1 Jahr fehlt.
Wollen wir hoffen, dass es bei den 300+ bleibt. Ansonsten kann man ja – so man in Urayasu wohnt – derweil mit Mickey Mouse einen drauf machen.
das muss ja frustrierend sein, mit 20 eine Zeremonie und das noch mit Mickey und Minni. Wäre für eine Zeremonie in einer Discothek oder einer Festhalle oder einer Kneipe, aber sowa kindisches.
“Folgen: Sie müssen ein Jahr warten”
Es gibt in Japan wirklich nur einen Termin im Jahr, wo man einen “vernünftigen Job” antreten oder wechseln kann?
grad erfahren, ist ja unterschiedlich von Region zu Region, eine Region macht einen Kanji test, eine andre schreibt Briefe in 10Jahre Zukunft, andre Springen im Sommer BungeeJumping, andre haben einen FashionShow^^
Nein, es gibt noch einen “Nachtermin” im Herbst, fuer die die im April keinen Job abbekommen haben. Der Loewenanteil der Jobs wird aber im April vergeben. Japan ist eben eine sehr strikte und regelverliebte Gesellschaft (etwas, was viele “Japanfans” in D. oft uebersehen).
Es gibt natuerlich auch so noch Einstellungsverfahren das ganze Jahr ueber … aber wie gesagt, fast alle “festen” Stellen werden zum April ausgeschrieben.
@Jürgen
“Radio Eriwan”: Im Prinzip ja, viele Firmen stellen zum 1.4. ein (Fiscaljahresanfang) und die Interviews dazu finden im August des vorherigen Jahres an.
Auf vielen Homepages stehen jetzt schon die Termine für einen Beginn in 2010.
Ich habe gehört (IIRC JapanTimes) das etliche Firmen diese nachträglichen Absagen schickten (insofern mag die 300 ev. für Tokio allein gelten) und das HelloWork (Die japanische Version der Agentur für Arbeit) diese Firmen eventuell deswegen an den Pranger stellt.
Grund, wenn eine Firma durch sowas als unzuverlässig geoutet wird kann das bedeuten das die dadurch bei den folgenden Absolventen weniger Interessant ist.
Da in Japan im Moment wohl ein Stellenüberangebot im Vergleich zu den Absolventen in den Ingenieurfächern geben soll, könnte das durchaus dann nachteilig sein.
Da lob ich mir doch unsere schöne alte Jugendweihe. Und mit 18 war sowieso alles zu spät.
Ich habe bereits von den doch sehr zeitlich beanspruchten Schülern in Japan gehört. Aber gibt es denn keine Jobs für Schüler und Studenten
@Terry
äh ja klar, Conbini, Tankstelle etc.pp.
der Termin im April ist für “richtige” sprich permanente Arbeit.
Hakken und アルバイト(Nebenjobs) sind natürlich Ganzjährig verfügbar.
Und auch Seiteneinsteiger/nicht Berufsanfänger, werden mittlerweile zu anderen Zeiten als April eingestellt.
Nendo (年度 / ねんど), also das neue Jahr beginnt mit dem 1.4. und endet am 31.3. Nicht zu verwechseln mit dem Kalenderjahr.
Für Schulen, Firmen und Büros endet das alte und beginnt das neue nendo im Frühling (je nach “Themengebiet” kann ein nendo auch andere Starttermine haben). Das Fiskaljahr ebenfalls und grosse Projekte starten auch dann, sprich zu diesem Termin braucht man Arbeitskräfte. Das hat nix mit regelverliebt zu tun sondern es wurde einfach vieles auf diesen Termin ausgerichtet. Das ist ja bei uns teils auch so. Wo ich herkomme gibt es 2 fixe Zügeltermine pro Jahr und die meisten richten sich danach – und richtig mögen tut das glaub keiner.
Und um vom 年度 den Bogen zum 成人の日 zu spannen: diesen feiern all diejenigen, die im entsprechenden _Fiskaljahr_ 20 wurden/werden. Dies verwirrt neben Ausl
Das habe ich ja noch nie gehört, dass die da so eine Zeremonie abhalten. Aber es klingt sehr interessant. Ich glaube, so was könnte man in Deutschland nicht machen. Da wird einfach nur ganz normal Geburtstag gefeiert aber doch so was nicht. Ich finde es aber eine gute Idee und ich glaube, dass so den jungen Menschen auch besser bewusst wird, dass sie jetzt Erwachsen sind und mehr Verantwortung übernehmen müssen. Ich würde da gerne mal dabei sein, aber das wird wohl nicht gehen oder?