BlogDas Corona-Mysterium: Extrem niedrige Werte halten an

Das Corona-Mysterium: Extrem niedrige Werte halten an

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Vor drei Monaten noch haben wir hier in Japan sehr neidisch auf Deutschland, die USA und andere Länder geschaut: Während man dort in den Nachrichten immer mehr Videos von Menschenansammlungen und Menschen ohne Maske sah, stiegen die Zahlen in Japan unaufhörlich, und zwar so stark, dass die 7-Tage-Inzidenz in Tokyo bei über 100 lag – zum ersten Mal seit Beginn der Pandemie, die Olympischen Sommerspiele ganz ohne Zuschauer stattfinden mussten und die Regierung empfahl, jegliches Reisen einzustellen. Neidisch schauten wir auch auf die Impfraten: Während die Zahlen der Geimpften in Europa und den USA schnell anstiegen, war es in Japan schwer, einen Termin zu bekommen. Trotzdem kam natürlich etwas Optimismus auf: Offensichtlich brachten die Impfungen etwas, also versprach der Blick gen Europa auch ein Blick auf die Zukunft dessen, was auf Japan zukommen sollte: Sinkende Zahlen, und eine langsame Rückkehr zur Normalität.

Entwicklung der täglichen Neuinfektionen in absoluten Zahlen in Japan und Deutschland. Graphik-Quelle: https://ourworldindata.org/
Entwicklung der täglichen Neuinfektionen in absoluten Zahlen in Japan und Deutschland. Graphik-Quelle: https://ourworldindata.org/

Leider sieht die Realität etwas anders aus, und sie zeigt, wie unberechenbar, selbst nach fast zwei Jahren, diese Pandemie ist. Die Zahlen in Deutschland sind erschreckend – in Japan hingegen sinken die Zahlen seit Ende August unaufhörlich. Die Inzidenz in Tokyo, also Neuinfektionen pro 100,000 Einwohner in den vergangenen 7 Tagen, liegt nun bei rund 1.0. In ganz Japan wurden gestern, am 24. November 2021, ganze 75 Neuinfektionen gemeldet – 31 von 47 Präfekturen meldeten Nullwerte, in Tokyo waren es 5. In Deutschland explodieren die Zahlen hingegen unaufhörlich – ein Blick auf das, was Japan auch in Bälde wieder blühen wird?

Sicher, auch in Japan wird Corona nicht ganz verschwinden – aber mit einem Anstieg wie in Deutschland rechne ich persönlich nicht, denn Japan hat seine Grenzen mehr oder weniger geschlossen gehalten, und die strengen Quarantäneregeln für Rückkehrer bedeuten, dass kaum Ausländer reinkommen – und kaum Japaner ins Ausland fliegen. Selbst die Reisen innerhalb Japans sind noch immer nicht annähernd so häufig wie vor der Pandemie. Auch was das Tragen von Masken angeht – es hat sich eigentlich nichts seit Februar 2020 verändert. Kurz gesagt: Wenn andere Länder locker lassen, lässt man hier kaum locker. Wenn andere Länder strikter werden, wird man hier kaum strikter.

Erstimpfungsquote in Japan und Deutschland: Japan liegt nunmehr an der Spitze. Graphikquelle: https://ourworldindata.org/
Erstimpfungsquote in Japan und Deutschland: Japan liegt nunmehr an der Spitze. Graphikquelle: https://ourworldindata.org/

Liegt der so unterschiedliche Trend in Deutschland und Japan an der Impfquote? Japan hat zwar erst mit einer Verspätung von mehreren Monaten begonnen zu impfen, und die Skepsis war anfangs groß in der Bevölkerung. Doch Mitte September hatte Japan bereits zu Deutschland aufgeschlossen. Nun liegt Japan bei der Impfquote an der Spitze der OECD-Länder – 76,5% sind nun zweifach geimpft, und 78,7% ein Mal. Nahezu jeder, der sich impfen lassen wollte, hat sich nun impfen lassen können.

Persönlich wage ich es jedoch zu bezweifeln, dass dies der einzige Grund ist. Sicherlich spielen noch andere Gründe eine Rolle – und zwar zum einen das Klima, zum anderen die quasi pausenlose Disziplin in Japan (Masken tragen und Social Distancing sind nicht erst sei Corona in Japan angesagt). Klima deshalb, weil im Sommer in Deutschland die Fenster oft geöffnet sind – während in Japan aufgrund der Hitze die Fenster meist geschlossen sind. Im Herbst ist es dann andersrum. Da es nun aber auch in Japan allmählich kälter wird, würde mich der Beginn einer neuen Welle jedoch nicht wundern.

Interessant ist in Japan, wie sich ein Volk von Impfskeptikern gewandelt hat. Sehr viele Japaner hatten aufgrund der Medienberichterstattung enorme Bedenken wegen der Nebenwirkungen. Das verflog irgendwann im September – und in Japan herrscht nunmehr die jüngst von Jens Spahn anermahnte Ansicht, dass die Coronaimpfung eine moralische gesellschaftliche Pflicht ist. Meiner Meinung hat er damit Recht. Wenn man schon nicht meint, selbst die Impfung zu benötigen, so sollte man doch schon bedenken, dass es auch Mitmenschen gibt. Ich hoffe, dass sich das irgendwann mal durchsetzt und eine Impfpflicht deshalb nicht erforderlich ist. Wenn sich 10% aus irgendwelchen Gründen nicht impfen lassen wollen – nun gut, so sei es. Aber ein Drittel ist offensichtlich zu viel, um eine Rückkehr zur Normalität zu gewährleisten.

Ob geimpft oder nicht – ich hoffe natürlich, dass es allen Lesern dieses Blogs in Deutschland gut geht und das Virus Euch verschont. Und ich hoffe, dass die Zahlen in Japan halbwegs niedrig bleiben. Irgendwie ist letzteres aber fast schon egal, da sich sowieso kaum etwas ändert. Das ist bei steigenden Fallzahlen gut so, und bei niedrigen Fallzahlen manchmal etwas ärgerlich.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

2 Kommentare

  1. Die aktuell niedrigen Zahlen liegen sicherlich auch mit daran, dass die Impfungen in Japan noch nicht so lange zurück liegen wie in Deutschland. Der Schutz vor einem schweren Infektionsverlauf soll länger erhalten bleiben, aber der Schutz vor einer Infektion an sich und damit auch der Schutz vor Übertragung lässt ein paar Monate nach der Impfung deutlich nach. Dann breitet sich das Virus in der Gesellschaft wieder schneller aus.

  2. Allmällich habe ich das Gefühl das die Pandemie nie aufhöhren wird. Das Problem sehe ich nicht nur bei den Impfskeptiker, sondern auch daren das in meinem Bekanntenkreis die Meinung herscht das durch die Impfung alles gut geht, was aber nicht stimmt. Man ist immer noch ansteckbar, man kann andere anstecken und wenn man Pech hat dann wirkt das Mittel nicht das man gespritzt bekommen hat, so wie es einem guten Kollegen von mir ergangen ist.

    Ich hatte im Büro schon Diskussion mit Kollegen weil einige meiner geeimpften Kollegen, denken das sie die Hygiene Regel nicht mehr ernst nehmen müssen und teilweise schon gereizt reagieren wenn ich sie darauf hinweise in meinem Büro die Hygiene Regeln zu beachten.

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