BlogCoronazahlen sinken - doch wie geht es nun weiter?

Coronazahlen sinken – doch wie geht es nun weiter?

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Endlich ist Japan an einem Punkt angelangt, an dem es eindeutig ist: Die jüngste Coronawelle, vor allem vorangetrieben durch die Delta-Variante, ebbt ab. Lag die Zahl der Neuinfektionen vor einem Monat noch bei rund 100 Fällen pro 100,000 Einwohner, so sind es nun nur noch 42. Einzig Okinawa hat eine Inzidenz über 100. Und während man in Tokyo zu jener Zeit noch bis über 5,000 Neuinfektionen pro Tag verzeichnete, so sind es nun “nur noch” knapp 1,000. Es bleibt trotzdem vorerst alles beim Alten. Der Ausnahmezustand gilt weiterhin, vor allem für die Metropolregionen, und das vorerst bis September. Nach wie vor werden Politiker und Experten nicht müde, zu warnen, und die Menschen werden gebeten, zu Hause zu bleiben. Bilder aus Europa und den USA von den Strassen und von Großveranstaltungen, mit Menschenansammlungen ohne Maske, sind schlichtweg undenkbar. Eine Corona-Sommerpause in dem Sinne gab es in diesem Jahr einfach nicht.

Corona-Inzidenz in Japan am 18. August – landesweiter Durchschnitt: Knapp 100

Corona-Inzidenz in Japan am 15. September – landesweiter Durchschnitt: 42

Hier und da hört man aus der Politik, dass der seit über zwei Wochen anhaltende Rückgang ein Erfolg des Ausnahmezustandes sei – ist es aber nicht, denn wenn man sich genau umsieht, ist noch immer alles beim Alten. Sicher, vor allem die größeren Restaurantketten schliessen wirklich um 8 Uhr abends und schenken keinen Alkohol aus, doch viele kleine Restaurants und Bars haben geöffnet, und das nicht selten bis spät in die Nacht. So ist zumindest die Lage in Tokyo, doch in der Provinz sieht es anders aus – dort werden die Maßnahmen so strikt es geht ausgelegt, und der gesellschaftliche Druck ist groß, sich daran zu halten.

Nein, die Trendwende kann man zum größten Teil auf die voranschreitende Impfkampagne zurückführen, denn Japan hat endlich aufgeschlossen. Schon jetzt ist der Anteil der Geimpften höher als in den USA zum Beispiel. Fast genau 80 Millionen Menschen wurden bisher einmal geimpft (63% der Bevölkerung) und 64,6 Millionen zwei Mal (51%), und noch immer werden rund 300,000 Menschen pro Tag geimpft. Auch in anderen Ländern wurde deutlich, dass eine Impfquote von 50% und mehr zu einem spürbaren Rückgang führte – auch wenn das letztendlich nicht reicht.

Damit steht Japan vor dem gleichen Problem wie viele westliche Länder: Wie bewegt man den Rest der Bevölkerung, so 12 und mehr Jahre alt, dazu, sich zu impfen? Hier preschen nun erste Kommunen vor, die Impfpässe ausstellen und Händler und Unternehmen dazu anspornen, Vergünstigungen für Geimpfte anzubieten – so zum Beispiel in der Stadt Yokosuka (südlich von Yokohama). Vergünstigungen nach dem 2G oder 3G-Modell wie in Deutschland sollen allerdings erst im November eingeführt werden, und Genaueres ist soweit noch nicht bekannt. Noch gibt es also keinen nennenswerten Vorteil für Geimpfte und Genesene (und das mit dem Testen ist nach wie vor nur schwer möglich, es sei denn, man möchte ordentlich Geld dabei lassen).

Angesichts der sinkenden Zahlen fordert die Industrie nun erste Lockerungen der Regeln – inklusive der Einreiseregelungen nach Japan. Das dürfte jedoch noch eine Weile dauern, zumal damit mit Sicherheit nicht Touristen gemeint sind. Doch wer weiss – falls der Trend anhält und die Impfkampagne nicht ins Stocken gerät, und falls man sich mit dem Ausland auf ein einheitliches Ausweisen von Geimpften und Genesenen einigen kann, könnten einige Restriktionen womöglich schon gegen Jahresende fallen – eher wahrscheinlich ist da allerdings wohl das kommende Frühjahr.

Eins habe ich mir jedenfalls schon mal vorgenommen. Sollte die Zahl der Neuinfizierten in meinem 1,5-Millionen-Wohnort unter 50 (pro Tag) fallen, werde ich mir an einem Freitag abend auf dem langen Heimweg mit dem Fahrrad irgendwo ein Bier genehmigen. Das habe ich mir nach mehr als anderthalb Jahren verdient.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Hallo,
    da steigt meine Hoffnung, da ich meistens eher im Herbst Urlaub mache :-)
    Warum sich so viele nicht impfen lassen, erschliesst sich mir immer noch nicht, mal abgesehen von den Querdenkern, da weiß ich worans liegt, ist aber nicht dafür geeignet niedergeschrieben zu werden.
    Dann hoffen wir mal das der Trend anhält.

  2. Wollen mal hoffen, dass die “Zahlen” auch der Wirklichkeit entsprechen.
    “Tracing”, wie es so schoen auf Neuteutsch heisst gibt es nicht, und leider sterben noch immer zuviele in den “eigenen vier Waenden”, da keine Intensivstationbetten (was ein Wort) zur Verfuegung stehen. Aber ich muss zugeben, aufgrund der Impfstoffe sind die Zahlen der Infizierten ruecklaeufig und ich will hoffen, dass es auch so bleibt.

  3. Dies ist eine der besten, nein, allerbesten Quellen, um mehr über Japan zu erfahren. Herzlichen Dank! Ich lese, um mein Interesse an Japan zu befriedigen und um meine Reise vorzubereiten, die hoffentlich in 2023 stattfinden kann.

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