“Du, die Volksmasken sind heute angekommen!”
“Nein!”
“Doch!”
“Ohhhhh!”
Ja, es ist kaum zu glauben. Am 1. April beschloss das Parlament, jedem Haushalt zwei Stoffmasken gratis zukommen zu lassen. Zu der Zeit stieg die Zahl der Infizierten immer stärker an, bis sie gegen Ende April allein in Tokyo auf über 200 neue Fälle pro Tag stieg. Gestern waren es landesweit 25 Fälle, davon 5 in Tokyo, und heute waren es 10 Fälle in Tokyo, In 39 von 47 Präfekturen wurde der Notstand bereits aufgehoben, und seit ein paar Tagen können wir uns mit Masken totwerfen, da es sie plötzlich in jedem erdenklichen Laden zu ganz normalen Preisen zu kaufen gibt. Doch dann tauchten sie auf – die Retter in der Not. Die Abe-no-mask. Welch ein Theater. Und es wurmt viele Leute. Als ich in der vergangenen Woche das hiesige Postamt anrief, um eine vermisste Sendung zu verfolgen, sagte das Navi-Dial (oder wie auch immer der Sprachfüher bei Anrufbeantwortern heisst): “Wenn Sie Fragen zum Verbleib der von der Regierung versprochenen Masken haben, drücken Sie bitte die 1”. Ach ja – das wir die Masken erhalten haben, bedeutet natürlich noch lange nicht, dass der Rest des Landes die Masken ebenfalls erhalten hat. Meine hochschwangere Schwägerin in der Präfektur Chiba hat sie zum Beispiel noch nicht erhalten.
Sollten sich jedoch die sonstigen COVID-19 relevanten Meldungen bestätigen, dann ist der Trend eindeutig: Die Zahl der Neuinfizierten nimmt rapide ab. In etlichen Präfekturen gibt es schon seit Tagen keine neuen Fälle mehr, und auch der Trend in den Hotspots wie Osaka (gestern: 0 neue Fälle), Tokyo, Hokkaido oder Kanagawa zeigt eindeutig eine starke Abnahme. Und darüber wird im Ausland natürlich gegrübelt. Wie kann es sein, dass ein so dicht besiedeltes Land mit einer Regierung, die so ziemlich alles verkehrt macht (kaum Tests, keine rechtlich bindenden Maßnahmen, viel zu späte Reaktion auf COVID-Kranke die in Japan einreisen, viel zu späte Reaktion, das Gesundheitssystem zu stärken etc.), so glimpflich davonkommt? Die Zahl der Todesopfer ist im internationalen Vergleich sehr gering, und auch die Zahl derer, die sich infiziert haben.
Nun, noch ist es zu spät, aufzuatmen – schliesslich wird noch immer nicht umfangreich getestet. Aber in den Medien beginnt bereits der verhasste Rummel darüber, dass Japaner eben ein ganz besonderes Völkchen sind, mit kulturellen Eigenheiten, die die Eindämmung der Epidemie leichter machen – zum Beispiel
a) Da man gruppenorientiert handelt und von daher (fast) alle mitziehen, wenn es zum Beispiel um die freiwilligen Einschränkungen geht
b) Man seit jeher sehr hygienebewusst ist – Masken waren schliesslich schon lange vor COVID in Japan ein übliches Bild
c) Weil man nicht viel wert auf Körperkontakt (“skinship”) legt – Händeschütteln, Küsschen auf die Wange etc. gibt es hier nicht
und so weiter. Sicher, all diese Sachen spielen in der Tat eine Rolle, aber da werden sicherlich auch noch viele andere Faktoren eine Rolle spielen. Die in Japan noch immer verbindlichen BCG-Impfungen möglicherweise. Oder die Tatsache, dass Japan eine Inselnation ist. Oder die Tatsache, dass sich hier fast alle Türen automatisch öffnen und schliessen. Und so weiter und so fort. Diese Epidemie ist so komplex, dass es noch Jahre brauchen wird, bis man verstanden hat, warum der Virus an einem Ort mehr wütet und anderswo weniger.
Heute wurde übrigens, das nur am Rande, beschlossen, dass man plant, den Fuji-san nicht für Aufstiege zu öffnen. Normalerweise ist von Anfang Juli bis Ende August Saison, aber um Menschenansammlungen zu vermeiden (und in besagten Monaten ist der Fuji-san eine einzige riesige Menschenansammlung), soll wohl der Aufstieg ganzjährig untersagt werden.
Jaja, der Moeglichkeiten die geringe Anzahl der COVID 19 Infizierten bezw. Verstorbenen zu erklaeren gibt es gar viele. Ich tendiere persoenlich noch immer dahin, dass die Zahlen nicht der Wirklichkeit entsprechen. Sprich, durch minimalstes Testen wird die Realitaet verschoben, zugunsten der Wuensche der japanischen Regierung. Denn wie schon gesagt, zuerst ging es um die Olympischen Spiele, jetzt geht es um die Wirtschaft und den “Saeckel” der Oberen. Immer dasgleiche Spielchen: der Rubel (nein, der Yen, natuerlich) muss rollen! Vor allem in Richtung Staatskasse.