Wenn ich mir die Nachrichten aus Deutschland so ansehe oder seltenerweise eben dort weile, frage ich mich jedes Mal, wie man es schafft, so viel Verwirrung und Chaos zu schaffen. Bei der Mehrwertsteuer zum Beispiel, da diese ja je nach Situation variiert. Oder bei dem ganzen Plaketten- und Fahrverbotswahnsinn. Oder auch bei der Preispolitik der Berliner Verkehrsbetriebe. Oder bei der Steuererklärung. Und und und… in Japan ist da etliches einfacher und in der Verwaltung deshalb effizienter. Dem will man jedoch Abhilfe schaffen, wie es scheint. Bei der Mehrwertsteuer.
Als ich zum ersten Mal nach Japan reiste, war alles schön unkompliziert. Die Mehrwertsteuer betrug 3%, auf Alles. Und die Steuer war in der Regel in den Preisen bereits inbegriffen. 1997 wurde die 消費税 shōhizei (wörtlich: Verbrauchssteuer) auf 5% erhöht. Und 2014 dann auf 8%, mit der Ansage, dass dies nur Schritt Nummer eins sei – man war von vornherein auf 10% aus. Deshalb begann vor allem der Einzelhandel, die Preise nicht mehr komplett anzuzeigen, sondern nunmehr 税抜き zeinuki – ohne Steuer – auszupreisen. Trotz milder Deflation nutzten ein paar findige Geschäfte die Situation auch aus, beliessen die Preise beim alten, und schrieben einfach ein “zeinuki” dahinter. Fertig war die 8%-Preiserhöhung.
Aufgrund des Widerstandes in der Politik und Bedenken aus der Wirtschaft aufgrund einer eher schleppenden Konjunktur wurde die Erhöhung um die nächsten 2% ein paar Jahre hinausgezögert, doch nun steht der Termin fest: Am 1. Oktober 2019 wird das Rechnen einfacher. Sollte man meinen, denn nun beginnt man, ein vormals einfaches System zu verkomplizieren. So will man zu Beispiel die meisten Lebensmittel weiterhin mit 8% besteuern – nicht aber, wenn man zum Beispiel in einem Restaurant speist. Am Tisch essen: 10%. Mit nach Hause nehmen oder im Park essen: 8%. Man kennt das Spiek, und es werden bestimmt noch mehr Ausnahmen geschaffen. Doch damit nicht genug: Nun wird auch laut darüber nachgedacht, in den ersten 7 Monaten nach der Erhöhung 5% auf jeden bargeldlosen Einkauf zurückzuerstatten. Damit will man bewirken, dass der Konsum nicht einbricht – aber in erster Linie will man damit erreichen, dass der Einzelhandel von Bargeld abrückt, denn Bargeldtransaktionen lassen sich weit weniger gut kontrollieren als Kreditkartentransaktionen. Sprich, der Staat will einfach an die Daten, um Steuereinbussen durch bewussten oder unbewussten Betrug zu vermeiden. Aus Sicht des Staates ist das natürlich sinnvoll, und die 3%, die der Staat quasi auf die Einkäufe drauflegt, kommen womöglich durch das zusätzliche Plus an Steuern (neben der 2%igen Erhöhung natürlich) wieder in die Staatskasse.
Die Kreditkartenfirmen sind von der Idee nicht sonderlich begeistert, befürchten sie doch enorme Kosten bei der Umsetzung der Maßnahme. Diese Bedenken muss man allerdings nicht ernst nehmen – schließlich bedeutet das Mehr an Kreditkartenzahlungen saftige Umsatzgewinne – kurz- wie langfristig. Da werden die Entwicklungskosten ganz sicherlich nicht dazu führen, dass die Banker am Hungertuch nagen werden.
Eine interessante Entwicklung. Hier in Indien brauchte die Verbrauchssteuer (Goods & Services Tax, GST) satte 25 Jahre (!) um eingeführt zu werden. Zuvor gab es einen Rattenschwanz and Einzelsteuern auf jeder Rechnung mit unterschiedlichen Sätzen. Alle träumten von einem einheitlichen Steuersatz. Ich träumte davon, Preise in Restaurants endlich in brutto zu sehen.
Es wurde nichts daraus. Nach monatelangen Verhandlungen gibt es jetzt
– 2 GST-Sätze zum gleichen Satz – einmal für den Staats, einmal für das Land
– 6 verschiedene Sätze zwischen 0 und 35%
– Völlig willkürliche Ausnahmen für verschiedene Produkte, sodass dies bei einem Einkauf nicht eingeplant werden kann (z.B. Bleistifte 3%, Lippenstift 5% und Binden 12%).
– Separate Steuern für Mineralöl, Alkohol, Strom sowie Luxusprodukte und -Unterkünfte
Die Rechnungen sind jetzt kürzer, im Allgemeinen etwas höher, alle sind unzufrieden und die Undurchsichtigkeit bleibt.
Die Unterstützung des elektronischen Kaufs gibt es hier aber auch. Sogar eine eigene staatliche Schnittstelle für Mobile Payments. Jetzt zahle ich wieder öfter in bar, da es doch ziemlich leicht ist, Bewegungs- udn Verhaltsmuster über Zahlungen anzustellen.
Ich zahle tatsächlich lieber einen etwas höheren MwSt-Betrag wie 19% in Deutschland, wenn ich dafür überall Brutto-Preise habe und mehr Klarheit.