Genau diese Bilder wollte man nun nicht sehen nach dem grossen Erdbeben am 16. Juli 2007 bei Niigata: Ein brennendes Atomkraftwerk. Während man in Deutschland sich also offensichtlich für längere Zeit auf Vattenfall einschiesst, “entbrennt” auch in Japan wieder eine Diskussion um Atomkraftwerke. Mit dem Unterschied, dass sich hier viel, viel weniger Leute an der Diskussion beteiligen und diese Leute auch wesentlich leiser sind.
Was war da nun passiert? Das Erdbeben der Stärke 6.8 hatte sein Epizentrum quasi direkt neben dem 柏崎刈羽原子力発電所 (kashiwa kariwa genshiryoku hatsudensho – AKW Kashiwa Kariwa) an der Küste zum Japanischen Meer (ähem, politisch korrekt muss auch der Name “Ostmeer” genannt werden, sonst steigen mir wieder Koreaner auf’s Dach).
Besagtes AKW ist das grösste AKW der Erde, mit 7 Blöcken, die insgesamt eine Bruttoleistung von 8’212 MW haben (Brunsbüttel: 806 MW, Krümmel: 1’316 MW, explodierter Block in Tschernobyl: 1’000 MW – Quelle: Wikipedia). Betrieben wird es von TEPCO – Tokyo Electric Power CO., die schon lange für ihre nicht gerade durchsichtige Informationspolitik bekannt sind.
Nach dem Erdbeben und dem Brand hiess es freilich sofort 放射能漏れなし – hōshanō more nashi – keine Strahlung ausgetreten. Von wegen. Natürlich kamen die Sachen nach und nach ans Licht – insgesamt 50 Schäden traten auf. Die Werksfeuerwehr hatte nicht genug Wasser. Der private Wachschutz und das Management waren überfordert. Radioaktiv verseuchtes Wasser gelangte ins Meer. Fässer mit radioaktivem Material fielen um und sprangen auf.
Das Beste zum Schluss: Das AKW ist für Erdbeben bis zur Stärke 6.5 ausgelegt. 0.2 Punkte auf der Skala bedeuten in etwa doppelte Stärke – 6.8 ist also weit mehr als doppelt so stark wie 6.5. Als das Werk gebaut wurde, hiess es “keine Verwerfung in der Nähe, keine Gefahr”. Eine spätere geologische Untersuchung besagte jedoch, dass sehr wohl eine Verwerfung in der Nähe ist.
Deshalb klagten die Bewohner von Kashiwazaki und Kariwa gegen das Werk, wurden jedoch mit Hinweis auf das alte Gutachten abgewiesen. Nach dem Beben stellte man nun verdutzt fest: Es gibt eine Verwerfung. Nicht in der Nähe oder am AKW, sondern quer durch das AKW.
Scheint allerdings nur Eingeweihte zu alarmieren. Man sollte jedoch folgendes bedenken:
- Kashiwazaki ist nur 250 km von Tokyo entfernt.
- Kashiwazaki liegt im Nordwesten von Tokyo. Im Winter kommt der Wind meistens von dort.
- Die Gegend um Kashiwazaki / Niigata ist seit jeher geologisch sehr aktiv.
Nun ja. Was soll man in einem Land ohne Rohstoffe, in dem jedes einzelne Windrad noch gross in der Presse gefeiert wird, schon sagen.
Das Wort des Tages: 甘い amai. Bedeutet eigentlich “süss”. Aber auch “etwas nicht ernst nehmen” oder auch “optimistisch”. Die meisten Japaner – so hat man den Eindruck – nehmen die Gefahren, trotz etlicher Pannen – auch mit Todesopfern – und zwei Atombombenangriffen nicht richtig ernst. Dem voran stehen Betreiber und Politiker.
In Deutschland gibt ein ähnliches AKW – Mühlheim-Kärlich. Das wurde für teuer Geld gebaut und dann nach 100 Tagen Regelbetrieb wurde es wegen Erdbeben(!)gefahr wieder gestoppt und ist seit 1988 nicht mehr in Betrieb.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kernkraftwerk_M%C3%BClheim-K%C3%A4rlich
Und für den Sommer rechnet man nun mit einer Energieknappheit. Viel Spaß euch! ;)
Weißt du eigentlich wie verbreitet Wasserkraftwerke in Japan sind?
Wasserkraftwerke sind nicht allzu sehr verbreitet. Aufgrund der Topographie gibt es kaum durchgehend wasserreiche Flüsse. Laut Weissbuch des Energieministeriums (Zusammenfassung hier: http://www.enecho.meti.go.jp/topics/hakusho/
2007/hakusho2007_summary.pdf)
wurde Elektrizität 2005 so erzeugt:
31% Kernkraft
26% Kohle
24% Erdgas
9% Erdöl
8% Wasserkraft
2% Andere (Thermal, Solar, Wind)
8% sind in der Tat etwas wenig. Hätte für einen Inselstaat auf deutlich mehr getippt.
Aber danke für die Information!
Es soll jetzt übrigens wohl erstmal für ein Jahr stillgelegt werden. Vielleicht auch besser.
Ob das besser so ist wird sich noch zeigen, wenn ab jetzt wieder jeder in Tokyo mindestens zwei Klimaanlagen an hat ;-)
Die Regierung macht sich doch sowieso Sorgen um die Überalterung. Da wären regelmäßige Blackouts in Tokyo doch die Lösung gegen.
Als ich heute morgen Nachrichten schaute, habe ich erfahren, dass es eine “kontrollierte Explosion” gegeben hat. Es sind dabei 11 Menschen verletzt worden. Wie kann das eine “kontrollierte Explosion” gewesen sein? Ich hoffe das wir aus dieser Katastrophe etwas lernen und das dies das Ende der Kernenergie ist. Der Glaube an die Beherrschbarkeit einer Kettenreaktion ist fassungslos. Wir sehen im Fernsehen zu, wie ein Block nach dem anderen unkontrollierbar wird. Dafür sind unsere Kraftwerke sicher, wenn es keinen terrorischtischen Anschlag gibt – wenn es keinen Luftangriff oder Absturz auf diese Dinger gibt, denn sie sind ja sehr toll aus der Luft zu erkennen und wenn es kein größeres Erdbeben gibt.
Die Lage in dem Atomkraftwerk in Fukushima (Japan) wird immer bedrohlicher und auf der ganzen Welt beten Leute für die Helfer in Fukushima. Momentan macht die Twitternews der Tochter eines Helfers die Runde: Ihr Vater hat sich für den Einsatz in Fukushima gemeldet und setzt so sein eigenes Leben für Viele aufs Spiel. Jetzt gibt es hier eine spannende Diskussion, wie man selbst handeln würde. Würde man sein eigenes Leben riskieren für eine große Zahl fremder Leute?