Morgen ist der 11. Jahrestag des schweren Tohoku-Erdbebens, das am 11. März 2011 den gesamten Nordosten Japans erschütterte, einen schweren Tsunami auslöste und einen GAU im Atomkraftwerk 1 von Fukushima auslöste. Gut 300,000 Menschen verloren ihr zuhause, geschätzte 15,900 Menschen verloren ihr Leben. Ganze Städte verschwanden von der Landkarte. Zudem folgten Wochen der Ungewissheit, inwiefern der Reaktor von Fukushima die weitere Umgebung verseuchen wurde.
So ziemlich jeder, der zu jener Zeit in Tokyo oder weiter nördlich weilte, weiss noch immer genau, was sie oder er zu jenem Zeitpunkt gerade machte. Es entstand ein kleiner Film im Kopf, der sich wochenlang jeden Tag mehrfach abspielen sollte. Die Häufigkeit nahm natürlich mit wachsendem zeitlichen Abstand ab, aber wenn ich mich nur etwas zurückbesinne, kann ich den Film problemlos wieder im Kopf abspielen. Das erste Erdbeben. 30 Minuten später das zweite. Der Zusammenbruch des Telefonnetzes. Die Ungewissheit, die sich langsam einstellte. Der mehr als vierstündige, stramme Rückmarsch nach Hause. Die brennenden Raffinerien am Horizont. Der Bahnhof nahe meines Hauses, der halb unter Wasser stand. Die leergeräumten Convenience Stores. Und dann, erst spät am Abend, die furchtbaren Bilder des Tsunamis im Nordosten Japans. Und so weiter. Die Erinnerungen sind auch nach 11 Jahren noch sehr frisch.
Schnell spitzte sich damals die Lage am AKW in Fukushima zu. Und schnell waren viele Medien dabei, Panik zu schüren und allen vor Ort das Gefühl zu geben, das wahrscheinlich bald alle schwer verstrahlt würden. Demgegenüber stand die stoische Ruhe der Regierung und der japanischen Medien – alles sei halb so schlimm, nur keine Panik.
Was bleibt nach 11 Jahren? Am AKW wird noch immer unter Hochdruck gearbeitet, um die Strahlenruine in den Griff zu bekommen. Die Strahlung im näheren Umkreis ist noch immer sehr hoch – immerhin konnten aber erste Bewohner zurückkehren. Doch sind, wie damals schnell prophezeit, zehntausende Menschen verstrahlt worden, oder gab es eine abnormale Zunahme von Krebsfällen? Nein, letztendlich nicht, und das lag – so der einhellige Tenor – daran, dass das AKW von Fukushima aufgrund der moderneren Bauart weniger Schaden anrichtete als das AKW von Tschernobyl (an die Zeit, als jenes AKW hochging, kann ich mich auch noch relativ gut erinnern…)
Heute sind die Medien wieder in Hochform: Von möglichen Nuklearangriffen Russlands wird berichtet, sowie von der Unsicherheit der nun von der russischen Armee eingenommenen AKW von Tschernobyl oder Saporishshja. Für jemanden, der die Panikmache vor 11 Jahren selbst und vor Ort erlebte, ist das ein schlimmes déjà vu, wird hier doch nicht selten voreilig mit den Ängsten der Bevölkerung gespielt. Damals wie heute würde ich mir wünschen, dass die Berichterstattung etwas balancierter und weniger spekulierend stattfindet. Mehr Fakten, mehr von dem, was wirklich geschieht – weniger was könnte unter Umständen möglich sein. Sicher, man muss auch spekulieren und mögliche Szenarien durchleuchten – aber das bitte etwas nüchterner. Im Jahr 2011 war das besonders deutlich zu spüren – mindestens 80% der Berichterstattung im deutschsprachigen Raum drehte sich um das AKW – doch daran sind die Menschen nicht gestorben. Sie starben wegen des Tsunamis.
Dementsprechend hoffe ich, dass auch dieses Mal, im Falle des Ukraine-Krieges, Spekulation bleibt was alles spekuliert wird in Sachen Strahlungsgefahr. Es gibt wichtigere Themen, nämlich wie der Krieg schnellstmöglich beendet werden kann und wie man den Menschen helfen kann, die direkt davon betroffen sind.
Ich weiß auch noch, was ich an dem Tag machte. Die Meldung kam bei uns am Abend rein, ich war bei einem Kumpel zum Videospiele zocken. Für mich war es bitter, da ich am 14.03.2011, also gerade mal 3 Tage später, zum ersten Mal nach Japan (Ôsaka) in den Urlaub fliegen wollte. Da hatte ich mich schon seit zig Monaten drauf gefreut. Die Reise konnte ich natürlich knicken. Zum Glück war die Fluggesellschaft kulant und ich bekam mein Geld wieder.
Am Ende bin ich erst 2 Jahre später (März 2013) das erste Mal dort gewesen.