Am vergangenen Wochenende trat eine Entscheidung der UNESCO einen Sturm der Entrüstung los in Japan. Es ging um die Aufnahme zahlreicher Sammlungen in das sogenannte Weltdokumentenerbe – ein weniger bekannter Ableger des Weltkulturerbes. Neben zwei japanischen Dokumentensammlungen wurden dort auch Dokumente über das Massaker in Nanjing (auch als Vergewaltigung von Nanking) aufgenommen – mit dem Ziel, diese Dokumente auch in Zukunft der Nachwelt zu erhalten. Das schmeckt den meisten Japanern natürlich überhaupt nicht: Nach offizieller japanischer Lesart gab es zwar durchaus “einige Zwischenfälle” in Nanking nach der Einnahme durch die kaiserliche japanische Armee im Jahr 1937. China hingegen behauptet, dass Japan damals nicht nur ein paar, sondern rund 300’000 Chinesen, hauptsächlich Zivilisten, vergewaltigt und/oder ermordet hat. Augenzeugen sprachen von einem wahren Blutrausch, der über einen Monat lang anhielt. Andere Historiker gehen von 50’000 bis über 200’000 Opfer aus. Nach inoffizieller, aber weit verbreiteter Lesart in Japan geschah damals jedoch gar nichts – alles sei schlichtweg Erfindung und Teil der, nun ja, schwer zu leugnenden chinesischen Propaganda.
Japan kritisierte vor allem, dass Japaner überhaupt nicht bei der Entscheidungsfindung beteiligt wurden, und bezeichneten die Wahl deshalb als politisch motiviert. Der Verdacht liegt durchaus auf der Hand: Land A sagt, das war so, und Land B sagt, es war ganz anders – wenn nun die UNESCO hinzukommt und Land A recht gibt, ohne Land B zu fragen, dann fühlt sich B natürlich hintergegangen. Dazu muss man allerdings sagen, dass beinahe jedes Land ausser Japan kaum Zweifel daran hegt, dass die japanische Armee in Nanking Kriegsverbrechen im grossen Stil begangen hat.
Dabei hatte Japan erst vor ein paar Monaten einen Streit mit Südkorea vor dem UNESCO-Komitee für das Weltkulturerbe für sich entscheiden können: Es ging um die Aufnahme einiger Industriedenkmäler aus der Meiji-Zeit, und Südkorea setzte etliche Hebel in Bewegung um die Aufnahme zu verhindern, da viele der Anlagen auch für die Ausbeutung koreanischer Zwangsarbeiter stünden und dies nicht hinreichend gewürdigt würde.
Nun drohten in dieser Woche umgehend ranghohe Regierungsmitglieder damit, Beitragszahlungen an die UNESCO bis aufs weitere einzustellen. Das wäre für die Organisation ein herber Schlag, da seit dem Beitragsboykott der Amerikaner Japan einer der wichtigsten Geldgeber ist. Ob es so weit kommen wird, ist aber noch nicht klar. Klar ist hingegen, dass es kaum eine wirksamere Methode für Japan gibt, seinen eigentlich guten Ruf im Ausland gründlich zu ruinieren. Blinde Geschichtsverleugnung und absolute Sturheit sind einfach mal keine Tugenden. Angesichts all der Dokumente, teilweise auf Japanisch, wohlgemerkt – zum Beispiel über den Wettbewerb zweier Offiziere, so schnell wie möglich 100 Chinesen nur mit dem Schwert zu töten – und inklusive zahlreicher, sehr verstörender Photos und Filmaufnahmen des Missionars John Magee, fällt es wirklich schwer, Fassung zu wahren ob der japanischen Haltung zu diesem Thema.
Japan hat bei der Entscheidung übrigens noch Glück gehabt – Dokumente zum Schicksal der Trostfrauen, auch diese werden vehement verleugnet, standen ebenfalls zur Wahl, doch die Kommission entschied sich am Ende gegen eine Aufnahme.
So sehr mich auch einiges an Deutschland stört, bei der Geschichtsbewältigung kann man uns wenig vorwerfen, und im Vergleich zu Japan (oder den USA in einigen Bereichen) sind wir da echt korrekt.
Japan soll sich benehmen und endlich mal gewissenhaft mit der eigenen dunklen Vergangheit umgehen, anstatt ständig alles mögliche abzustreiten oder kleinzureden.
Der Artikel kam gerade zur richtigen Zeit. Vor ein paar Tagen habe ich einen Japaner kennengelernt, der hinter den besagten Anschuldigungen reine Propaganda der Chinesen sieht. Dafür solle es auch Forschungen und Beweise geben, meinte er.
Ich beschäftige mich beruflich viel mit Unterschieden zwischen Kulturen und interkultureller Verständigung, vor allem in Bezug auf Japan. Mein Verständnis hört bei diesem Thema aber auf. Es mag eine japanische Tendenz geben, dem “Unschönen” von Konflikten keine Aufmerksamkeit zu geben und ihm damit keine Energie zu schenken. Für die chinesischen und japanischen Opfer ist diese Haltung aber kaum ertragbar.
Selbstverständlich instrumentalisieren Südkorea und China den bestehenden Hass und tragen ihn von Generation zu Generation, aber das kann nur so lange funktionieren, weil Japan weiterhin als Angriffsfläche dient. Durch eine konsequente Aufarbeitung und dem Willen um Wiedergutmachung würde der Wind komplett aus den Segeln all jener genommen werden, die Japan aus Propagandazwecken missbrauchen wollen.
Der Artikel spricht mir aus der Seele, da ich es wirklich bedauerlich finde, wie Japan sich international ein Eigentor schießt. Wie viel Ansehen könnte das Land gewinnen, wenn es der eigenen Schuld öffentlich begegnen würde.
Aber das gilt natürlich auch für jedes Land.
“…würde der Wind komplett aus den Segeln all jener genommen werden, die Japan aus Propagandazwecken missbrauchen wollen.”
Genau das wollen die Kollegen wohl nicht. Es ist sehr nützlich, einen Blitzableiter zu haben. Gilt beidseitig. Das deutsche Konzept der “Kommunikativen Vernunft” funktioniert hier nicht.
Hallo,
also ich denke, da gibt es ein Buch von John Rabe. Das sollte mal jedes Schulkind in Japan lesen müssen.
Lieben Gruß
margit
Die Meinungen können wohl verschieden sein, jedoch auch anhand einiger historischer Dokumente kann man wirklich nicht den Ausmaß wahrnehmen
im Grunde genommen sind die Leute die jegliche Straftaten während des 2 Weltkrieges begangen haben nicht mehr am Leben und einander zu beschuldigen bringt auch keine Lösung und sauer zu sein darauf was die Vorfahren gemacht haben ist doff, aber die Japaner sind nun mal so