Wenn jemand einen Preis für Hartnäckigkeit und Leidensfähigkeit erhalten soll, dann 麻生太郎 Aso Tarō, der japanische Ministerpräsident. Man muss schon ausgemachter Masochist sein, um dermassen lange von allen Seiten – auch aus den eigenen Reihen – Prügel zu beziehen und dazu auch noch permanent dämonisch zu grinsen.
Am 24. September vergangenen Jahres wurde er von seiner Partei, der LDP (Liberaldemokraten) ins Amt des Ministerpräsidenten gehievt. Da kurze Zeit später die Demokraten die Mehrheit im Oberhaus übernahmen, stellte sich nach den japanischen Regeln heraus dass in Bälde Neuwahlen stattfinden müssen – genauer gesagt muss das Unterhaus aufgelöst werden, was schliesslich Neuwahlen und damit auch eine Quasi-Neuwahl des Ministerpräsidenten zu Folge hat.
Aufgrund Aso’s nicht gerade glücklichen Regierungsmassnahmen drängen seit Anfang diesen Jahres sowohl Feind als auch Freunde zur baldigen Parlamentsauflösung, was jedes Mal durch ein lapidares “Kommt, wenn der Zeitpunkt gekommen ist” oder ein “Bald, bald” zur Folge hat.
Nun ist es jedoch endlich soweit gekommen. Am Sonntag fanden die Kommunalwahlen in Tokyo statt, und dort, wie auch vorher in Chiba und anderswo, hat die LDP kräftig Federn lassen müssen – nicht mal zusammen mit dem treuen Regierungspartner, der Neuen Komeitō, kann man eine Mehrheit bilden. Die LDP, einst übermächtige Partei mit sehr starker Basis, blutet aus und wird von den erst 1996 gegründeten Demokraten und, auf lokaler Ebene, kleineren Parteien überrannt.
Somit gab Aso also nun gestern nach und gab den Termin für die Neuwahlen des Unterhauses bekannt: 30. August. Da werden wohl die Sommerferien für Einige ausfallen.
Aso ist im Wesentlichen für drei Sachen bekannt in Japan –
1.) Seine Volksferne (kann man das eigentlich so sagen?). Das wurde durch zahlreiche Ausrutscher klar. Kein Wunder – Aso kommt aus einer überaus wohlhabenden Familie. Hier rätselt er bei einer Fragestunde im Parlament, wie viel eine Packung Instantnudeln wohl kosten mag. Grobe (Fehl)schätzung: 400 Yen (richtig: ca. 128 Yen)
2.) Sein dickes Fell. Selbst Zustimmungsraten unter 20% seitens der Bevölkerung haben ihn kalt gelassen
3.) Seine berüchtigten Lesefähigkeiten und Geschichtskenntnisse:
In den folgenden zehn Sekunden erklärt er mit erstaunlicher Selbstsicherheit, das der Zweite Weltkrieg mit dem Angriff auf Pearl Harbor begann:
und hier wird aus dem Wort 踏襲 (tōshū – jmdn. folgen) mal eben “fushū” (mit anderen Zeichen geschrieben, aber gleiche Aussprache: 腐臭 “Gestank, Fäulnisgeruch” – man beachte die ratlosen Gesichter danach):
Oh, und wo wir gerade dabei sind: Der ist auch nicht schlecht (in seiner Zeit als Aussenminister):
Da fiel ihm der richtige Name des nordkoreanischen Häuptlings nicht ein und so wurde daraus “Kim nantoka” (siehe Wort des Tages)
Problem: Wer kommt nach Aso? Ich sehe keine erfreulichen Alternativen.
Das Wort des Tages: なんとか nantoka. Ziemlich genau mit “irgendwas” übersetzbar.
Auf SPON war darüber ein Artikel mit folgender Einschätzung über die LDP :
Jahrzehntelang stützte die Partei, die keine Programmpartei westlichen Musters ist, ihre Macht auf die üppige Versorgung von Landwirten und der Bauindustrie, während die Bürokratie die eigentliche Tages- und Wirtschaftspolitik plant und umsetzt. Wer in Japan übers Land fährt, sieht zubetonierte Flüsse, Tunnel und Brücken, die keiner braucht, und Straßen, die nach nirgendwo führen.
Ist das wirklich so extrem?
Noch krasser als die Hartnäckigkeit von Aso finde ich die Hartnäckigkeit der japanischen Wähler, die 50 Jahre lang immer wieder die LDP an die Macht gehievt haben obwohl allen klar ist, was das für ein korrupter Haufen ist.
Mir erschließt sich der Zusammenhang zwischen den veränderten Machtverhältnissen im Oberhaus und der Notwendigkeit von Neuwahlen des Unterhauses nicht! Ist das so eine Abmachung in Japan? Sozusagen beide Häuser sollten in einer Hand sein?
Wegen der Volksferne des Herrn Ministerpräsidenten ist er doch sicher in guter Gesellschaft. Welcher Politiker in “verantwortlicher” Position ist denn Volksnah? Vielleicht Belusconi mit seinen permanenten außerehelichen Affären.
Ansonsten sind Politiker wohl eher Machtmenschen, die selten Wissen, wann es Zeit ist zu gehen. Das hat oft mehr mit Ignoranz als mit dickem Fell zu tun. Das dicke Fell ist aber notwendig, um immer wieder die Prügel für die diversen geleisteten Fehltritte einzustecken.
Das allerdings ein desinteressierter und im Bildungsniveau eher mittelmäßiger Politiker Ministerpräsident wird, ist aber schon ein Pfund.
@ mkill: da dürfte eigentlich kein Japaner über seine Regierung in den letzten Jahrzehnten meckern. Ein französischer Philosoph hat mal gesagt: Jedes Volk bekommt die Regierung die es verdient. Da sollte sich jeder mal so seine Gedanken machen.