Neulich hatte ich ein Meeting mit Vertretern der 読売新聞 Yomiuri Shimbun (shimbun = “neues + hören” = Zeitung) in deren nagelneuen Hauptquartier direkt am nördlichen Ende des Kaiserpalastes. Der Zeitungsverlag ist ein Gigant – zum Imperium zählen nicht nur diverse Zeitungen und Magazine, sondern auch einer der stärksten Baseballvereine Japans, ein Vergnügungspark (“Yomiuri Land”), ein Fernsehsender (Nittere 日テレ – Yomiuri gehört zumindest das mit Abstand grösste Aktienpaket) und vieles mehr. Yomiuri ist seit vielen Jahren die Tageszeitung mit der weltweit höchsten Auflage, und das mit Abstand, wie man an der folgenden Tabelle sehen kann (Quelle: Wikipedia):
Tageszeitung | Land | Auflage | |
---|---|---|---|
2013 | 2008 | ||
Yomiuri Shimbun | Japan | 9,690,000 | 10,021,000 |
Asahi Shimbun | Japan | 7,450,000 | 8,038,000 |
Mainichi Shimbun | Japan | 3,322,000 | 3,857,000 |
The Times of India | India | 3,322,000 | 2,951,000 |
Dainik Jagran | India | 3,113,000 | 2,523,000 |
Reference News | China | 3,073,000 | 2,751,000 |
The Nikkei | Japan | 2,769,000 | 3,056,000 |
Bild | Germany | 2,658,000 | 3,142,000 |
People’s Daily | China | 2,603,000 | 2,315,000 |
Chunichi Shimbun | Japan | 2,533,000 | 2,761,000 |
Die beiden auflagenstärksten Tageszeitungen kommen also aus Japan, aber die Zahlen zeigen deutlich, dass es in Japan mit den Auflagen deutlich bergab geht, während es – nicht überraschend – in Indien (und vorerst auch noch in China) stark bergauf geht. Die Zeitungsverlage von Yomiuri, Asahi und Nikkei stehen übrigens dicht an dicht beieinander, was aber in Tokyo, wo sich Gewerbezweige auch heute noch gern im gleichen Stadtviertel tümmeln, durchaus üblich ist.
Von der Kantine des Hauptquartiers hat man einen bemerkenswerten Blick auf den Kaiserpalast und den Rest der Gegend südlich des Palastes.
Bei der Gelegenheit durfte ich mir auch noch den enormen newsroom der Yomiuri ansehen (in dem Fotografieren allerdings strikt verboten ist). Im selbigen, bestückt mit einem riesigen Konferenztisch, dutzenden Bildschirmen und Uhren an den Wänden, tobt jeden Abend eine regelrechte Schlacht, wenn es darum geht, was am nächsten Tag auf das Titelblatt soll. Bei knapp 10 Millionen Lesern sollte das in der Tat gut überlegt sein. Um 1 Uhr abends muss dann alles entschieden sein – danach kann nichts mehr geändert werden. Für die Redakteure ist das sicher keine leichte Sache, denn die meisten müssen natürlich bis zum Schluss dableiben.
Die konservativ ausgelegte Yomiuri Shimbun verlegt auch gleichzeitig eine der beiden übriggebliebenen Tageszeitungen auf Englisch in Japan: Die hieß früher “Daily Yomiuri”, heute heißt sie schlicht “The Japan News” (die andere, übriggebliebene Zeitung ist die “The Japan Times“). Übriggeblieben deshalb, weil es bis vor ca. 10 Jahren noch mehr gab.
Die beiden englischen Tageszeitungen in Japan sind vor allem auf japanische Leser angewiesen — die paar Ausländer reichen nicht aus, um eine anständige Tageszeitung zu betreiben. Zumal sie mit den üblichen Problemen von Tageszeitungen in den meisten Ländern zu kämpfen haben: Die Werbekundschaft bricht weg, und die Leserschaft wird immer digitaler, so dass auch die großen japanischen Zeitungen begonnen haben, ihre Ausgaben zu digitalisieren – kostenpflichtig natürlich.
Interessanter Einblick. Darf man denn mal neugierig sein und fragen, was der Grund für das Meeting war?
Kommt man als Tourist auch bis in die Kantine, um den Ausblick zu genießen? Oder geht das nur für Mitarbeiter und Gäste?
Ich habe geschäftlich mit den Leuten zu tun, und das schon seit 10 Jahren. Als Tourist kommt man da leider nirgendwo rein (spätestens am Fahrstuhl ist Schluss).
Das erinnert mich an ein Business-Meeting. Dort hatten wir eine absolut geniale Aussicht, v.a. auch auf den Kaiserpalast. :)
Mir war gar nicht bewusst, dass gleiche mehrere japanische Zeitungen an der Spitze weltweit liegen. Hätte man mich gefragt, hätte ich auf China getippt. Wow!
Solche Meetings habe ich ziemlich oft. Da muss man sich immer zusammenreissen und konzentrieren, sonst starrt man nur mit einem doofen Gesichtsausdruck in die Ferne…
Man kann sagen was man will, aber “Japan News” ist nun wirklich crap, im wesentlichen nachgedrucktes AP und Reuters Zeugs. Japan Times mag ich sehr, irgendwie ein Original mit eignen Formaten, interessanten Redakteuren, einer richtigen Geschichte.