BlogEin Land voller Problembären

Ein Land voller Problembären

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Vor einer Woche attackierte ein Bär zwei Rentner in der Präfektur Toyama – die beiden kamen mit leichten Verletzungen davon. Heute wurden vier Rentner in einem Außenbezirk der Präfekturhauptstadt Akita von einem Bären angefallen — auch hier gab es keine schweren Verletzungen, aber die Zwischenfälle durch Bären häufen sich in Japan in letzter Zeit spürbar. Allein in der Präfektur Akita zählte man in diesem Jahr 30 Vorfälle. Dort hätte es mich im Juli auch leicht erwischen können – bei einem Abstecher nach Kakunodate überlegte ich kurz, zum alten Burghügel zu gehen, um zu sehen, was von der Burg übrig geblieben ist. Aufgrund der sengenden Hitze entschied ich allerdings, den Burghügel einen Burghügel sein zu lassen – nur um Abend in den Nachrichten zu sehen, dass ungefähr zur gleichen Zeit jemand exakt dort von einem Bären angefallen wurde.

In Japan gibt es zwei Bärenarten — ツキノワグマtsukinowaguma (Kragenbären) und die auch in Europa heimischen ヒグマhiguma (Braunbären). Letztere kommen nur auf der Insel Hokkaido vor. Sie werden in Japan bis zu 2,30 m lang und 250 Kilogramm schwer. Kragenbären sind wesentlich kleiner — sie werden maximal 1,50 m lang und 120 Kilogramm schwer. Bis auf Kyushu und Okinawa gibt es Kragenbären eigentlich überall in Japan. Man schätzt, dass rund 12’000 Kragenbären im Land leben, und diese richtigen einiges an Schaden in der Landwirtschaft an. Begegnungen mit Menschen gibt es auch zur Genüge, nur enden diese in der Regel nicht tödlich. Problematischer ist die Braunbärensituation auf Hokkaido – eigentlich versucht man dort die Population bei rund 2’000 Tieren zu halten – viele von ihnen leben auf der Shiretoko-Halbinsel. Doch die Jäger kommen nicht hinterher, so dass sich die Population um rund 500 Tiere pro Jahr vergrößert. Schätzungen zufolge könnte es zur Zeit bis zu 12’000 Braunbären auf Hokkaido geben. Unter diesen Braunbären gibt es leider auch ein paar Exemplare, die einen Appetit auf Menschen entwickelt haben, so dass es durchaus auch tödliche Angriffe gibt.

Wir Wanderfreunde ist das durchaus relevant — bei Wanderungen in den japanischen Bergen, und selbst wenn es die Berge bei Tokyo sind, ist Vorsicht geboten. Viele Wanderer nehmen deshalb zum Beispiel ein Glöckchen oder ein Radio als kuma除けyoke< (Bärenabschreckung) mit, da die Tiere normalerweise vor menschengemachten Geräuschen fliehen.

Während sich häufende Überfälle von Tieren auf Menschen oftmals durch das Eindringen der Menschen in den Lebensraum der Tiere begründen läßt, ist die Situation in Japan etwas anders – aufgrund der immmer älter (und weniger werdenden) Bevölkerung und des zunehmend hohen Leerstandes von Häusern auf dem Land kommen die Bären quasi zurück – in einem Wohngebiet, in dem nur wenige Menschen leben, haben sie weniger Hemmungen. Sicherlich spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle – der überaus heiße Sommer dieses Jahres zum Beispiel hat das Nahrungsangebot für die Bären sicherlich verändert, so dass die Bären nun auch on Orten, an denen man sie sonst nicht trifft, auf Futtersuche sind.

tabibito
tabibitohttps://japan-almanach.de
Tabibito (旅人・たびびと) ist japanisch und steht für "Reisender". Dahinter versteckt sich Matthias Reich - ein notorischer Reisender, der verschiedene Gegenden seine Heimat nennt. Der Reisende ist seit 1996 hin und wieder und seit 2005 permanent in Japan, wo er noch immer wohnt. Wer mehr von und über Tabibito lesen möchte, dem sei der Tabibitos Blog empfohlen.

4 Kommentare

  1. Das mit dem Leerstand ist sicher nur teilweise richtig – Baeren wurden auch schon in mehreren Stadtteilen von Sapporo gesehen, und das sogar am “Sapporo Dome” in Toyohira-ku in Sapporo, ein relativ dicht besiedeltes Viertel. Tatsache ist aber auch, dass sich vor dem Wintereinbruch (Ende des Monats kann schon der erste Schnee fallen) die Baeren den Winterspeck fuer den Winterschlaf anfressen, andererseits aber auch die Scheu vor dem Menschen verlieren – sie merken, dass es bei den Menschen etwas zu holen gibt, und ab und an wird auch mal ein einsamer Wanderer angeknabbert…

    • Ist es es so zu verstehen, dass die Bären auf Hokkaido Ende Oktober schlafen gehen? Es wäre interessant zu wissen, wann sie in anderen Teilen Japans schlafen gehen. Wir laufen in Japan auch mal gern durch die Botanik. Dort gab es öfter mal Warnschilder wegen Wildschweinen und Bären, das muß man wohl ernst nehmen.

      • Ob die Baeren sich an den Kalender halten wie zu meiner Zeit die Bundeswehr (ab 1.10. wird Winter befohlen, und ab 1.4. wird Sommer befohlen), entzieht sich meiner Kenntnis… Auf jeden Fall halten Baeren Winterschlaf, und dafuer braucht man Kalorien, die man sich in den Wochen vorher anfrisst… Nach der Schneeschmelze wachen die putzigen Tierchen recht hungrig auf (Stichwort Baerenhunger…), und es ist mit ihnen nicht zu spassen.
        Wildschweine gibt es auf Hokkaido nicht, und ich glaube, im Kochtopf landen sie eher um Nagoya herum, nicht landesweit… Fuer Begegnungen aller Art gilt, was auch in Deutschland gilt… Warnschilder sollte man sehr ernst nehmen!

        • Danke für die Antwort. Wir werden die Hinweise ernst nehmen. Bis Hokkaido haben wir es bisher nicht geschafft.
          Es gibt schon Bärenwarnschilder kurz hinter Arashiyama Kyoto. Wildschweinwarnungen auch.
          Wildschweine gibt es bei uns im Wald ca. 10 Minuten von uns entfernt. Soweit ich weiß, sind sie bei uns größer als in Japan. Warnschilder gibt es keine. Ungemütlich werden sie, wenn sie Junge haben. Zu sehen bekommt man sie selten.
          Wölfe wurden inzwischen auch im Odenwald gesichtet.

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