Bōsō-Halbinsel (ausgesprochen “Booßoo”). Der Name ist eine Zusammensetzung: Früher bestand die Gegend aus drei Provinven: 安房国 Awa-no-kuni, 上総国 Kazusa-no-kuni und 下総国 Shimōsa-no-kuni. Daraus nahm man die Schriftzeichen 房 und 総, die man der chinesisch entlehnten Lesung zufolge “bō” und “sō” lesen kann.
Tokyo liegt im Nordwesten der Bucht von Tokyo, Yokohama und Kawasaki liegen im Westen der Bucht. Die Boso-Halbinsel liegt östlich von der Bucht von Tokyo und grenzt im Osten an den Pazifik. Vom Stadtzentrum von Tokyo bis zur Südspitze der Halbinsel sind es 85 Kilometer Luftlinie. Zwischen Kawasaki und der Halbinsel liegen 15 Kilometer.
Wenn man den Flughafen Haneda in Tokyo anfliegt, stehen die Chancen nicht schlecht, dass man kurz vor der Landung die Boso-Halbinsel überfliegt. Von oben fallen dort zuerst mal zahlreiche seltsame Spuren in der Landschaft auf – Golfplätze. Umgeben von viel Grün, gefolgt von viel Industrie.
Die Bōsō-Halbinsel östlich von Tokyo entstand in etwa zur gleichen Zeit wie die Miura-Halbinsel auf der anderen Seite der Bucht und ist das Ergebnis von Sedimentgesteinen, teils mit vulkanischem Material, und der Plattentektonik (sowie der Meeresregression), die dafür sorgte, dass das Gebiet vor rund einer halben Million Jahre aus dem Meer gehoben wurde.
Die Halbinsel hat keine definierte Grenze, weshalb man nicht genau sagen kann, wie groß sie ist, aber es sind in etwa 5’000 Quadratkilometer. Von Nord nach Süd ist die Halbinsel rund 50 Kilometer lang, von West nach Ost rund 35 Kilometer. Die Boso-Halbinsel liegt quasi genau in der Mitte des rund 2000 Kilometer langen japanischen Archipels. Der Süden ist deutlich hügeliger beziehungsweise bergiger als der Nordteil – stufenweise geht es gen Norden immer weiter bergab, bis schliesslich die Kanto-Ebene, die auch Tokyo und Yokohama umfasst, beginnt. Die höchste Erhebung ist der 愛宕山 Atagoyama im Südosten mit 408 Metern Höhe.
Boso wird gern in 内房 Uchibō (uchi = inner) und 外房 Sotobō (soto = aussen) unterteilt: Uchibō ist die Westseite, also die der Bucht von Tokyo zugewandte Seite, und Sotobo dementsprechend die Ostseite mit der Pazifikküste. Die Nordhälfte von Uchibo ist eher flach und stark industrialisiert, während Sotobo dünner besiedelt ist. Der Südteil und die Ostküste weisen ein besonderes Klima auf, denn hier trifft die warme Kuroshio-Meeresströmung auf Land, was für ein sehr mildes und feuchtes Klima sorgt. Der Südteil der Halbinsel ist deshalb komplett frostfrei, und in den Wintermonaten ist es hier ein paar Grad wärmer und im Sommer ein paar Grad kühler als im nahegelegenen Tokyo.
Deshalb ist die Halbinsel bei den Hauptstädtern sehr beliebt – als Ort der Sommerfrische, aber auch, um im Winter den in Tokyo mitunter strengen Temperaturen zu entfliehen. Und bei Golffans – und davon gibt es in Japan sehr viele – ist die Halbinsel ebenfalls beliebt: Hier gibt es insgesamt rund 200 Golfplätze. Ein Golfplatz ist im Schnitt knapp hundert Hektar, also rund einen Quadratkilometer, groß – was bedeutet, dass fast 200 Quadratkilometer beziehungsweise 4 Prozent der Gesamtfläche dem Golfsport gewidmet sind.
Im Spätsommer, zwischen August und Oktober, wird die Halbinsel gelegentlich von Taifunen heimgesucht, die auf der Halbinsel häufig verheerende Schäden anrichten können – Überschwemmungen, Sturmschäden und Erdrutsche sind da leider keine Seltenheit, und das geht mit Stromausfällen und unpassierbaren Straßen einher. Gelegentlich kann das sogar den Zugverkehr lahmlegen. Wenn man die Halbinsel besucht, wenn ein Taifun in der Nähe ist (oder kurz vorher in der Nähe war), lohnt sich unter Umständen eine kurze Recherche über etwaige Schäden in der Infrastruktur.
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Tateyama 館山
Die Stadt Tateyama liegt im Südwesten der Halbinsel, wobei die Stadtgrenzen der 110 Quadratkilometer grossen Gemeinde nicht ganz bis zur Südküste reichen. Der Ort hat insgesamt rund 45,000 Einwohner. In den besseren Jahren waren es bis zu 60,000 Einwohner, doch die Zahl ist seit den 1960ern rückläufig. Die meisten Bewohner leben in einer Kleinstadt an der Bucht von Tateyama. 館 bedeutet “Gebäude, Bau” und bezog sich auf einen Burgbau direkt an der Bucht, 山 “yama” bedeutet einfach nur “Berg”. Seit rund 1580 spielte der Ort eine wichtige Rolle als Marinestützpunkt, denn wer die Bucht von Tateyama beherrscht, kontrolliert den kompletten Seeweg nach Tokyo, bis ins 19. Jahrhundert unter dem Namen Edo bekannt.
Die Bucht von Tateyama wird auch 鏡ヶ浦 Kagami-ga-ura, wörtlich “Spiegelbucht” genannt und wurde einst zu einer der 100 schönsten Landschaften Japans gekürt. Das ist verständlich, denn es ist eine “Bilderbuchbucht”, halbrund, mit Bergen im Norden, Süden und Osten, und dem Meer im Westen. Besonders beliebt ist der Blick auf den Fuji-san auf der anderen Seite des Meeres. Zwei Mal im Jahr, und zwar am 13/14. Mai sowie 29/30 Juli, kann man mit etwas Glück den “Diamond Fuji” bestaunen – ein Phänomen, bei dem die Sonne genau auf dem Gipfel des majestätischen Vulkans untergeht. Ob man nun den Fuji-san sehen kann oder nicht – Sonnenuntergänge sind hier besonders schön, und deshalb wirbt die Stadt auch damit, ein besonders romantischer Ort für Pärchen zu sein.
Mitten im Stadtgebiet, zwischen den Mündungen der Flüsse 平久里川 Hegurigawa und 汐入川 Shioirigawa, gibt es sogar einen kurzen Sandstrand, den Hojo-Strand, an dem man baden darf. Da die Bucht relativ geschützt ist und die Küste hier bereits außerhalb der Bucht von Tokyo liegt (deren Wasserqualität nicht unbedingt zum Baden geeignet ist), steht hier einem Sprung ins Wasser nichts entgegen.
Tateyama entwickelte sich einst als Burgunterstadt. 館山城 Tateyama-jō, die Burg Tateyama, selbst steht auf einem kleinen Hügel am Rande der Bucht, passenderweise 城山 Shiroyama (Burgberg) genannt. Die Burg wie man sie heute sieht ist allerdings ein Kuriosum. Die 1580 vom Tateyama-Clan erbaute Burg wurde nämlich nur bis 1614 benutzt – da unterlag der Clan einem anderen Clan, und der entschied, sich unterhalb der Burg anzusiedeln und die Burg Verfallen zu lassen. Dementsprechend ist so gut wie kein Material darüber verfügbar, wie die Burg in Wirklichkeit aussah. Der heute sichtbare, dreistöckige Bau ist eine in den 1980ern errichtete Replik der Burg von Maruoka in der fernen Präfektur Fukui nachempfunden. Der Nachbau beherbergt ein kleines Museum, und von der höchsten Etage hat man einen schönen Ausblick auf die Stadt und das Meer. Der Eintritt kostet 400 Yen pro Person.
Der Clan, der den Tateyama-Clan verdrängte, hiess Satomi, und die Gegend um Tateyama wird auch 南総 Nansō (Südboso) genannt. In der ersten Hälfte des 19. Jahrunderts schuf der Schriftsteller Bakin Kyokutei den wahrscheinlich längsten Fortsetzungsroman der japanischen Literatur – die 南総里見八犬伝 Nansō Satomi Hakkenden. “Hakkenden” bedeutet “Geschichte der acht Hunde”, und hier geht es um 8 Samurai, die alle von einem Hund abstammen sollen und deshalb auch das Schriftzeichen für “Hund” in ihren Namen tragen. Die Serie begann 1814, und sie sollte 28 Jahre fortgeführt werden. In den letzten Jahren war Kyokutei erblindet und musste seine Geschichte diktieren. Das Epos war reichhaltig illustriert und bestand aus sage und schreibe 98 Bänden. Der Hakkenden war nicht nur damals beliebt – auch im 20. Jahrhundert wurden mehrere Fernsehserien gedreht und Neuauflagen verlegt. Der Autor liess sich teilweise von alten chinesischen Geschichten inspirieren, und moderne Autoren – und Mangakünstler – lassen sich auch heute noch von dem Mammutwerk inspirieren. So sind etliche Ideen in den beliebten Manga Dragon Ball oder auch Inuyasha dem Hakkenden entlehnt. Wer sich ernsthaft dafür interessiert, woher die japanischen Manga ihre Anziehungskraft und Einzigartigkeit beziehen, sollte einen genaueren Blick auf dieses nun fast 200 Jahre alte Epos werfen.
Aufgrund der strategisch wichtigen Lage wurde Tateyama ab 1930 zum Armeestützpunkt ausgebaut – genauer gesagt wurde die Stadt zur 軍都 gunto – einer “Armeestadt” erklärt. Dazu gehörten ein Fliegerhorst der Marineflieger sowie ein Marinehafen. Hier liefen hernach vermehrt Kriegsschiffe und U-Boote ein. Von Tateyama starteten unter anderem auch Bomberangriffsstaffeln.
Wahrscheinlich ab 1942 begann sich die Marine einzugraben – südlich des Stützpunktes, und von der Stadt aus gesehen “hinter” dem Burgberg. Es entstand ein Geflecht aus insgesamt 1,6 Kilometer Tunneln, die dazu genutzt wurden, für die Marine wichtige Teile zu produzieren und zu warten, sowie um Treibstoff und andere Dinge einzulagern. In den letzten Kriegstagen wurden Teile der Tunnel auch als Lazarett benutzt. Tunnelsysteme dieser Art gibt es überall in Japan, und normalerweise liegen zwischen den Stollen 15 bis 15 Meter – in Tateyama sind es oft nur 10 Meter, was Historiker darauf schliessen ließ, dass die Tunnel in großer Eile in das weiche Gestein getrieben wurden.
Das Tunnelsystem ist heute unter dem Namen 赤山地下壕跡 Akayama-Bunkerruinen bekannt, und ein kleiner Teil der Anlage ist heute der Öffentlichkeit zugänglich. Der Eintritt kostet 200 Yen.
Die militärische Bedeutung der Stadt Tateyama blieb natürlich nicht den Amerikanern verborgen – sie bombardierten die Stadt und die militärischen Anlagen aus der Luft. Nach der Kapitulation Japans landeten amerikanische Kriegsschiffe in Tateyama an, und für eine kurze Zeit richtete man hier sogar das Generalhauptquartier ein.
Die militärische Bedeutung von Tateyama wird nicht nur im Stadtgebiet ersichtlich – auch in der näheren Umgebung zeugen zahlreiche Denkmäler und Ruinen von der militärischen Vergangenheit. So findet man quasi mitten in der Natur die Ruinen einer ehemaligen Offiziersschule sowie, inmitten von Einfamilienhäusern, ein Denkmal. Der Hafen von Tateyama ist heute ein Fischereihafen, aber das Militär ist immer noch in Tateyama tätig – westlich der Stadt auf einem Stück Neuland befindet sich ein Stützpunkt der Marine der Japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte – genauer gesagt ein großer Heliport.
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Kap Nojima 野島崎 & Minami-Bōsō 南房総
Die Stadt Tateyama wird komplett von der Stadt 南房総市 Minami-Bōsō (Südbōsō) umschlossen – eine künstliche Verwaltungseinheit, wie man am Namen bereits erkennt. Das “Zentrum” liegt nördlich von Tateyama, aber zu der Stadt gehört auch die ganze Südküste der Halbinsel. Dort befindet sich, am südlichsten Ende, das 野島崎 Nojima-saki (Kap Nojima). Wie ein Wurmfortsatz ragt dort eine sehr kleine Halbinsel in das Meer – das “-jima” im Namen deutet dabei darauf an, dass diese kleine Halbinsel möglicherweise vom Festland getrennt war. Das Kap Nojima ist nicht nur der südlichste Punkt der Präfektur Chiba, sondern auch der südlichste Punkt der Kanto-Region. Setzt man sich am Kap in ein Boot und fährt exakt 200 Kilometer gen Süden, landet man auf der sehr schönen Insel Hachijōjima.
Am Kap Nojimasaki steht ein achteckiger, weißer Leuchtturm eindeutig europäischer Architektur. Dieser Leuchtturm hat eine lange Geschichte. Nachdem Mitte des 19. Jahrhunderts Japan durch die Kanonenbootpolitik der USA zur Landesöffnung gezwungen wurde, schloss das Land im Jahr 1866 einen “Steuerverbesserungsvertrag” ab – nicht mehr und nicht weniger als ein Handelsabkommen. Dieser auch Edo-Abkommen genannte Vertrag verpflichtete Japan unter anderem zum Bau von 8 Leuchttürmen. Die waren bitter nötig, denn die oft schroffe japanische Küste und der oft aufgewühlte Ozean liessen vorher viele Schiffe zerschellen. Der Vertrag wurde damals mit den USA, England, Frankreich und den Niederlanden geschlossen. Der Leuchtturm am Kap Nojimasaki war besonders wichtig, steht er doch am Eingang zur Bucht von Tokyo. 1870 wurde der erste, 30 m Leuchtturm unter Leitung eines französischen Architekten erbaut. Das Große Kanto-Erdbeben im Jahr 1923 überlebte der Turm nicht – er brach in 6 Meter Höhe ab. 1925 wurde ein Neubau errichtet – nach dem Vorbild des ersten Turms – und dieser Bau steht noch heute, obwohl er in den letzten Kriegstagen stark beschädigt wurde.
Den Turm kann man für einen geringen Obolus von 200 Yen besteigen, und die Aussicht lohnt sich an den meisten Tagen. Man sieht die nähere Umgebung, darunter die vielen Hotels von Shirahama-Onsen, sowie bei guter Sicht einige der Izu-Inseln.
Die Bōsō-Halbinsel im Allgemeinen, besonders aber die Südküste, also der Ort Minami-Bōsō, wurde in der Nacht vom 8. zum 9. September 2019 vom Taifun #15, genannt FAXAI, heimgesucht. Dieser hatte Windgeschwindigkeiten von bis über 200 Stundenkilometern und eine Unmenge an Regen im Gepäck und trat bei Chiba an Land. 8 Menschen verloren ihr Leben allein in Chiba, und unzählige Dächer wurden abgedeckt – diese werden in Japan dann mit blauen Planen abgedeckt, so dass zeitweise jedes zweite Haus ein blaues Dach hatte. Der Taifun legte dabei weitestgehend die Stromversorgung der Gegend lahm, da die meisten Stromleitungen oberirdisch verlaufen, und Strommasten wie Streichhölzer einknickten. In einigen Gebieten dauerte es mehr als eine Woche, die Stromversorgung wiederherzustellen. Das ist zu dieser Jahreszeit eine echte Herausforderung für die Menschen, da die Nachttemperaturen nahe 30 Grad liegen. Und es kam noch schlimmer – fast genau einen Monat später suchte Taifun #19 die gleiche Gegend heim.
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Kujūkurihama 九十九里浜
Im Nordosten der Halbinsel wird es allmählich flacher – bis nördlich der Stadt Isumi die rund 60 Kilometer lange Kujūkuri-Küste beginnt. In einem sanften Bogen reicht dieser Abschnitt bis fast nach Chōshi, und während die Landschaft für Menschen, die Schleswig-Holstein kennen, vertraut aussehen mag, ist sie in Japan doch einzigartig. Die Kombination von flachem Land und Küste ist hier eher selten, und wenn, dann meistens stark verbaut.
Der Name der Gegend ist etwas seltsam, bedeutet er doch “die 99-Ri-Küste”. 里 Ri ist ein altes Längenmass, das im alten China ziemlich genau einen halben Kilometer, und in Japan damals (meistens) rund 3.9 Kilometer entsprach. Die Große Mauer von China zum Beispiel heisst auf Chinesisch 10,000-Ri-Mauer, was in etwa auch der Wahrheit entspricht. Leider hat sich die gemeinte Länge immer wieder geändert. Als der Name Kujūkuri entstand, war ein Ri genau 6 町 chō lang – diese Einheit ist rund 109 Meter lang. Ein Ri entsprach also rund 654 Meter. Auf Befehl des Gebietsherrschers begann man die Küste zu vermessen, und kam auf eine Länge von 99 Ri – rund 65 Kilometer also. Und so entstand der Name Kujūkuri.
Kujukurihama gehört zu mehreren Städten – von Nord nach Süd sind dies 旭 Asahi, 匝瑳 Sōsa, 山武 Sammu, 東金 Tōgane, 大網白里 Ōami-Shirasato und 茂原 Mobara. Die Gegend ist nicht allzu dicht besiedelt – zwischen kleineren Ansammlungen von Häusern findet man immer wieder kleinere Waldstücke.
Mehrere Flüsse münden bei Kujukurihama in den Pazifik – darunter zum Beispiel der 栗山川 Kuriyama-Fluss. Dieser ist der südlichste Fluss Japans, in den Lachse zum laichen zurückkehren, und das hat seinen Grund. Die aus dem Süden kommende, und damit warme Meeresströmung namens 黒潮 Kuroshio (“schwarzer Meeresstrom”) verlässt hier die japanische Küste Richtung Osten. Die 親潮 Oyashio-Strömung fliesst immer die Küste entlang aus dem Norden bis hierher und verlässt hier ebenfalls die japanische Küste gen Osten. Die Lachse bevorzugen kälteres Wasser und kommen deshalb mit der Oyashio-Strömung bis hierher und nicht weiter.
Genau diese Meeresströmungen sorgen für die Landschaft, wie man sie heute sieht, und sie bestimmen auch das Klima. Die Oyashio-Strömung reicht mal mehr und mal weniger weit Richtung Süden (Kujukurihama ist der südlichste Punkt) und bestimmt so, ob ein Sommer wärmer oder kühler wird. Die Strömungen sorgen auch für meist hohe Wellen, weshalb Kujukurihama bei Surfern sehr beliebt ist. Ausserdem gibt es unzählige Badestrände, die vor allem im Sommer bei den Großstädtern sehr beliebt sind. Im Sommer kann man dabei mit Wassertemperaturen bis zu 25 Grad, im Winter bis 15 Grad rechnen. Das bedeutet, dass das Wasser im Vergleich zur Lufttemperatur im Sommer erfrischend – und im Winter erstaunlich mild ist.
Kujukurihama wäre beinahe der Omaha Beach von Japan geworden: Die Alliierten planten in den letzten Kriegsmonaten des Zweiten Weltkrieges eine Landung in dieser Gegend – mit 40 Divisionen (in der Normandie waren es “nur” 12 Divisionen). Der sogenannte Y-Day sah vor, dass die Truppen dann von hier Richtung Tokyo vorrücken. Einigen Historikern zufolge kapitulierte der japanische Kaiser nicht unbedingt wegen der Atombombenabwürfe, sondern möglicherweise deshalb, weil man mit dem Ausbau der militärischen Schutzanlagen in Kujukurihama nicht vorankam.
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Nokogiriyama 鋸山 – der “Sägeberg”
Es gibt Berge, bei denen versteht man sofort, warum sie so heißen wie sie heißen. Dazu zählt der Nokogiriyama. 鋸 nokogiri bedeutet Säge, und der Berg sieht, vom Ufer beziehungsweise vom Wasser aus gesehen, aus wie ein Sägeblatt (siehe Photo links unten). Der Berg ist an seiner höchsten Stelle 329 Meter hoch – nicht viel, aber er ragt fast wie ein Tafelberg steil und direkt an der Küste aus der Landschaft. “Sägeberg” ist eigentlich nur ein umgangssprachlicher Name – der richtige Name lautet 乾坤山 Kenkonzan – “kenkon” bedeutet “Himmel und Erde” (und -zan ist eine andere Lesung für “yama”, also Berg).
Der Berg sah nicht immer so aus, wie er jetzt aussieht. Der Nokogiriyama besteht aus Tuff, und das ist ein beliebtes Baumaterial – leicht zu brechen, nicht sehr schwer, aber bestens geeignet zum Bauen. Seit der Edo-Zeit wurde hier Tuff abgebaut, und das wurde bis zum Jahr 1985 fortgeführt und sorgte dafür, dass die zahlreichen Steinbrüche heute als Zacken auf dem Bergrücken dem Gipfel sein markantes Aussehen verleihen. Mit dem Tuff wurden unter anderem Hafenanlagen von Yokosuka und Yokohama gebaut, aber auch Gebäude in der berühmten Waseda-Universität und Teile des Yasukuni-Schreins.
Einer der Gründe, warum der Nokogiriyama ein sehr beliebtes Ausfliegsziel für gestresste Hauptstädter darstellt, ist die Seilbahn. Sicher, man kann auch auf den Berg wandern, aber die meisten benutzen lieber die bequeme 鋸山ロープウェー Nokogiri Ropeway. Diese fährt von Mitte Februar bis Mitte November von 9 bis 17 Uhr auf den Gipfel und zurück; in den Wintermonaten fährt sie nur bis 16 Uhr. Die Hin- und Rückfahrt kostet 950 Yen.
Auf dem Gipfel erwarten den Besucher einige spektakuläre Aussichtsplattformen, von denen man bei gutem Wetter einige der Izu-Inseln, die Miura-Halbinsel, die Südhälfte der Bucht von Tokyo sowie den Fuji-san sehen kann. Die Chancen, letzteren wirklich zu Gesicht zu bekommen, sind in den Wintermonaten besonders hoch und im Sommer oder gar während der Regenzeit im Juni und Juli eher schlecht. Ausserdem wartet auf dem Gipfel eine geballte Ladung Buddhismus: Hier steht der altehrwürdige Tempel 日本寺 Nihon-ji – der “Japantempel”. Dieser gehört heute der Sōtō-Sekte und wurde den Tempelannalen zufolge im Jahr 725 gegründet. Die Anlage war früher gewaltig – es gab wohl 7 Tempelhallen, 12 Tempel bzw. Tempelschulen und 100 Mönchsunterkünfte. Mit dem Glanz war es jedoch mit der Meiji-Restauration ab der Mitte des 19. Jahrhunderts vorbei. Die Doktrin des jungen Staates war damals, Buddhismus und Shintoismus strikt zu trennen – auf Kosten des Buddhismus. Bei dieser 廃仏毀釈 haibutsu kishaku genannten Bewegung wurde vieles zerstört. Des weiteren zerstörte ein Großbrand im Jahr 1939 weite Teile der Anlage.
Obwohl der Tempel auch schon bessere Zeiten gesehen hat, ist er nicht und mehr und nicht weniger als der Tempel mit der größten Buddhastatue Japans – die in den weichen Fels geschlagene Statue war, als sie 1783 geschaffen wurde, knapp 38 Meter hoch – der “Daibutsu” im Todaiji in Nara hingegen ist nur halb so gross, und der berühmte Daibutsu in Kamakura ist nur ein Drittel so gross. Aufgrund der Verwitterung und diversen Zerstörungen im Laufe der Jahrhunderte musste die gigantische Statue im Jahr 1966 jedoch auf 31 Meter heruntergeschliffen werden, doch der verbliebene Rest ist noch immer sehr imposant.
Ebenfalls im Tempelgelände und nur zehn Minuten zu Fuss vom Tempelinneren entfernt liegt eine weitere Attraktion – der 地獄のぞき jigoku-nozoki, der “Blick in die Hölle”. Hier befindet sich man inmitten eines imposanten Steinbruchs, in dem der berühmte Boso-Stein (siehe oben) quaderförmig aus dem Berg geschnitten wurde. So entstand eine künstliche Schlucht mit fast kerzengeraden Wänden, in denen man auch noch eine weitere, ebenfalls rund 30 Meter hohe Buddhastatue findet, die hier in den Fels geschlagen wurde. Das hat durchaus Tradition und ist unter anderem auch in den Longmen-Höhlen von Luoyang in China zu finden. Der “Blick in die Hölle” ist dabei ein begehbarer Felssporn, von dem man in die Schlucht – sowie auf den Nordteil der Boso-Halbinsel sehen kann. Auf dem zum Glück mit einem Gitter versehenen Sporn passt im Prinzip nur ein Mensch, und so ist der Ort als Fotomotiv sehr beliebt. Menschen mit Höhenangst sollten sich jedoch gut überlegen, ob sich der Ort als Therapiegelegenheit eignet…
In der Nähe der Schlucht kommt man an einer Passage vorbei, in der insgesamt 1,553 Rakan-Statuen stehen – “Buddhajünger”, in verschiedensten Formen. Mehr zu den Rakan siehe Kita-in in Kawagoe, Saitama.
Es gibt noch weitere interessante Artefakte auf dem Gipfel – man kann dort ganz locker ein paar Stunden zubringen und nach interessanten Fotomotiven schauen, denn der Berg bietet eine Melange aus Natur, industriemäßige betriebenem Steinbruch und Religion – und einer fantastischen Aussicht hier und da.
Ganz kostenfrei ist das ganze allerdings nicht – Erwachsene bezahlen für den Eintritt in den Nihon-ji 700 Yen, Kinder von 4 bis 12 Jahren 400 Yen.
Noch ein kleiner Geheimtipp am Rande: Unterhalb des Berges, direkt am Meer und ein paar Meter abseits von der Strasse, steht eine kleine Hütte – das 音楽と珈琲の店 岬 “Music & Coffee Misaki”, ein kleines Cafe, das wie eine Mischung aus Wohnzimmer und Museum daherkommt. Die Besitzer sind sehr freundlich und der Blick auf das Meer ist sehr entspannend. Ideal für eine kleine Kaffeepause.
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Kamogawa 鴨川
Die Stadt Kamogawa, wörtlich übersetzt “Entenfluss”, liegt an einer langen Bucht auf der Pazifikseite der Halbinsel. Die Stadt hat rund 32,000 Einwohner, einen lang gezogenen Strand und so etwas wie eine Promenade mit einigen grösseren Hotels. Ganz klar ein Naherholungsgebiet, in das es viele Hauptstädter im Sommer zieht – zum Schwimmen, Tauchen oder einfach nur Ausruhen.
Der Ort hat seit 1971 Stadtrecht – obwohl die Bevölkerungszahl stetig rückläufig ist. In den 1950ern lebten hier fast 50,000 Menschen. Wie bei vielen anderen Seebädern auch hat Kamogawa die besten Zeiten hinter sich – da Flüge für jedermann erschwinglich geworden sind, zieht es viele Japaner eher in die Ferne als in die Nähe.
Natürlich dreht sich hier alles ums Wasser. Rund vier Kilometer südlich des Zentrums liegt die gerade mal 0.03 Quadratkilometer grosse 仁右衛門島 Niemon-Insel – eine kleine, felsige Insel, die nur rund 200 Meter von der Küste entfernt liegt. Der Clou: Es handelt sich hier um die einzige bewohnte Insel der Präfektur Chiba, denn hier wohnt die Familie Hirano-Niemon, und das seit 38 (!) Generationen. Obwohl die Insel Privatbesitz ist, darf man sich auf einem Ruderboot übersetzen lassen – dafür bezahlt man 1,350 Yen, was gleichzeitig das Eintrittsgeld darstellt. Die Niemon-Insel ist nicht die einzige Insel der Gegend – es gibt zahllose kleine und winzige Inseln, die hier eine typische Schärenlandschaft bilden.
Nördlich des Zentrums befindet sich eine weitere Attraktion – das 鴨川シーワールド Kamogawa Seaworld, mit zahlreichen Meeresaquarien und einem Delphinarium sowie einem angeschlossenen Hotel direkt am Meer. Die Attraktion gibt es seit 1971, und mit knapp einer Million Besucher pro Jahr ist Kamogawa Seaworld die Nummer 7 in der japanischen Hitliste der Aquarien/Wasserparks. Der Eintritt kostet für Erwachsene 3,000 Yen.
Das Kamogawa Seaworld liegt direkt an der Küste und hat unter anderem drei verschiedene Arenen, in denen es Vorführungen mit Seerobben, Delfinen und Orkas gibt. Während die meisten ähnlichen Einrichtungen in der ganzen Welt Vorführungen mit den Killerwalen nach diversen Unfällen für immer abschafften, geht es hier noch zwei bis drei Mal täglich hoch her. Man läßt die eleganten Tiere nicht nur herumschwimmen und -springen, sondern geschulte Pfleger begeben sich mit den Tieren sogar zusammen ins Wasser, lassen sich in die Luft werfen und dergleichen. Das sieht ziemlich gefährlich aus – und ist es wahrscheinlich auch. Im Sommer erweitert man das Spektakel auch noch um eine saisonale Besonderheit – den “Summer Splash”. Dann lässt man die Wale nach Herzenslust Wasser in die Zuschauermenge spritzen – und zwar so viel, dass fast alle Reihen wirklich komplett durchnässt sind. Zur Vorbereitung kann man deshalb vor Ort eine Art Regencape günstig erwerben.
Natürlich gibt es auch viele andere Dinge zu sehen – von Pinguinen, Riesenkrabben über Quallen und Meeresschildkröten ist (fast) alles vertreten.
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Mother Farm マザー牧場
Auf der Boso-Halbinsel gibt es zahlreiche Attraktionen für Familien mit Kindern. Eine der Hauptattraktionen ist マザー牧場 mazaa bokujō, auf English offiziell “Mother Farm”. Gegründet wurde dieser Themenpark von Hisakichi Maeda, zu Lebzeiten Parlamentsabgeordneter und Medienmogul, im Jahr 1961. Maeda war Kind einer armen Bauernfamilie und widmete deshalb den “Mother Farm” seiner Mutter. Er selbst gründete zahlreiche noch immer sehr einflussreiche Zeitungsverlage und Fernsehsender, und er war es auch, der den Bau des heute weltweit berühmten Tokyo Tower initiierte.
Mother Farm befindet sich auf einer Hochebene direkt am 309 Meter hohen Berg 鬼泪山 Kinadayama, in der Stadt Futtsu. Mit 250 Hektar ist die “Farm” immerhin der grösste Vergnügungspark/Themenpark der Region Kanto – noch vor Tokyo Disneyland. Im Vergleich zu letzerem sind die Eintrittspreise auch sehr zivil – Erwachsene zahlen für eine Tageskarte 1,500 Yen. Und dafür gibt es einiges zu sehen, denn neben zahlreichen Attraktionen für Kinder gibt es auch grosse Blumenfelder zu sehen – je nach Jahreszeit kann man dort Raps-, Narzissen-, Gartenhortensien- oder Petunienfelder bestaunen. Letztere sind besonders spektakulär und von Juli bis September am schönsten. Der Kontrast weisser Wolken am blauen Himmel und tiefvioletten Blumen vor grünen Bergen ist etwas, was man so nicht überall sieht. Üherhaupt ist ein Besuch im Sommer besonders schön, ist es doch hier ein bisschen kühler und windiger als in den Betonwüsten.
Für die Kinder ist auch gut gesorgt. Es gibt diverse Fahrgeschäfte, und es gibt eine Art “Bauernshow”, bei der den Kindern hinter einer Glasscheibe verschiedene Tiere vorgestellt werden. Das mag für jemanden vom Land seltsam vorkommen, ist aber keine schlechte Idee, wenn man bedenkt, dass viele Stadtkinder normalerweise solche Tiere nicht zu Gesicht bekommen – welcher Zoo hat denn zum Beispiel Kühe? Kinder können hier auch Kühe melken, Pferde reiten, Tiere streicheln und so weiter.
Auch für die Versorgung ist gesorgt – es gibt zahlreiche Restaurants und Imbisse, die teilweise vor Ort produzierte Zutaten verwenden.
Vorausgesetzt, das Wetter spielt mit, kann man auf der Mother Farm bequem einen ganzen Tag verbringen, egal ob mit Kindern oder ohne. Wer nicht mit eigenem Auto reist, fährt am besten mit der Uchibō-Linie (siehe Anreise) bis Kimitsu – von dort verkehren Shuttle-Busse bis zur Mother Farm.
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Tokyo Deutschlanddorf 東京ドイツ村
Es ist weithin bekannt, dass man in Japan eine Affinität gegenüber dem Ausland und Deutschland im Speziellen hat. So gibt es zahlreiche Themenparks, die sich auf ein einziges Land spezialisiert haben. Huis Ten Bosch in Nagasaki ist das bekannteste – eine Art Mini-Holland, nur mit Bergen rundherum. Es gibt ein spanisches Dorf, und es gibt zwei richtige ドイツ村 Doitsu mura (“Deutsche Dörfer”) – eines in Gunma, eines auf der Boso-Halbinsel. Das in Gunma hatte jedoch nicht lange Bestand, denn es schloss 2017, nach nur 23 Jahren, für immer seine Pforten.
Das deutsche Dorf in Chiba heisst großspurig 東京ドイツ村 Tokyo Deutschlanddorf, obwohl es dutzende Kilometer entfernt von Tokyo liegt. Mit dem Bau hatte man 1999 begonnen, und im Jahr 2001 war Eröffnung. Früher gab es hier einen Golfplatz, doch mit dem Platzen der Immobilienblase im Jahr 1991 ging es mit etlichen Golfplätzen bergab. Das sehr sorgfältig gepflegte Grün erinnert an die Golfplatzvergangenheit.
Aus der Ferne fühlt man sich wirklich an Deutschland erinnert – auf einem sanften Hügel ragt ein grüner Kirchturm in die Höhe, umgeben von ein paar Fachwerkhäusern sowie etwas, was einem landwirtschaftlichen Betrieb ähnlich sieht. Spätestens wenn man am zentralen Platz, passenderweise マルクドプラッツ marukutopurattsu (Marktplatz) genannt, angekommen ist, merkt man natürlich, dass alles nur Fassade ist.
Der Park ist komplett auf Autofahrer ausgelegt: Man kann durch etwas, was man eine Mautstelle nennen könnte, in den Park fahren, und man kann mit dem Auto die einzelnen Sehenswürdigkeiten des rund 90 Hektar grossen Parks anfahren. Auf dem Gelände gibt es rund 3000 Parkplätze, und die meisten Besucher fahren den Ort wirklich mit dem Auto an.
Ansonsten ist das Tokyo Deutschlanddorf ähnlich wie Mother Farm ausgelegt: Es gibt Fahrgeschäfte, einen kleinen Zoo, verschiedene Aktivitäten, bei denen die Kinder mit anfassen können, eine sehr lange Wasserrutsche und dergleichen. Erst recht wenn man mit Kindern unterwegs ist, kann man auch hier getrost einen ganzen Tag verbringen.
Kulinarisch ist man selbstverständlich auf deutsche Küche ausgerichtet, oder das, was man dafür hält. Dazu zählt zum Beispiel ein “Deutschlanddorf-Salat” mit geschreddertem Gemüse, ein paar hauchdünne Scheiben japanischen Formschinkens – und einer fetten Pellkartoffel, die mitten im Gemüse thront. Das kostet mal eben 1,100 Yen (fast 9 Euro) und ist eigentlich eine Beleidigung des Auges, des Geldbeutels – und der deutschen Küche. Auch das Parkmaskottchen “Buta-ten”, eine Kreuzung aus Ferkel und Engel, muss man mögen.
Berühmt ist das Deutschlanddorf seit einigen Jahren für seine festliche Beleuchtung (“illumination”). Die ist nicht immer zu sehen – am besten, vorher auf der Webseite des Parks nachschauen. Nicht zuletzt aufgrund der nächtlichen Beleuchtung wird der Park alljährlich von mehr als einer Million Besucher angesteuert.
Wer kein eigenes Gefährt hat, fährt am besten mit der Uchibō-Linie (siehe unten) bis 袖ヶ浦 Sode-ga-ura. Vom dortigen Busbahnhof fährt eigens ein Shuttle-Bus bis zum Deutschlanddorf – wochentags einer (11:15) und an Wochenenden drei Mal (9:00, 11:15 und 15:13). Die Eintrittspreise variieren je nach Jahreszeit, und je nachdem, ob man mit dem Auto anreist oder nicht, aber mit circa 1,000 Yen pro Person sollte man rechnen. Allerdings: Bei einem Besuch im Deutschlanddorf sollte man eine größere Menge Kleingeld dabei haben, denn jede Kleinigkeit kostet extra, und eine Art all-inclusive Pass gibt es nicht.
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Meeresglühwürmchen “Umi Hotaru” 海のホタル und die Aqualine
Wer bis 1997 mal eben von den Millionenstädten Kawasaki und Yokohama auf der anderen Seite der Bucht nach Boso wollte, hatte es schwer: Entweder, man musste sich immer die Küste entlang quer durch Tokyo und die Stadt Chiba schlagen, oder mit der kleinen Fähre auf der Miura-Halbinsel übersetzen. Das war natürlich nicht nur ein Problem für Ausflügler, sondern auch für die Wirtschaft, denn an der Westküste der Boso-Halbinsel stehen einige bedeutende Raffinerien, und auf der Halbinsel wird viel Obst und Gemüse angebaut.
1971 kam erstmals die Idee auf, Kawasaki und Kisarazu mit einem Brücken-Tunnel-Brücken-Hybrid miteinander zu verbinden. Anfangs sollte es also auf beiden Seiten eine Brücke geben und nur in der Mitte einen Tunnel. Die Idee wurde letztendlich 1985 verworfen, denn dort, wo auf der Kawasaki-Seite eine Brücke gebaut werden sollte, fahren pro Tag rund 1,300 Schiffe lang, und 70% dieser Schiffe haben die Hafenanlagen von Kawasaki zum Ziel. Somit beschloss man, den Tunnel auf einer der Neulandinseln von Kawasaki beginnen zu lassen. Zwei Jahre später wurde mit dem Bau begonnen, und es dauerte gut 10 Jahre, bis die Aqualine genannte Verbindung für den Verkehr freigegeben wurde. Und obwohl die Strecke mautpflichtig ist, wurde sie ein voller Erfolg: Ging man anfangs von rund 25,000 Fahrzeugen aus, die die Strecke nutzen werden, wurden daraus bald mehr als 50,000 Fahrzeuge.
Die Aqualine ist 15.1 km lang – 10 km davon (die Westseite) sind Tunnel, die letzten 5 km Brücke – der Übergang vom Tunnel zur Brücke geschieht mitten in der Bucht – auf einer künstlichen Insel, genannt Umi hotaru 海ほたる (Meeresglühwürmchen). Der Tunnel hat zwei grosse Röhren – beide sind nur für Autos gedacht. Der Tunnel wird in der Mitte durch den Kaze no tō 風の塔 (Windturm) entlüftet. Auf der Umi hotaru gibt es eine Bushaltestelle, Parkplätze und viele Restaurants und Aussichtsplattformen. Mehr dazu siehe Anreise.
Die künstliche Insel hat sich im Laufe der Jahre zu einem beliebten Treffpunkt für Pärchen entwickelt – das ist verständlich. Die Sonnenuntergänge sind schön (die Sonne geht in Richtung des Fuji-san unter), und man hat die gesamte, hell beleuchtete Skyline der Städte rund um die Bucht von Tokyo – darunter Yokosuka, Yokohama, Kawasaki, Tokyo und Chiba, vor sich. An Schiffen, von Fischerkuttern bis zu Containerriesen, Kreuzfahrtschiffen bis in zu Zerstörern und Fregatten, mangelt es auch nicht, und auch am Himmel ist was los, denn eine der Einflugschneisen des sehr nahen Flughafens Haneda führt direkt über die Aqualine. Mit anderen Worten – es gibt immer viel zu sehen.
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Romanwald-Republik ロマンの森共和国
Ziemlich genau in der Mitte der Südhälfte der Boso-Halbinsel liegt die ロマン渓谷 Roman-Schlucht. Und nahe dieser Schlucht gibt es seit 1976 die ロマンの森共和国 Romanwald-Republik – eine Ansammlung diverser Campingplätze, Hütten und Hotels sowie zahlreichen Attraktionen wie einem See mit Schwanenbooten, Kräutergärten, grossen Grillplätzen, einem Labyrinth, einem grossen “Field Athletic”-Park, heißen Quellen, Minigolfanlagen und und und. Besonders empfehlenswert ist dabei die Romanschlucht selbst, in der die Kinder direkt in einem kleinen Fluss planschen und diverse Krebse, Frösche, Libellen und dergleichen einfangen können.
Die Anlage ist insgesamt über 40 Hektar gross, der reine Eintritt kostet 600 Yen. Wer übernachten will, zahlt im Schnitt um die 10,000 yen pro Erwachsenen (inklusive Mahlzeiten). Alles in der Romanwaldrepublik ist schon etwas älter und hat einen etwas spröden Charme, aber die Anlange ist ideal, um der Hitze der Großstadt etwas zu entfliehen.
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Reisterrassen von Ōyama Senmaida
Fast genau zwischen Kamogawa an der Ostküste und dem Nokogiriyama an der Westküste ist das Innere des Südteils der Boso-Halbinsel sehr hügelig – kleine Straßen winden sich hier durch die Täler, und hier und dort gibt es einen kleine Weiler. Landwirtschaft ist hier mangels der wenigen ebenen Flächen nicht ganz einfach, und so verlegte man sich hier, am Beginn eines langen Tals, das bis zum Pazifik führt, auf den Terrassenreisbau. Diese Reisterrassen sind freilich kein japanisches Phänomen – man findet sie ebenso in Indien, Vietnam, Laos, China, den Philippinen und so weiter – also überall, wo es Reis und Berge gibt.
Der Name “Ōyama Senmaida” bedeutet nichts weiter als “tausend Reisfelder am großen Berg”. Diese Reisterrassen sind die am nächsten an Tokyo gelegenen Terrassen, aber man findet ähnliche Terrassen unter anderem auch in Yamanashi, Fukui und Ehime.
Da der Terrassenanbau beschwerlich ist – fast alles muss ohne Hilfe von Maschinen gemacht werden – und die ortsansässigen Bauern zum größten Teil schon hochbetagt sind, läuft diese Kulturlandschaft Gefahr, für immer zu verschwinden. Deshalb hat man sich etwas einfallen lassen: Für 30,000 yen (umgerechnet rund 250 Euro) kann man sich für ein Jahr ein 100 Quadratmeter großes Reisfeld mieten und selbst bewirtschaften. Dazu muss man mindestens 7 Mal pro Jahr auf dem Feld arbeiten – zum säen, Unkraut mähen, ernten und dergleichen. Dafür hat man dann aber auch seinen eigenen Reis angebaut, und bei 100 m² kommt man auf rund 50 Kilogramm Reis – das ist in etwa der Durchschnittsverbrauch an Reis pro Person in Japan.
Am schönsten sehen die Felder Ende April / Anfang Mai (also zur sogenannten “Goldenen Woche”) aus, wenn Wasser auf die Felder geleitet wird, die Reispflanzen aber noch nicht sprießen. Der Himmel spiegelt sich dann wunderbar in den vielen, ungleichförmigen, von Wasser bedeckten Reisfeldern. (Anmerkung: Die Fotos oben entstanden Anfang Juni – die Reispflanzen sind dann schon rund 10 bis 20 cm gross)
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Katsuura 勝浦
In der Mitte der Ostküste von Boso, also an der dem Pazifik zugewandten Seite, liegt die Kleinstadt Katsuura, wörtlich die “Bucht des Sieges”. Im 94 Quadratkilometer grossen Stadtgebiet wohnen rund 17,000 Einwohner – die meisten davon direkt an der Bucht. Die Stadt war schon immer ein bekannter Fischereiort – nach Choshi ist der Ort in der Menge der gefangenen Fische die Nummer 2 in der Präfektur Chiba. Der Ort ist besonders bekannt für die Bonito-Jagd. Dieser auf japanisch 鰹 katsuo genannte Fisch ist quasi der kleine Bruder des Thunfischs, und er spielt in der japanischen Küche eine enorm wichtige Rolle – die getrocknete und gehobelte Variante, das katsuobushi, ist eine Grundzutat der hiesigen Küche.
In Katsuura wird die Tradition des 朝市 Asaichi, des Morgenmarktes, gepflegt. Ausser mittwochs und zu Neujahr findet dieser Morgenmarkt jeden Tag statt – von 6 bis 11 Uhr morgens. Vom 1. zum 15. jeden Monats liegt der Morgenmarkt in der Shimo-Honmachi-Morgenmarktstrasse fest; vom 16. bis zum Monatsende in der Nakahonmachi-Morgenmarktstrasse (die beiden Strassen liegen sehr nah beieinander). Ein japanischer Morgenmarkt ist wie ein grosser Strassenbasar, auf dem man einkaufen, aber auch essen kann. Natürlich dreht sich hier viel um Meeresfrüchte, und der Morgenmarkt von Katsuura zählt zu den 3 größten Morgenmärkten Japans – die anderen findet man in Wajima auf der Noto-Halbinsel (Ishikawa) sowie in Takayama (Gifu).
Katsuura ist ein beliebtes Naherholungsziel für die 30 Millionen Menschen im Großraum Tokyo – gut zu erkennen an den zahlreichen großen Hotels und der auf Wassersport getrimmten Infrastruktur. Der Ort hat allerdings auch schon mal bessere Zeiten gesehen – lebten hier zum Ende des Zweiten Weltkrieges noch fast 35,000 Menschen (darunter viele, die aus dem zerstörten Tokyo hierher flohen), ist es heute fast nur noch die Hälfte, und der Trend der Bevölkerungsabnahme hält ununterbrochen an.
Bei vielen ist die Gegend auch heute noch sehr beliebt. Ein paar Kilometer südlich des Stadtzentrums liegt zum Beispiel das kleine, aber sehr schöne 守谷海水浴場 Moriya-Strandbad – mit Sandstrand, und einer winzigen Insel nebst shintoistischem Schreinbogen und glasklarem Wasser. Ein paar Kilometer nordöstlich des Stadtzentrums ragt das 八幡岬 Kap Hachiman in den Pazifik – unweit davon steht auch ein kleiner Leuchtturm, der allerdings nicht öffentlich zugänglich ist.
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Yōrō-Schlucht 養老渓谷
Fast genau in der Mitte der Bōsō-Halbinsel entspringt am 350 m hohen Kiyosumi-Berg der gut 70 Kilometer lange 養老川 – der “Fluß der Pflege alter Menschen”. Ein seltsamer Name, aber wahrscheinlich stammt der Name eher vom Wort 膕, was Kniekehle bedeutet und andeuten soll, dass der Fluss viele Ausbuchtungen hat.
Ziemlich weit am Oberlauf hat sich der Yorogawa durch das weiche Sedimentgestein gefressen und so eine imposante, wenn auch kleine Schlucht geschaffen. Einige Stellen eignen sich da hervorragend für das in Japan sehr beliebte 川遊び – dem “Spielen am Fluss” – eine Freizeitbeschäftigung, die leider jedes Jahr zahlreiche Todesopfer fordert, da das Land sehr viele Flüsse hat, von denen zahlreiche durchaus gefährlich sind. Der Yōrō-Fluss ist in der Schlucht zwar relativ flach, aber natürlich sollte man auch hier nicht Kinder unbeaufsichtigt spielen lassen, zumal die Steine im Fluss recht rutschig sind.
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Ōtaki 大多喜
Gute 20 Kilometer westlich von Katsuura befindet sich der kleine Ort Otaki, der mit einer netten, kleinen Burgunterstadt aufwartet. Auf einem kleinen Berg thront dann auch tatsächlich eine Burg, die allerdings nicht mehr und nicht weniger als ein Heimatmuseum ist. Die ursprüngliche Burg wurde 1590 errichtet, doch sie wurde ab 1619 kaum noch gebraucht und verfiel zusehends. Eine historische Quelle besagt, dass bereits 1672 weder Burgmauern noch Tore oder Wachtürme vorhanden seien. Das kleine Hauptgebäude blieb zwar vorerst bestehen, brannte jedoch im Jahr 1842 ab.
1975 beschloss man, eine Rekonstruktion zu bauen – inklusive einer traditionellen Burgmauer. Das Bauwerk beherbergt heute eine Zweigstelle des zentralen Museums der Präfektur Chiba. Da man über die ursprüngliche Burg ausser der Anzahl der Etagen so gut wie nichts weiß, darf bezweifelt werden, ob die jetzige Burg wirklich dem Original ähnlich sieht. Das ist aber nicht weiter tragisch – das Bauwerk ist trotzdem ansehnlich. Vom Burgberg kann man übrigens den tiefsten Burgbrunnen von ganz Japan sehen. Der Brunnen hat einen Durchmesser von 17 Metern und eine Tiefe von 20 Metern. Heute liegt der Brunnen auf dem Grundstück einer Oberschule, aber auf Anfrage kann er besichtigt werden.
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Anreise
Es gibt mehrere Möglichkeiten, auf die Halbinsel zu kommen: Die Bahn umrundet die Halbinsel vollständig – die Bahn auf der Pazifikseite nennt sich 外房線 Sotobō-Linie; die der Bucht von Tokyo zugewandte Seite ist die 内房線 Uchibō-Linie. Beide Linien gehören zum JR-Netzwerk und können deshalb mit dem Japan Railpass benutzt werden.
Die Sotobolinie beginnt in Chiba und endet in Kamogawa – genau wie die Uchibolinie. Wer von Tokyo aus seine Reise antritt und nicht mit dem teuren Express fahren will, steigt entweder in Chiba um oder in 蘇我 Soga, der Endhaltestelle vieler Züge der JR Keiyō-Linie. Bis Soga braucht man 50 Minuten und von Soga bis Kamogawa kommt man am schnellsten mit der Sotobō-Linie – die braucht geschlagene zwei Stunden bis zur Endhaltestelle 安房鴨川 Ama-Kamogawa. Die gesamte Fahrt kostet 2,310 Yen. Wer etwas Geld übrig hat oder einen JR-Railpass, kann auch mit dem わかしお特急 Wakashio-Express fahren. Der kostet zwar 4,100 Yen, aber er fährt von Tokyo durch, ist viel bequemer, und man kann einen Platz reservieren. Die Fahrt dauert auch nur knappe zwei Stunden.
Wer Richtung Nokogiriyama und Tateyama fahren möchte, ist mit der Uchibō-Linie schneller am Ziel, muss aber ebenfalls in Chiba oder Soga umsteigen, sowie gegebenenfalls in Kisarazu oder Kimitsu. Die gesamte Fahrt kostet 2,310 Yen mit dem Bummelzug und dauert gute 2½ Stunden. Expresszüge verkehren so gut wie gar nicht auf der Uchibo-Linie. Schneller ist man da nur mit dem Bus — vom Busbahnhof nahe des Bahnhofs Tokyo verkehren die 房総なのはな Bōsō-Nanohana-Expressbusse, die für 2,550 Yen bis Tateyama fahren und – so lange es keinen Stau gibt – ziemlich genau zwei Stunden brauchen.
Vom winzigen Hafen von Hamakanaya fahren auch Fähren über die an dieser Stelle enge Bucht von Tokyo bis Kurihama in der Präfektur Kanagawa. Die Fahrt dauert genau 40 Minuten und kostet 720 Yen.
Wer aus Yokohama oder weiter südlich anreist, kann Gebrauch von der 東京湾フェリー Tokyowan-Ferry machen, die von 久里浜 Kurihama auf der Miura-Halbinsel nach 金谷 Kanaya direkt unterhalb des Nokogiriyama übersetzt. Der Fahrpreis für einen Erwachsenen kostet 800 Yen bzw. 1,450 Yen für die Hin- und Rückfahrt. Wer mit dem Auto übersetzt, zahlt dazu noch um die 4,000 Yen für das Gefährt, je nach Grösse variiert der Preis.
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Übernachtung
Es mangelt nicht an Unterkünften jeglicher Art – von AirBnb über traditionelle minshuku & ryokan, Zeltplätzen, grossen Luxushotels und dergleichen ist alles vorhanden.
Persönlich sehr empfehlen kann ich zum Beispiel das 南房総 白浜クラブ Minami-Bōsō Shirahama Club-Hotel — ein liebevoll eingerichtetes, von einer Familie betriebenes kleines Hotel an der Südküste der Boso-Halbinsel. Die Adresse: zip 295-0103 南房総市白浜町滝口 5786-1 (Chiba Pref. Minamibōsō-shi Shirahama-chō Takiguchi 5786-1). Mehr erfährt man auf der Webseite. Die Zimmer sind fantasievoll und eher westlich eingerichtet, auch das Essen ist europäisch (und ganz vorzüglich).
In Kamogawa gibt es die Pension グリーンクラブ Green Club, die sich auf deutsches Essen spezialisiert hat (und deutschem Bier!). Für Japantouristen eher ungeeignet, ist diese Pension eher was für Leute, die sehr lange in Japan wohnen und interessiert daran sind, wie man sich in Japan Deutschland vorstellt. Das Essen war aber leider eher mittelmässig.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.