Region | 関西 Kansai | |
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Präfektur | 兵庫県 Hyōgo | |
Rang | ||
Name | Nushima – 沼 wird normalerweise “numa” gelesen und bedeutet “Sumpf”; 島 (TŌ, shima) bedeutet Insel. Dementsprechend sollte die Insel also entweder “Nushima” oder “Insel Nu” genannt werden – bei kurzen Namen wird aber meistens ersteres benutzt. Der Name bezieht sich auf den “himmlischen, juwelenbesetzten Speer”, der in den beiden bedeutenden japanischen Chroniken “Kojiki” als 天沼矛 und in den “Nihon Shoki” als 天瓊戈 geschrieben wird – beides wird Ame-no-Nuboko gelesen. | |
Lage | Nushima liegt in der See zwischen Honshu, Shikoku und der Insel Awaji. Bis zur Awaji-shima sind es keine 4 Kilometer. | |
Ansehen | Der kleine Ort nebst Hafen ist durchaus einen Spaziergang wert – von dort kann man dann auch bequem zur anderen Seite der Insel laufen, um den Kamitategami-Iwa und andere Felsformationen im meist tosenden Meer zu bewundern. |
Nushima – Beschreibung
Nushima ist eine kleine Insel rund 4 Kilometer südöstlich von Awaji-shima in der Kii-Wasserstraße. Die Insel ist gerade mal rund 2,7 Quadratkilometer groß und hat eine Küstenlänge von knapp 10 Kilometern. Der Großteil der Insel ist hügelig, mit einer maximalen Höhe von 117 Metern. Nushima gehört zum Nationalpark Seto-Binnensee, einem der drei ältesten Nationalparks Japans.
Die nierenförmige Insel ist im Prinzip nur in der Mitte der Innenseite (diese ist der Insel Awaji zugewandt) bewohnt – im kleinen und durchaus malerischen Fischerdörfchen leben knapp 400 Menschen. Zu Spitzenzeiten, in der Mitte der 1950er, lebten hier jedoch sage und schreibe rund 2’500 Menschen, wobei die meisten der Fischerei nachgingen. Heute bezieht die Insel ihre Einnahmen aus der Fischerei und dem Fremdenverkehr.
Geologisch gesehen unterscheidet sich Nushima stark von der nahegelegenen Insel Awaji-shima, denn zwischen den beiden Inseln verläuft die für Japan extrem wichtige 中央構造線 – die kurz MTL genannte Median-Tektoniklinie oder “Mittlere tektonische Linie”, die in der Präfektur Ibaraki beginnt und rund 1’000 Kilometer lang quer durch Japan verläuft. Nördlich dieser Linie dominiert – in einem relativ schmalen Streifen – fossilreicher Sandstein, während auf Nushima Metamorphite dominieren. Der Teil nördlich der Verwerfung und der südliche Teil bewegen sich in entgegengesetzte Richtungen, mit einer Geschwindigkeit von 5 bis 10 Millimeter pro Jahr. Die Verwerfung mit ihren zahlreichen Abzweigungen ist also tektonisch aktiv und damit ein Auslöser mittweilen katastrophaler Erdbeben wie dem Großen Hanshin-Erdbeben in Kobe, bei dem mehr als 6’000 Menschen ums Leben kamen.
Früher war Nushima eine eigene Verwaltungseinheit (Nushima-mura) und gehörte anfangs zur Präfektur Tokushima (auf der Insel Shikoku), doch seit 1876 gehört sie zur Präfektur Hyōgo. 1955 wurde das Dorf mit anderen Dörfern auf der Nachbarinsel zur Unterstadt Nandan-chō zusammengelegt – bei einer erneuten Verwaltungsreform 2005 entstand die Stadt (-shi) Minami-Awaji, zu der Nushima nun gehört. Die Insel war ziemlich dicht besiedelt und man sprach einen eigenen Dialekt, der heute jedoch nur noch von wenigen, meist älteren Menschen gesprochen wird. Da die Fischfangmenge immer weiter abnahm, zogen immer mehr Menschen auf die Nachbarinsel oder noch weiter weg.
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Ortskern 村内
Das Dorf beginnt praktischerweise direkt am Hafen und besteht zumeist aus kleinen und sehr kleinen Gassen — da die Insel so klein ist, gibt es nur wenig Autos und damit keine große Notwendigkeit für breitere Straßen.
Ein paar hundert Meter vom Zentrum entfernt und damit fast schon in der Inselmittel steht das wohl größte Gebäude der Insel — der Schulkomplex, der aus Grund- und Mittelschule besteht. Die Anzahl der Schüler dort spricht Bände: 2022 gab es 4 Erstklässler, 2 Zweitklässler, 3 Drittklässler. Nur ein Schüler besucht die 4. Klasse, 2 die 5. und 3 die 6. Klasse. In der Mittelschule (bestehend aus drei Jahrgängen) gibt es immerhin insgesamt 20 Schüler. Diese kombinierte Schule mit insgesamt 9 Jahrgängen hat also insgesamt gerade mal 35 Schüler – und diese werden von 21 Lehrern unterrichtet.
Was ob des Dorfcharakters auffällt ist die Dichte der Tempel und Schreine — in dem knapp 400-Seelen-Dorf gibt es 4 Tempel und 6 Schreine (einer dieser Schreine liegt jedoch rund 1 Kilometer abseits). Immerhin – das wäre in etwa so, als ob es in einem 400-Seelen-Dorf in Deutschland 10 Kirchen gibt. Die hohe Dichte lässt sich natürlich damit erklären, dass hier früher weitaus mehr Menschen leben.
Hier und da findet man im Dorf auch ein nettes kleines Restaurant oder Cafe, doch hier ist Vorsicht geboten – es ist durchaus auch möglich, dass kein einziges Restaurant geöffnet hat, wenn man die Insel besucht, denn sie öffnen mitunter nur sporadisch oder nur, wenn vorher reserviert wurde (bei einem Besuch auf der Insel im August 2023 an einem Werktag hatte kein einziges Restaurant “offiziell” geöffnet, und August ist eigentlich Hauptreisezeit).
Das Dorf selbst ist alles in allem sehr nett – nach 30 Minuten hat man aber so gut wie alles gesehen.
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Hachiman-Schrein 八幡神社
Der bekannteste der sechs Schreine auf Nushima ist der mitten im Ort gelegene Hachiman-Schrein – er besticht beim ersten Anblick vor allem durch eine lange Treppe, die man hochklettern muss, wenn man zur Haupthalle möchte. Die Mühe lohnt sich allerdings, denn von oben hat man einen guten Blick auf den Ort und die Insel Awaji.
Der Hachiman-Schrein von Nushima wurde wahrscheinlich 1436 errichtet – als Ableger des großen und prächtigen Iwashimizu-Hachimangu-Schreins in Kyoto. “Hachiman” ist bei japanischen Schreinen ein typischer Name (so heißt auch der berühmteste Schrein von Kamakura Hachiman-Jingū) und leitet sich vom “Yahata-no-kami” ab – “hachiman” ist lediglich eine andere Lesung der Schriftzeichen von 八幡. Der Gott Yahata ist der Gott der Krieger und wurde deshalb vor allem von den Kriegern verehrt. Hachiman ist dabei ein gutes Beispiel des japantypischen shintō-buddhistischen Synkretismus – der Verschmelzung von Shintoismus und Buddhismus.
Dieser Synkretismus wird 神仏習合 genannt — die Verschmelzung von Kami (auch SHIN gelesen, die shintōistischen Götter) und BUTSU (Buddha, buddhistische Götter). Er ist die Ursache dafür, dass die meisten Japaner die Gretchenfrage nicht eindeutig beantworten können, und er ist sicherlich auch die Ursache dafür, dass Shintoismus und Buddhismus in Japan relativ friedlich koexistieren können. Der Hachiman ist zum Beispiel ein Schrein, aber direkt am Fusse des Schreins befindet sich ein Tempel – nebst Friedhof, denn Schreine bzw. der Shintoismus befassen sich so gut wie gar nicht mit dem Ableben und dem Leben nach dem Tod.
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Kamitategami-iwa 上立神岩
Läuft man vom Ortszentrum den kleinen Bach entlang Richtung Inselmitte, so kommt man nach rund 10 Minuten an der Schule vorbei. Von dort geht es rund 20 Minuten weiter zu Fuss – und zwar größtenteils bergauf. Schon ist man auf der anderen, unbewohnten Seite der Insel angelangt, und die besticht durch zahlreiche vorgelagerte Felsen beziehungsweise Inselchen. Der auffälligste, da höchste Felsen wird 上立神岩 genannt – der “obere stehende Götterfelsen”. Logischerweise gibt es auch einen “Unteren Stehenden Götterfelsen” ein paar hundert Meter weiter südlich, aber der ist weit weniger spektakulär.
Der rund 30 Meter hohe, hauptsächlich aus Tremolit bestehende Felsen in der Brandung erinnert an eine Speerspitze, die im Meer steckt, und er ist laut Nihon Shoki (7. – 8. Jahrhundert) und Kojiki (712 u.Z.), den beiden ältesten schriftlichen Aufzeichnungen Japans, womöglich der Ort, an dem die Entstehung Japans begann. Die Geschwister Izanami und Izanagi rührten der Legende zufolge mit einem juwelenbesetzten Speer im 青海原 – dem endlosen Urozean. Als sie den Speer aus dem Wasser zogen, tropfte Salz von der Spitze und schuf so die legendäre erste Insel, 磤馭慮島 (Insel Onogoro). Dort bauten sie einen Himmelspalast, und dort stand auch die Himmelssäule, 天の御柱. Hier wird die japanische Mythologie ein bisschen kurios: Auf der Insel entdeckte Izanami, das bei ihr etwas fehlt. Und Izanagi bemerkte, dass bei ihm etwas mehr dran war. So beschlossen die beiden, sich zu vereinen, um so Fehlendes mit Überflüssigem auszugleichen. Die beiden waren sich nur nicht ob des Rituals sicher – und so umkreiste Izanami von rechts die Säule und Izanagi von links. Als sie sich trafen, vereinigten sie sich zum ersten Mal, doch Izanami machte den Fehler, zuerst zu sprechen – das Kind wurde eine Mißgeburt und auf einem Boot ausgesetzt. Dieses Kind war und ist nicht mehr und nicht weniger als Ebisu, heute ein meist fröhlich dreinblickender, dicker Bursche und Schutzgott der Fischer, des Glücks und der Händler.
Zum Glück kam eine Stelze des Weges und zeigte den beiden, wie die Vermählung vollzogen werden muss. Und so begann der 国産み genannte Prozess – die “Geburt des Landes”. Erst wurde die Insel Awaji erschaffen, dann sieben weitere Inseln – mehr dazu siehe unter Shintoismus. Japan ward geboren, und Izanami und Izanagi produzierten noch viele weitere Götter — von denen dann die kaiserliche Familie direkt abstammt. So die shintoistische Entstehungsgeschichte Japans.
Über die Höhe des Felsens gibt es unterschiedliche Angaben – die einen sagen, er ist rund 32 Meter hoch, doch in anderen Publikationen ist von 15 Meter die Rede. Der “Untere Stehende Götterfelsen” war einst höher als der Obere, doch aufgrund eines großen Erdbebens im Jahr 1854 und hernach infolge eines Taifuns im Jahr 1934 büsste der Felsen mehr als die Hälfte seiner ursprünglichen Höhe ein.
Auch darüber, was dieser Felsen nun eigentlich genau ist, herrscht Unstimmigkeit. Einige Quellen sagen, Nushima ist die legendäre Onogoro-Insel und der Felsen der Ort, an dem das Götterpaar aus dem Himmel herabstieg. Andere gehen davon aus, dass nur der Felsen die Insel Onogoro ist. Wieder andere sagen, der Felsen war das Haupttor des Himmelspalastes auf der Insel Onogoro. Göttliche Entstehungsgeschichte hin oder her – die Küste ist hier wunderschön und das tosende Meer sehr beeindruckend. Ein Abstecher hierher lohnt sich also allemal.
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Kulinarisches ご当地グルメ
Obwohl auf Nushima weniger als 400 Menschen leben, gibt es über 100 Fischerboote. Im Meer rund um Nushima werden in erster Linie 鯵 (eine Stachelmakrelenart), 真鯛 (rote Meerbrasse), 鰤 (Japanische Gelbflosse, auch eine Stachelmakrelenart), カンパチ (Große Bernsteinmakrele) und
白子 (ganz junge Sardellen) gefangen. Von Mai bis August werden hier auch 鱧 gefangen – diese auf Deutsch “Hechtconger” oder auch “Seeaal” genannten, aalartigen Fische werden 1 bis 2 m lang und sehen etwas furchterregend aus: Das breite Maul erstreckt sich bis hinter die Augen, und die Zähne sehen beeindruckend aus. Während diese Fische anderswo wieder ins Meer zurückgeworfen werden, gelten sie in Japan als Delikatesse – das drückt schon das Schriftzeichen aus, das sich aus den Radikalen/Zeichen 魚 (Sakana, “Fisch”) und 豊 (yuta-ka, “reich”) zusammensetzt. Das hat jedoch mehr ästhetische Gründe, denn das Fleisch des Hechtconger ist blütenweiß – vorausgesetzt, man hält die Fische nach dem Fang noch ein paar Tage im Becken, und zwar ohne Futter.
Doch der lange Fisch hat ein kleines Manko — je nach Länge hat er 120 bis 216 Wirbel, sprich, er ist einfach voller Gräten. Es ist quasi unmöglich, alle Gräten zu entfernen – deshalb ist die Zubereitung ziemlich schwer und sehr zeitaufwändig, weshalb Hechtconger in Japan reichlich teuer ist. Bei der häufigsten Zubereitungsart wird der Fisch erst längs aufgeschnitten, dann wird der Fisch nach Entfernung der Wirbelsäule filettiert. Da man die Gräten unmöglich alle entfernen kann, macht man viele Schnitte, bei denen man aufpassen muss, dass man bis zur Haut schneidet, ohne selbige durchzuschneiden. Für einen knapp 1 m langen Fisch braucht man rund 660 Schnitte. Danach werden die Stücke gekocht – sie sehen danach ein bisschen fluffig aus und erzeugen ein etwas ungewöhnliches Essgefühl, da ja winzige Grätenstücke übrig sind. Dabei hat das Fleisch so gut wie keinen Eigengeschmack – deshalb wird er in aller Regel mit einem Kondiment, Pflaumensauce zum Beispiel, serviert.
Aufgrund seiner Farbe und der sehr aufwändigen Zubereitungsart gilt der Hechtconger vor allem in der gehobenen Kyoto-Küche als Delikatesse. Auf Nushima zum Beispiel spezialisiert sich das 木村屋 (Kimura-ya)-Ryokan (“ryokan” ist eine gehobene, traditionelle japanische Unterkunft) auf Hamo-Zubereitung, und das 鱧御膳, also das Hamo-Menü, ist sehr, sehr schmackhaft und ein klarer Beweis, dass man den Hechtconger durchaus auf geniessbare, ja sogar sehr schmackhafte Art und Weise zubereiten kann.
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Anreise
Im Prinzip gibt es nur eine Anreisemöglichkeit – die Nushima-Fähre. Diese fährt im Schnitt 10 Mal die kurze Strecke hin und zurück. Für die einfache Fahrt braucht die Fähre gerade mal 10 Minuten. Das Boot legt an der Südküste von Awaji im kleinen Ort 土生 (Habu) ab und landet am Hafen direkt beim Dorf auf der Insel Nushima an. Die einfache Fahrt kostet 480 Yen für Erwachsene für die einfache Fahrt und 920 Yen für die Hin- und Rückfahrt. Mehr dazu sowie die aktuellen Abfahrtszeiten (und ob die Fähre überhaupt fährt) erfährt man unter nushima-yoshijin.jp/go_kisen.
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Übernachtung
Es gibt drei Übernachtungsmöglichkeiten auf der Insel – das Hostel Asayama, das Kimuraya-Inn und das Kappo Shirasaki. Die Unterkünfte sind eher schlicht und bieten in allen Fällen Vollpension an – das sollte man auch nutzen, denn in einem 300-Seelen-Dorf gibt es nicht viel Alternativen. Auf jeden Fall sollte man vor der Anreise reservieren, denn die Unterkünfte und Restaurants schliessen auch mal sporadisch — oder sie sind schlichtweg ausgebucht. Die Alternative ist, auf Awaji zu übernachten und die Insel im Rahmen einer Tagestour zu besuchen. Das ist allerdings ohne eigenes Gefährt nicht ganz einfach, da Habu, der Fährhafen, ziemlich abseits von allem liegt.
Zu allgemeinen Übernachtungstipps siehe Übernachtungstipps Japan.